Frankreich/Deutschland 2007 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: Julie Delpy Drehbuch: Julie Delpy Kamera: Lubomir Bakschew Darsteller: Julie Delpy, Adam Goldberg, Daniel Brühl, Marie Pillet, Albert Delpy u.a. |
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Gekonnt bei Woody abgekupfert: Julie Delpys erste Regiearbeit |
Wer vom letzten Woody Allen Film Scoop (zu Recht) enttäuscht war, der wird nun mit 2 Tage Paris bestens entschädigt.
Der neurotische, hypochondrische, (halb)jüdische New Yorker Intellektuelle Jack ist mit seiner emotionsgeladenen und schlagfertigen Künstler-Freundin Marion für zwei Tage zu Besuch bei deren Familie in Paris.
Ziemlich schnell wird Jack dabei klar, dass sich sein Aufenthalt weniger zu einem romantischen An American in Paris als vielmehr zu einem horriblen An American Werewolf in Paris entwickelt.
Seine Freundin scheint über die ganze Stadt (Ex?)Liebhaber verteilt zu haben, ihre Familie ist mit dem Wort »eigenwillig« nur unzureichend beschrieben, die Stadt ist ein touristischer Alptraum, die Franzosen sind genau so (schlimm) wie man es von ihnen erwartet, Verständigungsprobleme gibt es nicht nur wegen sprachlichen Differenzen und insgesamt erscheint es, als ob Paris und seine Bewohner alles daran legen, Jack einen möglichst traumatischen Aufenthalt zu bescheren.
Der clash zweier neurotischer Großstadtkulturen, gewürzt mit messerscharfen Dialogen und bissigem Humor, äußert lebhafte und spielfreudige Darsteller, Paris als unverwüstliche Kulisse, zielsicher ausgewählte Musik und visueller Einfallsreichtum (störend ist nur eine manchmal arg wackelige Handkamera) ergeben in der Summe ein geistreich unbeschwertes Filmvergnügen, das nur einen einzigen Schönheitsfehler hat; es ist kein Film von Woody Allen, sondern die erste Regiearbeiter der französischen Schauspielerin Julie Delpy (die auch die weibliche Hauptrolle spielt).
2 Tage Paris führt einen damit direkt in das Herz der Diskussion um Plagiate und Eklektizismus in der Kunst.
Man kann einerseits natürlich jede Nachahmung und Kopie eines künstlerischen Stils grundsätzlich als minderwertig ablehnen (wobei dann immer noch das Problem der Grenzziehung bleibt).
Man kann sich aber auch die Frage stellen, warum man eine gelungene Kopie nur deshalb ablehnen sollte, weil sie eine Kopie ist. Muss (bzw. kann) Kunst
tatsächlich immer originär sein?
Letztendlich kann man das Für und Wider von Plagiaten und Nachahmungen tagelang diskutieren, um am Ende noch genau so uneinig zu sein wie zuvor, was darauf hindeutet, dass es sich dabei vor allem um eine Frage des persönlichen Geschmacks handelt (so etwa auch kürzlich bei Steven Soderberghs Film The Good German).
Wer (so wie ich) in dieser Frage zu einer pragmatischen Sichtweise neigt, kann bei 2 Tage Paris durchaus sein Vergnügen haben, obwohl bzw. gerade weil er über weite Strecken eine geradezu erstaunliche Ähnlichkeit zu Woody Allens Standardsituationen aufweist (gekonntes Kopieren ist eben auch kein Kinderspiel, sondern kann eine Kunst für sich sein). Wohlgemerkt: Nicht nur offensichtliche Äußerlichkeiten wie die neurotischen Großstadtbeziehungen stimmen hier überein, sondern auch deren Inszenierung ist streckenweise ein perfektes Abbild.
Das Ergebnis ist natürlich nicht wirklich neu, aber bei Woody Allen akzeptiert (bzw. erwartet) man ja auch, dass er uns mit der immergleichen Masche unterhält. Warum soll man dann nicht auch einem anderen Regisseur zugestehen, sich dieser Mittel zu bedienen, noch dazu, wenn er sich so virtuos ihrer bedient und das große Vorbild in den letzten Jahren immer unzuverlässiger den von den Cineasten dringend benötigten »Stoff« liefert?
Trotz aller frappanten Ähnlichkeiten gibt es aber immer noch zahlreiche Unterschiede, die sich angesichts der unterschiedlichen Hintergründe ihrer Macher beinahe zwangsläufig ergeben müssen.
So lässt sich etwa ein berechtigter Vergleich nur zu Allens guten bzw. (auf hohem Niveau) durchschnittlichen Filmen ziehen. Von seinen Meisterwerken wie Manhattan ist 2 Tage Paris dagegen ein gutes Stück entfernt.
Auch ist der Blick Delpys auf viele Dinge (naturgemäß) europäischer, »jünger« und weiblicher.
Und schließlich ist 2 Tage Paris
voll und ganz im französischen Beziehungsfilmgenre verankert, weshalb hier die Frage nach dem »wer mit wem« dominiert, während sich Allens Filme meist um das »warum überhaupt« drehen.
Wirklich sonderbar ist jedoch Julie Delpys Sichtweise auf die Stadt Paris.
Während nichtfranzösische Filme (so auch Woody Allen in Alle sagen: I love you) mit den Klischees der Stadt meist ironisch freundlich spielen, treibt Delpy jedes dieser Vorurteile geradezu verbissen in einer kaum realistischen Manier auf die Spitze.
In Abwandelung des berühmten Satzes aus The Man Who Shot Liberty Valance scheint für sie zu gelten: Wenn das Klischee zur Wahrheit wird, dann zeige das Klischee.
Trotzdem (oder gerade deshalb?) vermittelt 2 Tage Paris so viel Gefühl für diese Stadt, dass er en passant 90% der Episoden aus dem Film Paris, je t'aime inkludiert und überflüssig macht (was einmal mehr auch die Schwächen von Themen-Episodenfilmen aufzeigt).
Gründe gibt es somit genügend, um sich 2 Tage Paris anzuschauen, wobei der einzige Grund, der nicht ausreicht, die (über)groß herausgestellte Beteiligung von Daniel Brühl ist. Wer den Film vor allem wegen ihm besucht, wird aufgrund seines (obenrein nicht besonders nachhaltigen) Kurzauftritts enttäuscht sein.