USA/GB/NZ/AUS 2017 · 122 min. · FSK: ab 16 Regie: Ridley Scott Drehbuch: John Logan Kamera: Dariusz Wolski Darsteller: Michael Fassbender, James Franco, Katherine Waterston, Noomi Rapace, Guy Pearce u.a. |
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Mehr Blade Runner als Alien |
Ein großer, lang gestreckter, weißer, aseptischer Raum und philosophische Fragen zum Ursprung und Wesen der Menschheit: Der Prolog von Ridley Scotts Alien: Covenant schlägt einen Bogen zu dem Ende von Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum. Der Dialog zwischen dem Androiden David (Michael Fassbender) und seinem Schöpfer Peter Weyland (Guy Pearce) ruft zudem Ridley Scotts Blade Runner in Erinnerung. Damit gibt diese kurze Szene, wie jeder gute Hollywood-Prolog, die wichtigsten Themen des folgenden Films vor: Alien: Covenant ist ein Film über künstliche Intelligenz im Alien-Gewand.
Alien: Covenant ist zudem das Sequel zu dem Alien-Prequel Prometheus und das Ende des Films bildet den Anfang eines neuen Kapitels in der Alien-Saga. Mit seiner dritten Regiearbeit innerhalb des von ihm begründeten Alien-Universums setzt Ridley Scott konsequent die Evolution der Serie von einer reinen Horror-Sci-Fi-Saga hin zu einem philosophisch unterfütterten Sci-Fi-Horror-Bombast fort. Wie schon im Vorgänger Prometheus zählt dabei insbesondere die übergroße Geste, während der tatsächliche philosophische Gehalt oftmals eher dünn ausfällt. So folgt auf den Prolog recht bald eine Grundsatzdiskussion über Religion und Glauben kontra Wissenschaft und Rationalität.
Eigentlich hat das Kolonisationsschiff Covenant noch eine siebenjährige Reise durchs All vor sich, als ein Unfall die Crew vorzeitig aus ihrem Kälteschlaf reißt. Kurz darauf empfängt das Schiff von einem bis dahin unbekannten Planeten ein mysteriöses Signal, das sich nach dem Einschalten diverser Entzerrungsfilter als John Denvers Country-Song „Take Me Home, Country Roads“ entpuppt. Eine erste Untersuchung aus der Ferne deutet darauf hin, dass der Herkunftsplanet des Signals sogar noch besser zur Besiedlung geeignet ist, als das ursprünglich anvisierte Ziel. Der religiöse, neue Kapitän Christopher Oram (Billy Crudup) sieht hierin einen Wink des Schicksals, während die rationale Daniels (Katherine Waterston) aufgrund unkalkulierbaren Risikos starke Bedenken anmeldet.
Unnötig zu erwähnen, welche Kreaturen die Crew auf dem extrem erdähnlichen Planeten erwarten. Dank CGI bekommen wir die Aliens hier wesentlich häufiger und deutlicher zu sehen, als in Scotts Alien von 1979. Damals steckte in dem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt noch ein äußerst irdischer Akteur. Um dies zu kaschieren, hielt sich das bedrohliche Wesen bevorzugt im Halbdunkel auf. Aber wie bei der Erotik, die ihre Wirkung zu einem großen Teil dem Nichtzeigen verdankt, trug dies wesentlich zu der unheimlichen Atmosphäre des Films bei. Alien: Covenant folgt dahingegen dem Prinzip der Pornografie, alles möglichst deutlich zu zeigen. Und wie bei Pornos nimmt diese explizite Darstellung dem wilden Treiben viel von seinem Reiz.
Wie beim Porno soll diese verminderte Wirkung auch in diesem Film durch ein deutliches Mehr des immer Gleichen aufgefangen werden: So platzen die fiesen kleinen Biester in Alien: Covenant gleich reihenweise aus ihren unfreiwilligen Wirten heraus. Dabei geht es äußerst blutig und mit viel Liebe zum Detail zu. Leider macht diese Vorzeigefreudigkeit aber auch den massiven Einsatz von nicht immer perfekten computergenerierten Bildern überdeutlich. Sehr gelungen ist vielleicht gerade deshalb eine Szene, die direkt auf die unverblümte Verknüpfung von Horror und Sex in alten B-Movies Bezug nimmt: Hier wird das pornografische Prinzip des Films zu einem Teil der Handlung.
Zugleich ist gerade die visuelle Ebene des Films – da ist auf Ridley Scott auch im Alter von fast 80 Jahren nach wie vor Verlass – immer wieder absolut beeindruckend. Allein wie die Convenant samt ihrer Crew am Anfang mithilfe einer Reihe perfekter Schwenks und Kamerafahrten eingeführt wird, führt eindrücklich vor, dass hier ein Meister des Fachs an der Arbeit war. Wie schon in Prometheus ist es zudem nicht bloß die Perfektion der einzelnen Bildeinstellungen, die den Film zu einem wahren Augenschmaus machen, sondern ebenfalls die Schönheit der oft poppig übersteigerten Farben. Die bunte Glitzerwelt an Bord der Covenant kontrastiert umso stärker mit der düsteren HR-Giger-Welt auf dem Alien-Planeten. Dabei lässt es sich der alte Hase Scott auch nicht nehmen, mal so nebenbei Arnold Böcklins symbolistisches Gemälde „Die Toteninsel“ zu zitieren.
Im extremen Kontrast zur Sorgfalt beim Dekor steht leider die Flachheit der Charaktere. Diese sind allesamt blutarme Pappkameraden, Futter für den kleinen Alien-Hunger zwischendurch. Ähnlich flach – weil überdeutlich – ist auch die angestrengte Diskussion über Glauben versus Wissenschaft. Doch inmitten der narrativen Ödnis tut sich ein Lichtblick auf, der sich als der eigentliche Joker in Ridley Scotts Ärmel erweist: Michael Fassbender. Den Edelmimen (Shame) gibt es hier gleich in doppelter Ausführung: Neben dem Androiden David verkörpert Fassbender auch dessen Nachfolgemodell Walter. Die Beziehung zwischen diesen beiden künstlichen Intelligenzen ist äußerst komplex. So verfügt Walter über einige Updates, zu denen allerdings auch eine eingebaute Blockade eines eigenen Willens und einer eigenen Kreativität gehört. Zugleich erscheint der etwas schlichter gestrickte Walter deutlich menschlicher als sein megalomaner Vorgänger.
Die Konfrontation zwischen diesen beiden künstlichen Menschen bildet das eigentliche Herz des Films, während die zahlreichen Aliensequenzen ein wenig so wirken, als ob Scott sie als notwendiges Übel nebenher abgehakt hätte. In einem Interview erzählt der britische Filmemacher, dass er sich aus zeitlichen Gründen entscheiden musste, ob er die Regie für Alien: Covenant oder für BLADE RUNNER 2049 übernehmen wollte. Da er Letzteren bei dem Kanadier Denis Villeneuve (Arrival) in guten Händen wusste, entschied er sich für die Regie des mittlerweile sechsten Alienfilms. Jener wirkt nun fast wie ein Hybrid aus den beiden bekanntesten und besten Filmen Ridley Scotts. Dabei ist der Blade Runner-Kern jedoch wesentlich interessanter, als die Alien-Oberfläche.
Alien: Covenant überzeugt nur bedingt als ein Alien-Film von Ridley Scott. Zugleich ist der Film einer der besten zum Thema künstliche Intelligenz seit Blade Runner.