USA 2013 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: M. Night Shyamalan Drehbuch: Gary Whitta, M. Night Shyamalan Kamera: Peter Suschitzky Darsteller: Jaden Smith, Will Smith, Sophie Okonedo, Zoë Kravitz, Isabelle Fuhrman u.a. |
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LSD-Welten einer Vater-Sohn-Beziehung |
„Und?“
»Nichts! Hau weiter zu! Der Schmerz nimmt war zu, aber die Angst bleibt aus.«
(Goscinny/Uderzo in Asterix und die Normannen [1])
Es ist schwierig über einen Film zu schreiben, der bereits im Zuge des amerikanischen Release derartig vernichtet worden ist, dass man schon Gallier eines kleinen Dorfes sein muss, um einen klaren Kopf zu bewahren. Die Kritik beginnt beim endgültigen Niedergang eines Regietalents (M. Night Shyamalan – The Sixth Sense), reicht von Nepotismusvorwürfen (Story von Will Smith, Hauptrollen: Will Smith und sein Sohn Jaden) über technische Vorwürfe (schlechtes CGI) bis zu religionskritischen Buhrufen (Scientology). Kurzum – nach Battlefield Earth, der schlechteste Science-Fiction Film aller Zeiten.
After Earth ist bei weitem nicht so schlimm. Zwar rankt sich die Geschichte der Notlandung des Helden Cypher (Will Smith) und seines unbedarften Sohnes Kitai (Jaden Smith) auf der verlassenen und inzwischen menschenfeindlichen Erde um zahlreiche Action-Stereotypen, doch versteht Shyamalan diese durchaus interessant zu brechen und mit klassischen Coming-of-Age-Elementen anzureichern. Kitai muss auf der Suche nach dem rettenden Notfallsender nicht nur den verletzten Vater zurücklassen, sondern sich einer bösartigen Wildnis stellen, die ihn nicht nur vom Vater emanzipieren, sondern wie fast alle menschlichen „Rite-de-Passage“-Inszenierungen, zu einem souveränen Menschen machen wird, der erst in seiner Unabhängigkeit eine egalitäre Beziehung zu seinem Vater und zu seiner Vergangenheit etablieren kann. Mehr noch fasziniert diese Geschichte, als auch Cypher erstmals seine – dominante – Rolle zu hinterfragen beginnt. In einem wechselvollen, den ganzen Film überspannenden Dialog mit dem Sohn verändert sich jedoch nicht nur ihre hierarchische Beziehung, sondern durchaus überraschend und in einer fast ironischen Abkehr vom klassischen Männerheldenmodell auch ihre Männerrolle. Da auch der Planet zaghaft „anders“ auf diese „neuen“ Menschen reagiert, sind wohl auch die Ursa, von Außerirdischen konstruierte Monster, die allein auf das Angstverhalten von Menschen abgerichtet sind, weniger Außenwelt, als psychosozialer LSD-Trip und ein adäquates Symbol für den Kampf gegen übermächtige Vatergestalten. Interessant sollte diesbezüglich die Boulevardpresse der kommenden Jahre zu lesen sein, dürfte dort doch als erstes zu finden sein, ob dieser augenfällig selbsttherapeutische Trip von Vater Will und Sohn Jaden auch heilende Wirkung hatte.
Eingebettet sind diese intrafamiliären Beziehungsabgründe in eine hübsch anzusehende Dystopia- und SF-Landschaft – ohne dabei allerdings auch nur in Ansätzen an den ästhetisch innovativeren Oblivion oder an die brilliante Jagd- und Urwaldchoreographie von Mel Gibsons Apocalypto heranzureichen. Und in ein immer wieder spannendes, handlungsgetriebenes Korsett, das sich hauptsächlich aus zwei Trägerelementen zusammensetzt: der unberechenbaren Beziehung zwischen Mensch und Natur und der ebenso unberechenbaren Einschätzung, was Angst und Gefahr sind.
