USA 2001 · 91 min. · FSK: ab 16 Regie: Steve Beck Drehbuch: Neal Marshall Stevens, Richard D´Ovidio Kamera: Gale Tattersall Darsteller: Tony Shalhoub, Matthew Lillard, Shannon Elizabeth u.a. |
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Matthew Lillard hat Angst |
Zu Beginn das Bild eines Friedhofs. Keine menschlichen Leichen, nein, wir sehen übereinandergestapelte Schrottautos, Wracks, idyllisch, homogen beschienen im blauen Schein der amerikanischen Nacht. Einer der Wagen hängt verloren im Gegenlicht am Stahlseil eines Krans und macht so Assoziationen auf zum Gehängten, dem Strangulierten. Es folgt das Revival des Geisterjagens im neuen Jahrtausend, mit einem Aufwand an Effekten von dem Pete Venkman und Konsorten während der ‘80er Jahre in Ivan Reitmans Ghostbusters I und II wahrscheinlich nicht einmal träumen konnten. Metalltürme stürzen ein, begraben die Jäger unter sich, die Kamera bewegt sich in ekstatischem Zeitraffer vor und zurück, um uns die Allmacht des gejagten Geistes jenseits der Naturgesetze verständlich zu machen. Es ist viel Gedröhne und Gezische aus den Boxen im Saal zu vernehmen und endlich findet unser Untoter seinen Weg in die gläserne Zelle. Ende des Epilogs.
Sprung in eine andere Idylle, die der amerikanischen Kleinfamilie Kriticos und 13 Ghosts beeilt sich auch dort das Grauen einzupflanzen. Gediegen und ruhig fährt die Kamera in endloser Bewegung über die Heimeligkeit des Zuhauses, um im Off das wilde Geschrei der Bewohner, die Opfer eines Brandes werden, in hartem Kontrast zu inszenieren. Die Credits werden eingeblendet, als wären sie in die Attribute des bürgerlichen Heimes gleichsam eingebrannt und wieder umfängt uns die Atmosphäre des Friedhofs, alles was vorher Zeichen der Sicherheit eines alltäglichen Wohnens zu sein schien ist jetzt Grabstein, beschriftet, tituliert, schließlich ausgebrannt. Der Vater Arthur Kriticos und seine beiden Kinder Kathy und Bobby verlieren dieses Zuhause und ihr gesamtes Geld, enden zunächst in einer kleinen, viel zu engen Wohnung irgendwo im Keller eines Mietshauses, die Haushälterin Maggie ist die letzte verbliebene Spur eines gewissen Luxus. Was aber am meisten schmerzt ist der Verlust der Mutter, die integrierende und zusammenhaltende Wärme ihrer Liebe.
In das Bild der kollektiven Trauer tritt die Verführung in Gestalt eines geschniegelten, aalglatten Anwaltes, der der Familie eine Erbschaft offeriert. Onkel Cyrus, Obergeisterjäger des Epilogs und in eben jener Szene auch gestorben, hinterlässt ein schmuckes Haus im Grünen, bzw., im Hinblick auf das Genre: fernab der Zivilisation, sprich, fernab irgendeiner Form von Hilfe im Notfall, der so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche. Die Szene ist lustlos inszeniert, es wird schnell klar, dass es nur darum geht die Familie möglichst schnell in Cyrus' Haus zu bekommen. Zwei Stunden dauere die Fahrt zur Erbschaft, lässt der Anwalt verlauten, die Figuren machen sich, nachdem sie frühmorgens gerade noch gefrühstückt hatten, sofort auf den Weg und kommen in der tiefsten Schwärze der Nacht an. Das lässt uns zwei mögliche Interpretationen offen: entweder wir haben es hier mit einem besonders kurzen Tag zu tun oder das Haus selbst ist das manifest gewordene Böse, der Höllenpfuhl, der keinen Lichtstrahl bestehen lässt und in ewiger Dunkelheit verfangen bleibt. Die zweite Alternative ist natürlich die richtige und man ist versucht zu sagen, dass diejenigen, die das Haus gesehen haben und dann auch noch hineingehen, den Tod irgendwo verdient haben, weil ihnen in ihrer Dummheit einfach nicht zu helfen ist. Der Bau ist ganz aus Glas und Stahl, kryptische Zaubersprüche in lateinischer Sprache zieren die Fenster, die Trennwände aus Glas im Inneren. Durch die Exzentrik, den extravaganten Lebensstils eines verstorbenen Onkels lässt sich das nicht mehr rechtfertigen. Der Schlüssel ist kein Schlüssel, sondern die offensichtlichste Aufforderung die Seele an den Belzebub zu verkaufen. Aber natürlich geht die ganze Mannschaft brav hinein, um ihre Abenteuerchen zu bestehen.
