IL/D/USA/F 2019 · 117 min. · FSK: ab 16 Regie: Yuval Adler Drehbuch: Yuval Adler Kamera: Kolja Brandt Darsteller: Diane Kruger, Martin Freeman, Cas Anvar, Rotem Keinan, Liron Levo u.a. |
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»Wir haben’s versucht, das wird nichts zwischen euch!« |
Triggerwarnung für Agenten und Ex-Agenten von CIA (USA), FSB, SWR (Russland), BND (Deutschland), Mossad (Israel) und andere Geheimdienste. Wer diesen Film sieht, könnte Schlafstörungen bekommen oder Verfolgungswahn entwickeln. Letzterer wäre sogar berechtigt. Gibt’s das überhaupt, berechtigten Verfolgungswahn? Andererseits werden Agenten so trainiert, dass sie in Extremsituationen absolute Ruhe bewahren. Also sollte sie auch diese kleine Besprechung nicht nervös
machen.
Wer aber unbedingt weiterlesen und den Film sehen sollte, sind Jugendliche, die mit dem Gedanken spielen, beim Geheimdienst anzuheuern. Weil sie Abenteuer lieben, ihren Staat schützen wollen, was auch immer.
Die Agentin ist die Adaption des Romans DIE SPRACHLEHRERIN von Yiftach Reicher Atir, einem Ex-Mossad Agenten. Also einem, der es wissen muss. Laut Presseheft wurde der Roman in Israel zensiert. Weil er sonst Geheimnisse verraten und die nationale Sicherheit gefährdet hätte. Oder war die Meldung von der Zensur eine kleine Schützenhilfe der Ex-Kumpels vom Mossad? Damit der Roman authentischer wirkt und sich besser verkauft? Wie auch immer.
Auf jeden Fall kommen alle Zutaten vor, die man von einem Spionagethriller erwartet. Eine attraktive, junge Frau, Rachel Currin (Diane Kruger), die Agentin werden will. Ein Führungsoffizier, Thomas Hirsch (Martin Freeman), der streng ist und fair. Das Opfer, das ausgespäht werden soll, heißt Farhad Razavi (Cas Anvar). Natürlich ein Playboy. Sein Heimatland, das als Feind dient, ist der Iran (dargestellt von Iran).
Auch die obligatorischen Wendungen sind vorhanden. Der
Playboy tappt in die Honigfalle. Rachel nutzt sein Vertrauen aus. Und belohnt so das Vertrauen, das der Führungsoffizier in sie gesetzt hat. Außerdem werden Unschuldige getötet, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Der Regisseur schürt die Spannung, bis man es kaum noch aushält...
Doch im Gegensatz zu anderen Thrillern kommen bei Die Agentin kaum Erleichterung auf oder gar Triumphgefühle, wenn Rachel einen Auftrag erfolgreich erledigt hat, im Gegenteil. Mit jeder Mission wird klarer, dass ihr lebensgefährlicher Einsatz nichts Glamouröses hat. Ein »Kollege« nutzt Rachels Zwangslage aus, um sie sexuell zu belästigen. Sie wird zum Spielball zwischen konkurrierenden Vorgesetzten. Rachel ist ein kleines Rad im Getriebe. Das ausgetauscht wird, sobald es nicht mehr reibungslos funktioniert. Also wie im normalen Berufsleben. Mit dem Unterschied, dass man bei einer normalen Firma zum Betriebsrat gehen oder kündigen kann. Einen Geheimdienst kann man nie ganz hinter sich lassen. Weil man zu viel weiß, das den Ex-Chefs gefährlich werden könnte.
Gelungene Anti-Kriegsfilme meistern die Gratwanderung, die Geschichte ihrer Helden packend zu erzählen und gleichzeitig ein aufrüttelnder Appell zu sein gegen jede Art von Krieg. Könnte Die Agentin quasi ein gelungener Anti-Spionagefilm sein? – Leider nicht... Denn es gibt ein fatales Manko, über das weder die realistische Geschichte noch die stil- und effektsichere Kameraarbeit und auch nicht die gelungene Montage hinwegtäuschen können.
Das sind ausgerechnet die Hauptdarsteller. Diane Kruger und Martin Freeman sind beide Stars, die schon in etlichen Filmen überzeugt haben. Geheimagenten nimmt man ihnen in diesem Film nicht ab. Dass die von Diane Kruger dargestellte Rachel überhaupt beim Mossad anheuern kann, ist schon eine gewagte Behauptung. Ihre Chefs dachten wohl, eine Agentin, die nicht wie eine Agentin wirkt, ist die perfekte Tarnung. Na gut... Aber wenn Gefühle ins Spiel kommen sollen, fällt es immer schwerer, etwas zu glauben. Bei den Szenen zwischen Rachel und Thomas könnte man ihre Fremdheit noch wohlwollend als Distanz deuten zwischen einer Agentin und einem Führungsoffizier.
Doch wenn Rachel Farhad verführen soll, erwartet man ungeduldig eine Filmklappe und die Einsicht des Regisseurs: »Wir haben’s versucht, das wird nichts zwischen euch!« Leider läuft auf der Leinwand keine Casting-Szene, sondern der fertige Film.
Anstatt Star-Power wünscht man sich Schauspieler, die weniger bekannt sind, aber dafür glaubwürdiger spielen und besser zusammen passen.