Die Auflösung dieser Antagonismen erinnert durchaus an Methoden von Scientology und des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), aber auch an etliche andere, nicht in Verruf geratene filmische Heldenreisen – und nicht zuletzt an Asterix und Obelix und die ganz ähnliche Geschichte des Erwachsenwerdens und des Angstbezähmens um Majestix und seinen Enkel Grautvornix, bei der Miracalix, der weise Druide, nach 48 Seiten zu einer sehr ähnlichen Erkenntnis wie After Earth nach 100 Minuten kommt: »Erst wenn man weiß, was Angst ist, bekommt man Mut. Nur der ist wirklich mutig, der seine Angst zu bezähmen weiß.« [2]
1. Goscinny/Uderzo: Großer Asterix Band IX, Asterix und die Normannen. S. 9. Stuttgart, 1971.
2. Ebenda, S. 48.
Vielleicht hat hier ein Multimillionär seinem Sohn zum Geburtstag eine Hollywoodhauptrolle geschenkt, vielleicht kommerzialisiert Will Smith im September seiner Karriere seine Kinder. Sowas gab’s schon immer, wird es immer geben, und wenn Russen-Oligarchen Fußballklubs kaufen ist das auch nicht sympathischer. Wirklich unsympathisch an diesem Film sind andere Dinge: Er ist nicht nur schlecht und langweilig weit übers Mainstream-Übliche hinaus, er ist auch ein Propagandafilm.
Woanders ist es besser. die alte Erde wurde abgeworfen, denn sie ist verseucht, verdreckt, verschmutzt. Wir wissen das ja aus unserer Lektüre des Pulp-Science-Fiction-Autors L.Ron Hubbard: Drogen, Chemikalien und andere Gifte haben sich in unserem Körper und in der Natur angesammelt. Die wird man nicht so einfach durch ein paar Tage Enthaltsamkeit oder einen Spaziergang an der frischen Luft wieder los. Alles muss anders werden – wie ist Scientology am Ende nur eine radikale Variante des Prenzlauer Berg? Bionade + Mülltrennung + Dianetik = clear? Jedenfalls hat die Menschheit den Prenzlauer Berg und selbst das Château Élysée in Hollywood, einst Herberge der Stars, heute Promi-Center der Church of Scientology in Los Angeles mit angeschlossenem Luxus-Restaurant verlassen und sich schon vor 1000 Jahren auf einem fernen Planeten eine neue Erde namens Nova Prime gebaut.
Warum das eigentlich so sein muss, erscheint weniger clear. Denn wenn die Menschheit in der Lage ist, Hundertausende oder Millionen oder gar Milliarden Artgenossen auf einen anderen Himmelskörper zu evakuieren, warum dann nicht dazu, die Probleme vor Ort zu lösen? Und warum bevorzugt man einen Ort, wo brutale Aliens permanent das eigene Leben bedrohen? Und warum zieht man sich dann auf diesem Planeten genau so an, wie in mehr als tausend Jahre alten Science-Fiction-Filmen, nämlich Weiß und Hellgrau?
Wegen eines blöden Asterioidensturms muss irgendwann ein Raumschiff notlanden, und zwar ausgerechnet auf der bösen Erde. Im Raumschiff sitzen Will Smith und sein Sohn Jaden. Smith spielt einen Weltraumfahrerveteranen mit dem tollen Namen Cypher Raige, Jaden dessen Sohn Kitai. Die beiden haben eine Super-Beziehung, die die »taz« unüberbietbar präzis mit dem Sozialverhalten einer Kadettenanstalt verglichen hat. Dies ist einer dieser amerikanischen Filme, in denen Söhne zu ihren Vätern »Sir« sagen, und das toll finden.
Jetzt sind Cyphers Beine gebrochen, Kitai muss als eine Art Avatar des Vaters hundert Kilometer allein durch den unwirtlichen Dschungel – gedreht wurde in Costa Rica – reisen, um das abgebrochene Hinterteil des Raumschiffs zu finden. Und das schnell, sonst ist alles zu spät. Papa ist mit ihm nur durch Übertragungstechnik verbunden. Man erlebt ziemlich viel »Geh dorthin!«, »Versuch dies!«, »Versuch das!«, »Nein Papa, das funktioniert nicht, ich versuch was anderes.« Und dann so Momente wie: »I am tracking a life-form moving toward you.« Grusel, grusel, krach, bumm.
After Earth ist, was es ist: Ein Weg, ein Ziel, ein Haufen Gefahren und Geisterbahneffekte dazwischen. Kein Humor. Keine Frauen. Viel Gerede. Noch viel mehr Lebensweisheiten von der Volkshochschule – obwohl: nichts gegen Volkshochschule. Also Lebensweisheiten aus dem Eso-Shop nebenan. Sie erinnern auch ein bisschen an Samurai-Filme.