Gilbert Adler, Joel Silver und Robert Zemeckis haben 13 Ghosts produziert, ihrerseits auch verantwortlich für House on Haunted Hill und die Filme gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Mit dem Eintritt ins Haus beginnt die klaustrophobe Situation, Mechanismen verschließen die Ausgänge, die Fluchtmöglichkeiten, und setzen die Geister im Keller frei. Gleichzeitig verschwindet jede Spur von filmischer Dramaturgie, die Charaktere schlagen sich von einer Aufregung zur nächsten mehr schlecht als recht durch, Entwicklungen gibt es keine mehr, der Rest der brüchigen Narration beschränkt sich darauf, Situationen zu produzieren in denen der Horror der Geister möglichst effektiv in Szene gesetzt werden kann. Ein Spiel der Masken, des Artifiziellen. Wie eine Fahrt durch die Geisterbahn. Horrorfilme entwickeln ihre Affekte noch am besten im Antagonismus zwischen einer Realität von der man unter keinen Umständen will, dass sie aufgelöst wird (Neve Campbell als sie in Scream am Abend auf der Couch aufwacht, den Nachmittag verschlafen hat und das ganze Bild Sicherheit und Wärme atmet), und den Schocks der Angriffe der Mörder und Monster, die wir als genrekundige Zuschauer in genau jenen Momenten erwarten. Suspense eben. Wenn wir mitfiebern sollen, dann gebt uns etwas, wofür sich die Anspannung lohnt. 13 Ghosts verzichtet auf die Gegenwelt, alles muss furchtbar und erschreckend in jedem Augenblick sein. Das Haus ist hyperstilisiert in einer Mischung aus hochmodernen Baustoffen und der goldglänzenden Archaik der Inneneinrichtung (mythische Bücher, Betten, wie sie nur die Großmutter gekannt hat...). Die Kälte totaler Eleganz. Kein Platz an dem man sich aufhalten, geschweige denn leben will.
13 Ghosts ist aber auch ein Film über die Wahrnehmung. Die intensivste Szene zeigt wie Tochter Kathy das Badezimmer entdeckt. Der Geist der »zornigen Prinzessin« (!) ist schon ihrer Zelle im Keller entkommen. Der Film setzt nun parallel nebeneinander wie der Geist in der einen »Dimension« blutend in der Badewanne liegt, die Wände des Zimmers rot beschmiert von den klaffenden Wunden. In der anderen »Dimension« Kathy, die sich das klare Wasser über ihr Gesicht laufen lässt, unfähig ihre tote Antagonisten zu erkennen. Der kleine und heftige Unterschied... Später können die Figuren mit »Spektralbrillen« in die andere Dimension hinübersehen, die Differenz in der Wahrnehmung überbrücken, die Geister visuell erfahren. Mit dem Sehen kommt das Spüren, die Poltergeister werden den Körpern der Charaktere erst gefährlich, als diese sie sehen können. Das spiegelt sich natürlich auf der Ebene der Rezeption. Der Zuschauer folgt den Figuren, mit den Brillen kommen die Bilder der Geister auf die Leinwand, meist nur in kurzen Schocks, ein paar Frames lang. Haptisches Kino, das nicht auf den Erkenntnisprozess, das Verstehen des Rezipienten zielt, sondern genau auf seinen Körper. Der Film wird nicht mental erfahrbar gemacht, sondern vor allem körperlich.
