Ö/D/CH/CZ 2022 · 89 min. · FSK: ab 16 Regie: Dieter Berner Drehbuch: Dieter Berner, Hilde Berger Kamera: Jakub Bejnarowicz Darsteller: Emily Cox, Valentin Postlmayr, Cornelius Obonya, Mehmet Atesci, Marcello de Nardo u.a. |
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Eine dezidiert ambivalente Haltung... | ||
(Foto: Alamode) |
Sicherlich ist Alma Mahler die Bekanntere. Nicht nur wegen ihrer Ehen mit Gustav Mahler, Walter Gropius und dann Franz Werfel. Sondern auch wie sie diese Ehen geführt hat, zunehmend selbstbestimmt und dominant und mit einem Furor, unter dem dann vor allem Franz Werfel zu leiden hatte, der nicht nur in sein Arbeitszimmer eingeschlossen wurde, bis er sein von Alma vorgegebenes Schreibtempo abgeleistet hatte, sondern die ihrem jüdischen Mann mit ihrer zunehmend antisemitischen Einstellung auch auferlegte, vor der Hochzeit dem Judentum abzuschwören und den Grund für die Schönheit ihrer mit Walter Gropius gezeugten (und früh verstorbenen) Tochter Manon auf die Tatsache zurückführte, dass Manon als einziges ihrer Kinder mit einem »Arier« gezeugt worden sei.
Von dieser Alma sehen wir in Dieter Berners Film Alma & Oskar nur wenig. Wir sehen das eheliche Auslaufmodell mit Gustav Mahler, den sie zeitlebens ein wenig verächtlich ihren »kleinen Juden« nannte, und sehen dann die Frau, die sich holt, was ihr gefällt bzw. was berühmt ist. Sie bändelt mit dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius an, verzehrt sich aber gleichzeitig in einer Affäre mit dem expressionistischen Maler Oskar Kokoschka, der kurz vor dem ersten Weltkrieg zunehmend an Bedeutung gewann und nicht nur für den großen Lyriker und Tubutsch-Autor Albert Ehrenstein die Gedichte zu illustrieren begann, sondern auch großformatig von sich Reden machte. Dieses Von-sich-reden-Machen ist Alma so wichtig wie die Liebe selbst. Nicht nur soll der Andere vor Sehnsucht leiden, sondern auch ein Meister seines Faches sein. Das sagt sie Gropius und das vermittelt sie auch Kokoschka, von dem sie enttäuscht ist, als es ihm nicht gelingt, seine neuesten Werke an eine große Londoner Galerie zu verkaufen.
Hinter dieser Amour Fou, die eigentlich auch eine »Amour Rationale« ist, skizzieren Dieter Berner und Hilde Berger die Zeit vor dem 1. Weltkrieg, der sich bereits anzukündigen beginnt. Wir sehen die Wiener Café-Häuser und sehen am Rande Legenden wie Peter Altenberg und den engeren Kreis um Alma, vor allem Bruno Walter, über den dann auch psychologisch sehr genau nachgezeichnet wird, warum Alma der Mensch ist, der sie ist, die unter der Zeit, in der Frauen kaum eine echte Chance haben, kreativ zu arbeiten und aufzusteigen, sichtbar leidet, die im Grunde die bessere Kapellmeisterin ist und ihre Männer auch deswegen instrumentalisiert, weil die Zeit ihr nicht erlaubt, ihre eigenen Talente auszuleben.
Man merkt an der psychologischen und biografischen Genauigkeit, dass Hilde Berger eine lange Geschichte mit dieser berühmten, viele Konventionen sprengenden »Affäre«, die immer wieder unter massiven Nähe-Distanz-Verwerfungen leidet, verbindet. 1999 hatte sie bereits in ihrem Roman »Ob es Hass ist, solche Liebe?« Mahler und Kokoschka porträtiert und dann ein weiteres Mal in ihrem Roman »Die Windsbraut« (2020), der nach einem der berühmtesten Gemälde Kokoschkas benannt ist, auf dem sowohl Alma als auch Oskar zu sehen sind. Dieses Mal hat sie das Thema zusätzlich mit ihrem Lebenspartner Dieter Berner auch zu einem dichten Drehbuch amalgamiert, das nicht nur von der Liebe und der Kunst, sondern auch von einem Zeitalter im Umbruch erzählt, in dem sich nicht nur der 1. Weltkrieg anbahnt, sondern auch ein Krieg zwischen den Geschlechtern.
Die filmische Adaption gehen Berner und Berger mit einer ähnlich akribisch genauen Hinwendung an, wie schon in ihrem gemeinsamen Film über Egon Schiele (2016), zu dem Berger ebenfalls Roman und Drehbuch verfasste. Das mag in der Inszenierung ein wenig konventionell und theater-orientiert wirken, doch das hervorragende Ensemble um Emily Cox und Valentin Postlmayr als Alma und Oskar lässt das schnell vergessen, auch weil Berner und Berger dezidiert eine ambivalente Haltung einnehmen und nicht nur zwei Künstler völlig gleichberechtigt in einem kurzen, überaus erfolgreichen Ausschnitt ihres Lebens porträtieren, sondern sie auch als schwer zu ertragende, neurotische Persönlichkeiten in den Raum stellen. Genauso, wie Menschen nun einmal sind.