»Danger is real, but fear is a choice«, steht auf dem Filmplakat. Man kann die Wirklichkeit bestimmen, wenn man nur will. Ist das jetzt Neoliberalismus, ist das amerikanische Ideologie, oder Scientology? Ein bisschen was von jedem, und ganz so groß sind die Unterschiede ja vielleicht auch wieder gar nicht.
Die Reputation von Regisseur und Drehbuchautor M. Night Shyamalan ist seit The Sixth Sense nicht gestiegen. Irgendwann galt er Hollywood mal als »der nächste Spielberg«. Inzwischen gilt er nur noch als Kassengift. Shyamalan war immer schon ein billiger Esoteriker, The Sixth Sense ein nervig kalkuliertes Nichts, aber immerhin hatte Shyamalan Sinn für Atmosphären und Situationen, für Spannungsaufbau. Davon merkt man wenig. Nur Geister gibt es auch hier.
Leider nimmt der Regisseur sich selbst viel zu ernst. Will Smith auch. Er gibt den Vater als Patriarch: Ein autoritärer Besserwisser, der nie lächelt, der von Schuldkomplexen getrieben ist, weil seine Tochter einst von Aliens gefressen wurde und er da gerade Zigaretten holen war. Oder so ähnlich. Der Sohn hat auch Komplexe, er hat das, was man »survivor’s guilt« nennt. Den Film allerdings kann man nicht ernst nehmen. Echt jetzt.
Allemal ist After Earth ein schmieriges Melodram mit altbackenen, dummen Vater-Sohn-Themen von der Stange, wie sie aber offenbar im Hollywood der Gegenwart unvermeidlich sind, mit ranziger Sentimentalität. Überdies bedeutet alles irgendwas über das hinaus, was es bedeutet. Kitai zum Beispiel heißt auf Japanisch »Hoffnung«.
Trotz alldem kann man viel mögen an diesem Film: Die postapokalyptische Welt, die hier entworfen wird, unterscheidet sich erheblich von den Mad Max-Standardsituationen. Shyamalan hat einige hübsche Ideen, wenn es um die Gestalt unserer Zukunft in tausend Jahren geht: Die Raumschiffe sind im Inneren holzverkleidet, man sieht unsere Erde, wenn die menschlichen Überreste von Pflanzen und Tieren zurückerobert wurden. Alles erinnert etwas an King Kong und The Lost World. Nur haben wir in diesen herrlichen Kulissen einen Kotzbrocken von Vater und einen bescheuerten Teenager sitzen, der immer noch darüber jammert, dass sein Papa seine letzte Geburtstagsparty verpasst hat, und der zu seinem Vater »Yes Sir!« sagt.
Und auch wenn Cypher mehr als einmal raunt: »Fear is not real, it is a product of our imagination. Danger is real, but fear is a choice.«, dann ist dieser Film doch vor allem ein Angstprodukt. Pure Paranoia: »Everything on this planet has evolved to kill humans.« »Humans« heißt in Hollywood »americans« und so sieht ein größerer Teil Amerikas vermutlich inzwischen die Welt.
Lässt man sich Zeit, dann kommt man schließlich auch auf »eine Gleichung, eine Theorie für alles«, wie es der Philosoph Will Smith jüngst in einem Interview formuliert hat. Diese Gleichung ist die zwischen Film und der Scientology-Sekte. Wenn Kitai vor einem Vulkan kniet, dann sieht dieser Vulkan genau so aus, wie der auf dem Titelblatt des Hubbard-Buchs »Dianetik«.
In der besten amerikanischen Filmbranchenzeitschrift, dem »Hollywood Reporter« hat jetzt das ehemalige Scientology-Mitglied Marc Headley, Autor des Scientology-Entlarvingsbuchs »Blown For Good: Behind the Iron Curtain of Scientology« einen Artikel geschrieben, in dem er den Film auf seine Scientology-Nähe hin untersucht. Das ist sehr praktisch, denn unsereins möchte sich ja gar nicht länger mit so einem Müll beschäftigen. Er bestätigt mit vielen Beispielen den Eindruck, dass es sich bei After Earth um einen gigantischen Werbefilm für Scientology handelt.