Steve Beck gibt als Regisseur sein Debüt. Erfahren ist er vor allem als Visuel-Effects-Art-Director, was ihn als guten Bildermacher aber noch lange nicht als guten Filmemacher ausweist. Die Heftigkeit der Wahrnehmung nutzt sich ab, die Einstellungen mit Geistern werden mit der Zeit immer länger und verlieren dadurch ihren Reiz. Man kann sie einordnen, die monströsen Gestalten. Und keine von ihnen besitzt diese tanzende, bezaubernde Eleganz eines überdimensionierten Marshmallow-Mannes, den die Ghostbusters des letzten Jahrhunderts am Ende des ersten Teils noch grillen durften.
Frage: Wie hat es der Mensch geschafft, das Pleistozän zu überleben?
Gegenfrage: Wie hat er es denn geschafft? Und vor allem: Wieso?
Ziemlich fies, dem Zuschauer so zu kommen, gleich zu Anfang des Films, mit einer Sein-oder-Nicht-Sein-Frage. Und dann, viel fieser noch, gar nicht daran zu denken, diese Frage irgendwie zu beantworten. Andererseits: an den offenen Fragen sollt ihr sie erkennen, die Horrorfilme, die echten. Da muss schon ein Bodensatz an Beunruhigung bleiben, an Subversion und das steht dem Fun-Faktor keineswegs entgegen.
13 Ghosts zum Ersten also, 1960, von William Castle. Das ist eine Zeit, in der die Amerikaner nicht gerade viel zu Lachen haben, innen- wie außenpolitisch. Castle hat sich zur Aufgabe gemacht, den Spaß am Grauen wieder zu beleben und das ist ihm wunderbar gelungen. Die Frage des Überlebens stellt er trotzdem und das gleich zu Anfang. Im Museum befinden wir uns da, zwischen gigantischen Saurierskeletten, eine Art Jurassic Park in der Streichelzoo-Variante. Unser Held Buck Zorba ist also Wissenschaftler, ein wenig zerstreut. Und dann freilich: wie hat es der Mensch geschafft bis hierher und wie hat er sich angestellt seit dem Pleistozän? Man kann angesichts solcher Problemstellungen schon mal die Mietzahlung vergessen und so werden daheim die Möbel gepfändet, der entnervten Gattin quasi unter dem Hintern weg. Da kommt es gerade recht, dass ein entfernter Verwandter verstirbt und der Familie Zorba sein Häuschen im Grünen vermacht. Als Dreingabe gibt’s seine Geistersammlung, die hexenhafte Haushälterin und schmucke Brillen, um das alles so richtig betrachten zu können.
13 Ghosts zum Zweiten, 2001, von Steve Beck (Achtung: merken Sie sich diesen Namen nicht! Sie werden ihn ungefähr so häufig brauchen, wie Sie nach Ende der Schulzeit Gleichungen mit drei Unbekannten lösen). Skelettiertes auch heute. Ein Autofriedhof und gleich Auftritt der Jäger und Sammler. Nur so intelligente, skurrile Fragen wie zu Castles Zeiten stellt keiner mehr. Stattdessen werden flux ein paar Autowracks zerschmissen. Hauptsache laut. Ja haben die denn, möchte man ausrufen, keine Mütter gehabt, die für die Portion Philosophie gesorgt haben in der Kinderstube? Oder gilt der schöne Satz: »Wer schreit, hat Unrecht« einfach nicht mehr für die Scream-Generation?
Unser Held heißt heute Kriticos und nichts ist mehr mit Zerstreutheit. Als Aperitif wird erst mal Mutter Kriticos abgefackelt, ein großer Herzschmerz geht um. Alles ist sehr emotional aufgeladen, überhaupt. Dann Erbschaft. Das muss ja auch mal gesagt werden, dass geldwertes Besitztum an sich über so manchen Verlust hinwegtröstet, den man erlitten hat. Das Spukhaus kommt uns gehörig aufgemotzt vor. Gläserne Wände und so allerlei Schnickschnack. Jetzt aber mal hurtig die Geister aus dem Keller geholt, weil sonst weiß man ja auch nicht wieso und wozu das Ganze, und was tun und überhaupt.
