USA 2000 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Billy Bob Thornton Drehbuch: Ted Tally Kamera: Barry Markowitz Darsteller: Matt Damon, Penélope Cruz, Henry Thomas, Lucas Black u.a. |
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Penélope Cruz: Schöne Frau zu schönen Pferden... |
Am Ende der Vorführung reißt der Film, der Ton verabschiedet sich langsam und der Film reflektierte sich endlich selbst, denn auf dem Weg in seine Bestandteile zu zerfallen, zur totalen Selbstauslöschung, befand er sich schon seit einer Stunde (das Unglück geschah also aus einer reinen Notwendigkeit heraus). Und als der Schaden behoben ist, die Credits weiterlaufen können, wiederholt das noch einmal die narrative Struktur: die Geschichte war einfach nicht totzukriegen, noch ein Handlungsstrang und noch einer, immer weiter, ohne jeglichen Höhepunkt. Man kann das experimentierfreudig oder langweilig nennen, wie auch immer.
Dabei hatte alles so gut angefangen. John Grady Cole und sein bester Freund Lacey Rawlings 1949, in Texas unterm Sternenhimmel sinnieren sie über Gott, den Teufel und den Glauben. Ganz entspannt. Sie haben ihr Leben als Rancher in einer Welt, die bald keine Cowboys mehr dulden wird, gefunden. Pferdenarren, ihre Heimat ist das weite Land des Großvaters. Dort frönen sie der Nostalgie, wie man sie heute noch in jedem Marlboro-Spot findet.
Jede Geschichte braucht Bewegung und so werden die Beiden aus dem Paradies vertrieben, müssen die alte Welt verlassen. Als der Großvater stirbt und mit dem Verkauf der Ranch der Boden unter ihren Füßen den Besitzer wechselt, reiten sie voller Hoffnung gen Mexiko, um dort die Freiheit zu leben, den Glauben zu finden, sesshaft zu werden. Die Grenze schön und stark in Szene gesetzt, kein verstunkener Highway-Übergang, sondern der spritzige Ritt durch den Rio Grande. Galoppel Galoppel.
Im fremden Land finden sie schnell Arbeit und die schöne Alejandra, die John im Eilschritt verführen darf. Beim gemeinsamen Nacktbad im See bei Mondschein wechselt die Ästhetik kurz von Zigarette zu Duschbad. Der Liebe stehen die anachronistischen Ansichten der mexikanischen Familie entgegen und so reiht sich eine Tragödie an die nächste, bis John schließlich in einer abgewrackten mexikanischen Gefängniszelle von seiner Liebsten und den Pferden nur noch träumen kann. Beim letzten Treffen der Beiden wünscht man sich, die Justiz hätte das irgendwie verhindern können. Oder die Regie hätte für die Dialoge Bilder gefunden, so wird man Zeuge eines einzigen Heulen und Zähneklapperns.
All die schönen Pferde ist kein Western, genauso wenig wie John ein Cowboy ist. Er ist ein Suchender nach Struktur und Ordnung, er will glauben, findet jedoch nichts, das seinen Ansprüchen gerecht werden kann. Er klammert sich an alles, was von Außen an ihn herangetragen wird, weil er aus sich heraus nichts zu produzieren vermag. Er wird sein Milieu nicht zurechtrücken, nicht erwachsen werden, der Gerechtigkeit (seiner Gerechtigkeit) nicht zum Sieg verhelfen.
Der kleine John kehrt am Ende, als er gelogen und gemordet hat, verwildert nach Amerika (Amerika!) zurück, um Vergebung zu finden, für all die Schuld, die sein Herz bedrückt. Auftritt des guten alten amerikanischen Richters, mit weißen Haaren und all dem Wissen um eine marode Welt. Im Gerichtssaal nimmt er das böse R-Wort (Rasse) in den Mund, ja, er hatte so seine Zweifel an der menschlichen Rasse, aber alles, was ihm der gute John erzählt gibt ihm die Sicherheit an die Bewohner des Planeten zurück und, na ja, das Leben ist Geben und Nehmen, also erzählt er dem demütigen, bescheidenen, zweifelnden, hübschen John was der hören will, nämlich dass er seinerseits auch alles richtig gemacht hat. Der Staatsbürger Nr. 1, der Heiligenschein hatte sich schon angedeutet, in den dunklen Interieurs der Spot immer auf sein Gesicht, damit die Äuglein leuchten. Wahrheit sei nur da, wo ein Lichtlein brennt. Das Märchen um den Viehtreiber und Pferdedompteur bekommt plötzlich einen seltsam moralischen Anstrich.
Das Mexiko-Bild in All die schönen Pferde hinterlässt einen bösen Nachgeschmack. Das beginnt mit der Antwort eines jungen Ausreißers auf die Frage, warum die beiden Buddies ihn mit nach Mexiko nehmen sollten (»Weil ich Amerikaner bin«) und gipfelt in der paranoiden Angst Laceys, jetzt ein Halbblut zu sein, als man ihm im Gefängnis, nachdem er niedergestochen worden war, mit mexikanischem Blut das Leben rettete. Der amerikanische Richter steht antagonistisch gegen die chaotische Gesetzbarkeit im Nachbarland. Mexikaner böse, nix verstehen, Selbstjustiz, wollen unschuldigen weißen Amerikaner in Gefängnis bringen. Man denkt zurück an die großartige, ambivalente Verhörszene in Three Kings und wundert sich, wie Schwarz und Weiß denn gezeichnet werden muss.
Ein Film von dem nichts übrigbleibt, einzig Robert Patrick in einem kurzen Auftritt zu Beginn des Films. Er ist in die Jahre gekommen, faltig, und schafft so zumindest einen kleinen großen Moment in All die schönen Pferde, weil sein Gesicht den ganzen Verfall Amerikas vor Johns Reise in sich trägt. John seinerseits kehrt zurück zu Lacey, nachdem man sich in Mexiko kurz getrennt hatte. Versöhnung auf der Hühnerfarm, Totale bis Weite. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie wohl noch heute.