Alles nur Tarnung

Deutschland 1995 · 94 min. · FSK: ab 12
Regie: Peter Zingler
Drehbuch:
Kamera: Jörg Seidl
Darsteller: Mario Adorf, Ben Becker, Elke Sommer, Muriel Baumeister u.a.

Durch Dummheit kommt das Pärchen Harry (B. Becker) und Marlies (M. Baumeister) ins Wupper­taler Gefängnis. Harry wird in die Zelle zu seinem Vater (M. Adorf) gesteckt, der sich als großer Ganove darzu­stellen versucht, Marlies ein Stockwerk tiefer in die Zelle zu Jutta (Elke Sommer), einer alternden Prosti­tu­ierten. Nach wenigen Tagen werden sie wieder entlassen. Was dazwi­schen liegt, versucht der inhalts­lose Film anhand vieler kleiner Macht­kämpfe zu beschreiben.
Er hat dabei nur wenige gute Szenen mit Situa­ti­ons­komik, etwa durch den Einsatz spezi­eller neuer Medien: die am Boden kauernde Jutta haucht schwül-erotische Worte statt in den Tele­fon­hörer in die geöffnete Kloschüssel und hat via Rohr­system Verbin­dung zu männ­li­chen Gefäng­nis­in­sassen. Ähnlich mitreißende Details aus dem Knas­talltag und wie man ihn bewältigt stellt der Autor im Film ungefagt zur Verfügung. Welch Moti­va­tion für diese Produk­tion mag er wohl gehabt haben?

Alles nur Nach­ah­mung: »Wenn wir nur jeden zweiten Zuschauer von Männer­pen­sion ins Kino locken können, dann machen wir das dicke Geld.« So oder so ähnlich könnten die Film­ver­leiher von Alles nur Tarnung gedacht haben. Viel­ver­spre­chend beginnt der Film mit den span­nenden Innen­auf­nahmen eines Wupper­taler Kauf­hauses in der Vorweih­nachts­zeit. Dazu spielen Credence Clear­water Revival ihr Lied »Wholl stop the rain?« Und das ist gut, denn es spiegelt die Stimmung der ersten Szenen wider. (Und käme es später im Film, würden die meisten Kino­be­su­cher lauthals rufen: wholl stop the film?)

Lang, länger, Zingler: »... auch wenn der Film in der Mitte einige Längen hat...« ist ein Satz, den über diesen Film wohl niemand äußern wird. Denn er besteht ausschließ­lich aus solchen. Und so fragt man sich, wie es trotz der offen­sicht­li­chen Schwächen des Dreh­bu­ches (wenn überhaupt eines existiert hat und die Darsteller nicht, was wahr­schein­li­cher ist, in der Pause von anderen Dreh­ar­beiten aus Jux impro­vi­siert haben) gelingen konnte, solch bekannte Schau­spieler zu gewinnen! Daß sie so lustlos spielen wie Ziege und Co. beim FC Bayern, könnte dran liegen, daß sie das Drehbuch lesen mußten. Über­zeugen können nur wenige Darsteller kleinerer Neben­rollen, so etwa Martin Semmel­rogge als fieser Arsch­krie­cher oder Heinz Hoenig als scheinbar durch­ge­knallter Insasse. Aber alle Rollen sind holz­schnitt­artig angelegt, alles ist nur noch Klischee, doch nicht etwa satirisch, sondern einfach nur platt und blöd.
Mario Adorf spielt mit viel Routine den Typ des liebens­werten Klein­gangs­ters, den er schon dutzendmal gemimt hat, nur daß er sich diesmal die Zähne mit ATA putzt, (was übrigens die einzige Szene ist, die Lachen ernten konnte, wenn auch eher mitlei­diges) und regel­mäßig Kurz­schlüsse mit seiner selbst­ge­bas­telten und entspre­chend lebens­ge­fähr­li­chen Tauch­sie­der­kon­struk­tion produ­ziert.

Der Film in seiner Gesamt­heit wirkt unge­wöhn­lich nach­lässig gemacht, teilweise unlogisch und eben auch unkomisch. Aus einer kurzen Szene, in der Radio­nach­richten zu hören sind, läßt sich der Film exakt datieren, da von der Schleyer- Entfüh­rung berichtet wird. Freilich bleibt völlig nebulös, was dieser Hinweis soll.

Und so denkt sich der Zuschauer schon nach der Hälfte des Films: viel­leicht hätte der Autor & Regisseur doch in seinem alten „Beruf“ bleiben sollen, der ihm das enorme Insi­der­wissen zum Thema „Knast­bruder“ lieferte. Mehr Zuschau­er­inter­esse als ein »Wort zum Sonntag« (ARD) hat das Werk in meinen Augen zwar nicht verdient, dennoch wird es einen festen Platz im Wieder­ho­lungs­pro­gramm der Privat­sender finden, denn in zwei kurzen Szenen ist doch glatt der nackte Ober­körper von Muriel Baumeister zu sehen.