William Castle war ein Scharlatan. Einer, der den Kintopp bei seinen Wurzeln packte: Jahrmarkt, Budenzauber, Spektakel, Sensation. In die Werbekampagnen steckte er mindestens ebensoviel Energie und Phantasie wie in seine Filme selbst. Lebensversicherungen bot er den Kinobesuchern an, bastelte Elektroschocksitze oder ließ Skelette durchs Parkett sausen. Ein ganzheitlicher Gruselspaß also und in schöner alter Tradition. So hatte man bereits anlässlich der Dracula-Mania um 1930 effektvoll Krankenschwestern unter den Zuschauern platziert, und auch den einen oder anderen Kleindarsteller damit betraut, während der Vorstellung publikumswirksam in Ohnmacht zu sinken. Der Horror lässt sich nicht auf die Leinwand (ver)bannen, ist mitten unter uns. Das Grauen, das sich aus der sicheren Distanz beobachten lässt, ist natürlich totaler fake.
Im Übrigen ist dieser unbedingte Wille zur kreativen Promotion nur eines der Geheimnisse, die Hollywood inzwischen abhanden gekommen sind. (Einen gibt es noch, immerhin, der so richtig B ist und subversiv dabei. Traurig nur, dass John Carpenter inzwischen das Publikum wegbleibt, das Weichgespültes wie den fünften I Know What You Did Last Summer Aufguss oder die sowas-von-unscary Scary Movies einer düsteren Sumpfblüte wie den Ghosts of Mars vorzieht. Welcher ja immerhin das quasi horrorfilmische Äquivalent zum Kommunistischen Manifest ist und dabei dann gleich mitreflektiert, wie man seither mit den Arbeiteraufständen umgeht. Was vielleicht allein deshalb derzeit nicht mehr politically correct ist, da es ja aktuell wieder en vogue gekommen ist, die Waffen sprechen zu lassen.)
Kurz und gut: weil jetzt aber der Mangel an Fantasie am Ende doch immer noch lauter spricht als der schnöde Mammon, ist man in den letzten Jahren darauf verfallen in der Traumfabrik, munter alles leichenzufleddern, was mal Charme und Esprit hatte. Kleine Perlen, im Fundus des B-heaven ausgegraben und Mutliplextauglich gemacht. It’s a kind of magic: aus B mach A. Alchimie made in Hollywood. Aber schade: es ist leichter, aus Gold Dreck zu machen als umgekehrt. Dabei hatte es sich gar nicht so schlecht angelassen, 1999, als Robert Zemeckis und Joel Silver die Castle Productions gründeten und zuerst The House on Haunted Hill neu auflegten. Eine liebenswerte Hommage an den Meister. Ein Remake, in dem der Geist der alten B pictures durchaus noch herumspukt. Jetzt aber: Fluch des Geldes. Denn: The House on Haunted Hill hatte unerwarteten Erfolg an den Kinokassen.
Also flux die Ärmel aufgekrempelt und sich munter gesagt: wo sich einmal abkassieren lässt, lässt sich auch zweimal abkassieren. 13 Ghosts wärmt nun schamlos wieder auf, was Haunted Hill uns schmackhaft gemacht hatte. Das Spukhaus in der Ödnis. Ein Grüppchen unbedarfter Probanten, unverhofft über Nacht eingesperrt in dem Gemäuer. Ein Haufen Leichen im Keller, die einmal losgelassen, Jagd machen auf alles, was da kreucht und fleucht. Nur weiß man dann – jenseits der allgemeinen Box-Office-Geldgeilheit – nicht mehr wirklich wohin mit den Geistern, was machen aus dem Ganzen. Macht nichts, sagt man sich, dann machen wir einfach mal laut. Aber so richtig laut. Der Rest ist Kreischen und Rennen. Auch das zerrt an den Nerven, keine Frage. Nur eben: viel Lärm um nichts.
Regisseur Steve Beck gibt hier sein Debüt und das haben wir jetzt also davon, dass die Menschheit das Pleistozän überlebt hat.