USA 1999 · 130 min. · FSK: ab 0 Regie: Chris Columbus Drehbuch: Nicholas Kazan Kamera: Phil Meheux Darsteller: Robin Williams, Sam Neill, Embeth Davidtz u.a. |
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WDR-114 |
Zunächst fühlt man sich irgendwie an Mrs Doubtfire erinnert. Wieder heißt der Regisseur Chris Columbus, wieder heißt der Hauptdarsteller Robin Williams und wieder spielt dieser das etwas andere Kindermädchen.
Aber was der Herr des Hauses Mr. Martin (Sam Neill) da im Kreise seiner Familie aus der Kiste holt und stolz als neueste Errungenschaft menschlichen Fortschritts präsentiert, ist nicht etwa die bärtige Lady, sondern der neue Haushalts-Android
WDR-114, geplant und konstruiert als Hilfe und Entlastung für die allseits geplagte Hausfrau.
Als dann die jüngste Tochter dem zunächst natürlich äußerst suspekten Ding auch noch das Privileg eines Namens zuteil werden läßt, der sonst menschlichen Wesen oder deren liebsten Anhängseln (Hunde, Katzen, etc.) vorbehalten ist, kann man die Spekulationen, ob dass denn nun ein Sequel sei oder nicht, getrost beiseite schieben. Der 200 Jahre Mann beginnt sein Thema zu
entwickeln: Die Geschichte der überlegenen künstlichen Lebensform, die sich nichts anderes wünscht, als ein Mensch zu sein. Vermengt wird dies mit der Geschichte der Familie Martin, erzählt über vier Generationen, um den Kontrast Mensch – Maschine zu etablieren. Lieutenant Commander Data und seine Freunde senden uns ihren Gruß aus den Weiten des Universums...
Wirklich neue Aspekte des ewigen Kampfes zwischen der Natur und der Technik kann der Film nicht bieten. Statt dessen gibt er dem Zuschauer einen so grenzenlosen Optimismus mit auf den Weg, dass man nach der Vorstellung versucht ist die nächstbeste Verkehrsampel zu küssen und zum Leben zu erwecken.
Die Divergenz zwischen Technik und Natur dient als müder Pappkamerad, ohne wirkliche Relevanz, der Film legt keinen großen Wert darauf, dieses Verhältnis auszuleuchten. Zwar wird der
Android in zum Teil wirklich bombastischen Natursettings inszeniert, aber sein metallener Körper verschwimmt einfach mit der Ästhetik der pittoresken Landschaftsaufnahmen. Robin Williams ist hinter der silbernen Maske, dem Roboterantlitz, zu jeder Zeit präsent. Der kinoerfahrene Zuschauer weiß, wenn er seinen Körper, seinen melancholischen Blick, erst einmal aus der Rüstung gekämpft hat, dann wird alles gut.
Andrew darf Familienmitglieder sterben sehen und neue
begrüßen, nebenbei zum vollen Manne reifen. Biologisch gesehen zumindest. Die Entwicklungen in seinem Inneren bleiben weitgehend ausgespart.
Ein kleines Versehen reicht Columbus, um den psychologischen Diskurs über die Schaltkreise zu eröffnen. Andrew zerstört bei einem Ausflug das Lieblingsspielzeug seines Lieblingskindes. Die Schuldgefühle kann er nur durch bildhauerisches Sublimieren im heimischen Keller kompensieren. Der Film sucht nicht nach einer Antwort, nach dem Ursprung der Kreativität im neuralen Netz. Fest steht ab diesem Zeitpunkt: Andrew ist eine gute, eine richtig gute Figur, er wird niemandem weh tun. Es kann nicht mehr lange dauern, bis alle einsehen müssen, dass er nicht nur ein Mensch ist, sondern auch der Beste unter ihnen.
An Bord der Enterprise sorgte der Einbruch des Irrationalen in Data noch für echte Beunruhigung. Der 200 Jahre Mann nimmt das alles gelassen und mit sehr viel Neugier hin. Er trifft im Traum auch nicht auf seinen Schöpfer, um nach einer Erklärung für den Ausbruch der Phantasie zu verlangen. Andrew durchläuft einfach die Stadien der menschlichen Individuation. Er verläßt das Kollektiv der WDR-114 Reihe und konstituiert sich in seiner Einzigartigkeit. Vom Künstler zum Arbeiter
mit Eigenheim, schließlich zum Investor, der die Forschung im Bereich der Biomechanik unterstützt. Nebenbei nimmt er noch die Hürde vom devoten Haushaltsgerät zum freien, selbstbestimmten Roboter, die Erfahrung der Sexualität und schließlich die letzte und grausamste Instanz der Menschlichkeit: Den Tod.
Klar, man könnte sagen endlich mal ein Film, der nicht alles negativ sieht in Bezug auf den Fortschritt, der eine hoffnungsvolle Zukunftsvision liefert. Aber allem
Optimismus zum Trotz ist Andrew als Charakter einfach zu positiv gezeichnet. Nimmt man ihn als Paradigma, sind die ideologischen Implikationen (der Roboter und die Technologie sind ein einziger Segen für die Menschheit, nur zum Dienen und Helfen bestimmt) mehr als zweifelhaft.
Als uns in den 80´ern die Verbindung Mensch-Maschine besuchte, zeigte James Cameron in Form des Terminators noch eine apokalyptische Bedrohung durch das mechanische Wesen aus einer anderen Zeit. Im zweiten Teil reflektierte er den guten Schwarzenegger-Charakter durch den bösen T-1000. Da wurden noch Möglichkeiten aufgezeigt, darauf hingewiesen, dass der Fortschritt auch einen völlig falschen Verlauf nehmen könnte. Und selbst everybodys darling an Bord der Enterprise war ein ambivalenter Charakter. Der Kampf Datas um Menschlichkeit sorgte für vielerlei Irritationen, in seinem Bruder Lore fand er einen Antagonisten, der die Gefahren der Technik verkörperte. Und man denke nur an den letzten Angriff der Borg. First Contact führte auf gewisse Weise genau die Diskurse, auf die Columbus lieber verzichtet.
Andrew ist die vollständig domestizierte Lebensform. Das Bedrohliche im Film kann allenfalls von Außen kommen. Das macht aus dem Geschöpf ein Wesen, dass unser Mitleid verdient, dass es zu beschützen gilt. E.T. im Körper von Robin Williams gefangen.
Der 200 Jahre Mann hangelt sich von einem großen Thema zum Nächsten um am Ende eine etwas morbide Liebesgeschichte
inszenieren zu können. Da bleiben einige der Nebenfiguren und Themen einfach auf der Strecke. Alles wird angeschnitten, aber alles wird aufgegeben zugunsten des Happy-Ends.