USA 2006 · 86 min. · FSK: ab 12 Regie: Rick Ray Drehbuch: Rick Ray Musik: Peter Kater Kamera: Elana Ben Amir, Rick Ray |
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Seine Heiligkeit im Gespräch |
Der Film hat drei Ebenen: Er zeigt Schnipsel eines Interviews, das der amerikanische Regisseur Rick Ray mit dem »Dalai Lama« – wörtlich »Ozeangleicher Lehrer« – führte, dem Mönch Tenzin Gyatso, der seit 1935 als religiöses Oberhaupt des tibetanischen Buddhismus fungiert, und nach dessen Glauben er die Reinkarnation eines besonders herausragenden Menschen ist. Unterbrochen wird der Film durch zum Teil seltene historische Dokumentaraufnahmen und eher
touristische Naturbilder Tibets. Gerade letztere überraschen nicht, sondern basteln am Tibet-Look, bedienen alle idyllischen Bilder, die das westliche Publikum bereits im Kopf hat, nicht zuletzt durch stupide Filme wie den Brad-Pitt-Schrott Sieben Jahre in Tibet, und damit vor allem die Trägheit und Schlichtheit unserer Vorstellungen. Auch der Kommentar strickt am Märchen vom
verwunschenen »Dach der Welt«, das von lauter fröhlich lächelnden, kettenrasselnden und orangefarbenen Schlümpfen bewohnt ist.
Das entspricht zwar der Projektion westlicher Wohlstandsgesellschaften, die sich in Tibet gern ihr Traumreich spiritueller Wellness errichten, mit der Realität Tibets aber so viel zu tun hat wie Heidelberg- und Matterhorn-Postkarten mit der Bundesrepublik.
Der Film ist, man muss das so sagen, einfach ein ziemlich plumpes Pamphlet für den »Dalai Lama«. Völlig unkritisch und inhaltlich einseitig wird das Leben des »Dalai Lama« und das Schicksal Tibets erzählt. Aber schon Mao Tse-tung hat gewusst: »Das Dogma ist weniger wert als ein Kuhfladen.« Vielleicht wäre der Lage der Menschenrechte in Tibet mehr gedient, würde der Film seinen Gegenstand ernst nehmen und nicht in eine Puppenstube verwandeln. So belegt der Film vor allem, woran die hiesige Tibet-Wahrnehmung krankt. Kriecherisch salbadert der Off-Kommentar immerzu von »Seiner Heiligkeit«, mit bedeutungsschwerem Ton fallen Indianerhäuptlings-Sätze wie »Die Macht der Gewehre ist nur von kurzer Dauer«, bei denen man weniger gerührt, als nervös im Kinosessel hin- und herrutscht.
Zum Überdruss trägt auch die mehr als mäßige filmische Qualität des Werks ihr Stück bei. Von der gelassenen Heiterkeit des Dalai Lama ist in den angestrengten Bildern nichts zu spüren, dem Kommentar hätte ein Stück göttlicher Inspiration mehr als gut getan, bei der schrecklichen Esoterikmusik, die offenbar direkt von irgendeiner Meditations-CD übernommen wurde, kann selbst die nichts mehr helfen.
Die größte Sünde: Regisseur Ray kann nicht zuhören, weiß schon alles und erweckt den Eindruck, sich mit seinem Interviewpartner zu langweilen. Mitten in den Antworten, schneidet er weg vom Gespräch, zeigt austauschbare Landschaftskulissen, gönnt uns die Antworten des Lama nicht. Insofern wirkt der Film vor allem wie ein glücklicher Marketingerfolg, der die Unruhen in Tibet als zusätzliche Werbemaßnahme nutzt.
Der Dalai Lama wiederum ist clever und mediengewandt genug, um westliche Buddhismus-Spinner a la Ray für seine Ziele zu instrumentalisieren. Substanz jenseits der Show ist von ihm nicht zu erwarten: Wann darf die Gewaltlosigkeit aufgegeben werden? Man dürfe sich verteidigen, wenn man angegriffen werde, meint der Lama, weil aber alles voneinander abhänge, berührten die Interessen seiner Gegner auch seine eigenen, deshalb sei Krieg immer auch Selbstzerstörung. So so, aha. Viel erreicht hat er damit außerhalb des westlichen Showbetriebs nicht.
Daher eine elfte Frage von unserer Seite: Wie viele Divisionen hat eigentlich der Dalai Lama?