Adam

USA 2009 · 101 min. · FSK: -
Regie: Max Mayer
Drehbuch:
Kamera: Seamus Tierney
Darsteller: Hugh Dancy, Rose Byrne, Peter Gallagher, Amy Irving u.a.
Auf den Fensterputz gehauen

27. Filmfest München 2009

Adam und wie er die Welt sieht

Literatur und Film haben seit ein paar Jahren das Asperger-Syndrom für sich entdeckt: In Mark Haddons 2004 erschie­nenem Roman »The Curious Incident of the Dog in the Night-Time« (zu deutsch »Supergute Tage«) leidet der 15-jährige Chris­to­pher Boone an eben dieser leichten Form des Autismus und schildert dem Leser seine Welt auf eine erschre­ckend ehrliche, aber unter­halt­same Weise. Das Buch wurde auch außerhalb Großbri­tan­niens zum Best­seller. 2008 lief dann auf mehreren ameri­ka­ni­schen Festivals der Film If You Could Say It in Words über einen Maler, bei dem das Asperger-Syndrom unerkannt bleibt. Und in der Kran­ken­haus­serie »Grey’s Anatomy« gibt es neuer­dings eine Oberärztin, die ihren Patienten die Hiobs­bot­schaften scheinbar voll­kommen gefühls­kalt über­bringen kann, obwohl sich darin lediglich die Diagno­se­kri­te­rien für Asperger abzeichnen. Viel­leicht ist die plötz­liche »Beliebt­heit« der Krankheit damit zu erklären, dass sie ohne die ganze Tragweite des Autismus auskommt und sich deshalb besser für Komödien oder Fern­seh­se­rien, also für ein breites Publikum, eignet. Ein anderer möglicher Grund ist, dass Menschen mit Asperger-Syndrom in der Regel problemlos voll­kommen in der Masse der Gesell­schaft verschwinden. Wie beim oben erwähnten Künstler wird die autis­ti­sche Behin­de­rung oft gar nicht erst diagnos­ti­ziert und Betrof­fene haben sich häufig so an ihre Umwelt angepasst, dass ihr Handicap nicht weiter auffällt.

Auch die Figur Adam im gleich­na­migen Film von Max Mayer hat das Asperger-Syndrom. Abgesehen davon, dass sein Vater gerade erst gestorben ist, muss Adam (Hugh Dancy) auch noch damit zurecht­kommen, dass seine neue Nachbarin Beth (Rose Byrne) sich offen­sicht­lich für ihn zu inter­es­sieren scheint. Da Adam – kran­heits­be­dingt natürlich – keine Verän­de­rungen mag, fühlt er sich von den neuen Situa­tionen voll­kommen über­for­dert. Aber ihm gefällt Beth ebenso, und da es sich bei Mayers Film um eine Liebes­komödie handelt, ereignen sich nun lauter lustige Bege­ben­heiten, da Adam sich natürlich immer voll­kommen unan­ge­bracht verhält und auf Partys oder beim ersten Kennen­lernen von Beths Eltern Dinge erzählt, die die anderen doch gar nicht hören wollen.

Und genau in diesem unan­ge­brachten Witzig­sein liegt das Problem des Films. Natürlich wird nicht über Adam gelacht – aber dennoch versucht der Film zu oft, die Steil­vor­lagen zu nehmen, die die Krankheit liefert und die den Nicht-Aspergern witzig erscheinen. Die »ander­wei­tige« Handlung, abseits der Asperger-Perfor­mance jedoch scheint dem Film nicht weiter wichtig zu sein, so sie nicht voll­s­tändig entwi­ckelt werden. Was ist zum Beispiel mit der Liebes­be­zie­hung, die Adam sich wünscht, die aber an ihm scheitert? Eine ernst gemeinte Ausein­an­der­set­zung damit vermeidet der Film. So erwähnt Beth einmal beiläufig, (Achtung, Spoiler!) die dreckigen Fens­ter­scheiben durch die der Himmel gar nicht mehr zu sehen sei. Ein paar Szenen später hängt dann Adam in einem Astro­nau­ten­anzug kopfüber vom Dach, um die Fenster von außen zu putzen. Diese Szene funk­tio­niert nicht, ist pseudo-lustig, und die Figur Adam wird gnadenlos vorge­führt (Ende des Spoilers).

Natürlich muss nicht jeder Film, in dem Autismus ein Thema ist, gleich ein zweiter Rain Man werden. Aber die Figur Adam ist ein bisschen zu gesell­schafts­kon­form angelegt, als dass seine Behin­de­rung wirklich für irgendwen ein Problem darstellen könnte. Die einzige Figur, die die Beziehung zwischen Beth und Adam kritisch kommen­tiert, diskre­di­tiert sich durch unmo­ra­li­sches Verhalten selbst.

Dennoch ist der Film sehens­wert und zwar deshalb, weil er genau dann richtig lustig ist, wenn Adam ernst genommen wird, und von diesen Szenen gibt es dann doch einige. Oft kriegt der Film auch gerade noch die Kurve, wenn er zu kitschig zu werden droht (die perma­nente Hinter­grund­musik sollte man einfach von Anfang an igno­rieren). Die beiden Haupt­fi­guren sind sympa­thisch, die Dialoge sitzen, Hugh Dancy spielt Adam durchweg glaub­würdig und Peter Gallag­hers Figur, Beths Vater, ist endlich mal so zwie­lichtig, wie sie aussieht. Das Ende ist süß und konse­quent, so wie Adam, aber eben auch vorher­sehbar und harmlos. Ein bisschen mehr Tiefe, und es wäre ein richtig guter Film geworden.

Auf dem Filmfest: Do., 02.07., Rio 1, 19:00 Uhr