Indien/Deutschland 2015 · 103 min. · FSK: ab 12 Regie: Pan Nalin Drehbuch: Pan Nalin Kamera: Swapnil S. Sonawane Darsteller: Sarah Jane Dias, Anushka Manchanda, Pavleen Gujral, Amrit Maghera, Sandhya Mridul u.a. |
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Frauen lauthals in Indien |
»Weniger ist mehr!« Oft hört man dieses geflügelte Wort, selten ist es so zutreffend wie im Fall von Pan Nalins Tragikomödie 7 Göttinnen. Zwar hat der Film lobenswerte Absichten in Bezug auf das, was und wie er erzählen möchte, allerdings werden sie durch eine sprunghafte Dramaturgie sukzessive verwässert. Bedauerlich, da der Prolog einen gewitzten Film über weibliche Selbstbestimmung ankündigt. In einer flotten Montage lernen wir mehrere indische Frauen kennen, die bei der Arbeit und in ihrer Freizeit mit Diskriminierung und sexueller Belästigung zu kämpfen haben. Statt den Mund zu halten, lehnen sie sich gegen die Ungerechtigkeiten auf und grenzen sich damit deutlich von den oftmals passiven Heldinnen des Bollywood-Kinos ab.
Nach der schwungvollen und scharfzüngigen Eröffnung finden sich die vorgestellten Frauen im malerischen Goa wieder, wohin die Modefotografin Freida (Sarah-Jane Dias) ihre besten Freundinnen bestellt hat. Diese staunen nicht schlecht, als ihnen die Hausherrin eröffnet, dass sie in Kürze den Bund fürs Leben schließen wird. Mit dieser Offenbarung nimmt der Film fürs Erste die Abzweigung zum Jungesellinnen-Spaß. Die bunt zusammengewürfelte Truppe will sich gebührend auf das anstehende Fest einstimmen und legt eine ausgelassene Heiterkeit an den Tag, die die Nerven strapaziert.
Kaum hat man sich an die aufgekratzte Partystimmung gewöhnt, schlagen Nalin und seine Co-Autoren auch schon eine andere Richtung ein. Nach und nach werden nun die Sorgen enthüllt, die die Anwesenden mit sich herumschleppen. Jede Figur bekommt stellvertretend ein Dilemma angeheftet. Und der Film wächst sich zu einer Bestandsaufnahme der noch immer stark patriarchalisch geprägten indischen Gesellschaft aus. Die Hochschulüberfliegerin Pamela (Pavleen Gujral) soll sich als angemessene Haus- und Ehefrau geben, fühlt sich in dieser Rolle aber unwohl. Dienstmädchen Lakshmi (Rajshri Deshpande) hadert nach dem Mord an ihrem Bruder mit dem trägen Rechtssystem. Und immer wieder sind Freida und ihre Freundinnen sexuellen Anzüglichkeiten ausgesetzt.
Was auf den ersten Blick unkonventionell und mitreißend klingen mag, erweist sich als überhasteter Themenritt mit drastischen Stimmungsschwankungen. Luftig-leichte Momente werden urplötzlich von dramatischen Entwicklungen – etwa einem Selbstmordversuch-Geständnis – abgelöst, die sich dann wiederum recht schnell verflüchtigen, um Platz für das nächste Problem zu schaffen. Auch wenn die Frauen grundsympathisch wirken, sorgt die unstete Erzählweise dafür, dass die Figuren stereotypischen Mustern verhaftet bleiben und die emotionale Beteiligung des Zuschauers nur sporadisch in Gang kommen will. Etwas mehr Struktur und eine inhaltliche Fokussierung hätten hier womöglich Wunder gewirkt.
Nalins bedingungsloser Appell für Gleichberechtigung und selbstbewusste Heldinnen ist ehrenhaft und wichtig, zumal sein Heimatland regelmäßig von sexuell motivierten Gewaltakten erschüttert wird. Gerade weil 7 Göttinnen patriarchalische Denkmuster anprangert und misogyne Konventionen kritisiert, irritiert es ungemein, dass der Regisseur zumindest an einer Stelle auf eine billig-voyeuristische Inszenierung setzt. Dann nämlich, als die aufstrebende Schauspielerin Joanna (Amrit Maghera) spärlich bekleidet mit einem Gartenschlauch herumtollt. Dass es in diesem Fall Freida und ihre Freundinnen sind, die das ausgelassene Spiel beobachten, macht die Szene nicht weniger sexistisch. Fragwürdig ist auch die Entscheidung, beinahe alle Hauptrollen mit hübschen, modelgleichen Darstellerinnen zu besetzen. Eine Abkehr vom Schönheitswahn des Mainstream-Kinos sieht jedenfalls anders aus.
Mutig und überraschend gestaltet sich die Wendung, die der Film im letzten Drittel nimmt. Erneut wird ein plötzlicher Wechsel der Tonlage bemüht, der das Geschehen in äußerst düstere Gefilde lenkt. Ärgerlicherweise handeln Nalin und seine Mitstreiter aber auch diese Entwicklung im Sauseschritt ab. Das Gesehene hinterlässt leider keine bleibende Wirkung, obwohl der Film mit einem diskussionswürdigen Paukenschlag endet. Weniger ist manchmal mehr – eine Phrase trifft hier tatsächlich den Nagel auf den Kopf.