Allied – Vertraute Fremde

Allied

USA 2016 · 125 min. · FSK: ab 12
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch:
Kamera: Don Burgess
Darsteller: Brad Pitt, Marion Cotillard, Lizzy Caplan, Matthew Goode, Jared Harris u.a.
Klassischer, romantischer Thriller

Liebe in Zeiten des Krieges

Eine Romanze vor dem Hinter­grund des Zweiten Welt­kriegs und Casablanca als ein zentraler Hand­lungsort. Kenner der Film­ge­schichte dürften bei diesen Stich­worten umgehend an den Michael-Curtiz-Klassiker von 1942 denken, der nach der marok­ka­ni­schen Hafen­stadt benannt ist und die Hollywood-Größen Humphrey Bogart und Ingrid Bergman im Wider­streit der Gefühle zeigt. Enorme Starpower fährt auch Oscar-Preis­träger Robert Zemeckis in seinem Agenten-Melodram Allied – Vertraute Fremde auf, das schon weit vor seiner Veröf­fent­li­chung Schlag­zeilen machte, weil der Boulevard eine angeb­liche Affäre zwischen den Haupt­dar­stel­lern Brad Pitt und Marion Cotillard als möglichen Grund für das Scheitern von Pitts Ehe disku­tierte.

Der Film selbst erweist sich als betont altmo­di­sches Erzähl­s­tück und irritiert den heutigen Zuschauer – das konnte man im Anschluss an die Kölner Pres­se­vor­füh­rung wunderbar beob­achten – mit einer zur Schau gestellten Künst­lich­keit. Schon der Auftakt erscheint wie ein Moment, den es so nur im Kino gibt: Vor einem impo­santen Wüsten­pan­orama schwebt der kana­di­sche Geheim­dienst­of­fi­zier Max Vatan (Pitt) mit einem Fall­schirm langsam zu Boden und wird schließ­lich in der staubigen Einöde von einem Wagen abgeholt. Kurz danach befinden wir uns im Casablanca des Jahres 1942, das trotz oder gerade wegen seiner detail­rei­chen Ausstat­tung etwas kulis­sen­haft daher­kommt. Unver­kennbar weht hier der Hauch alter Tech­ni­color-Filme durch die Straßen. Die leicht unwirk­liche Anmutung setzt sich auch in unge­schlif­fenen digitalen Effekten fort, die bei später gezeigten Luft­an­griffen zum Einsatz kommen.

Zemeckis kreiert eine Welt, die der Opulenz klas­si­scher Hollywood-Epen nach­emp­funden ist. Soll heißen: Überhöhte Impres­sionen und große Gefühle treffen immer wieder aufein­ander. Etwa in der ersten Liebes­szene zwischen Vatan und der fran­zö­si­schen Résis­tance-Kämpferin Marianne Beauséjour (Cotillard), die in Casablanca gemeinsam ein Attentat auf den deutschen Botschafter verüben sollen. Mitten in der Wüste, einge­schlossen in einem Auto, kommen sich die Geheim­agenten näher, während draußen ein Sandsturm tobt und ihre Ekstase geräusch­voll untermalt.

Auch wenn es der Film manchmal mit seiner stili­sierten Melo­dra­matik über­treibt – Stichwort: Geburt bei einem Flie­ger­an­griff auf London –, ist es durchaus lohnens­wert, sich auf die arti­fi­zi­elle Gestal­tung einzu­lassen. Immerhin gibt es für die Künst­lich­keit eine inhalt­liche Begrün­dung: Max und Marianne posieren in Casablanca als Ehepaar, spielen ein Rollen­spiel, versuchen, eine Fassade aufzu­bauen, die ihre Anschlags­pläne verschleiern soll. Schein und Sein liegen dicht beiein­ander, da aus der beruf­li­chen Zusam­men­ar­beit irgend­wann Gefühle erwachsen. Emotionen, die Pitt und Cotillard glaubhaft vermit­teln können. Beein­dru­ckend ist vor allem die Darbie­tung der charis­ma­ti­schen Französin, die alle Facetten ihrer Figur – spöttisch, verfüh­re­risch, geheim­nis­voll und leiden­schaft­lich – mit großer Über­zeu­gung in den Kinosaal trans­por­tiert.

Der offi­zi­elle Trailer verheim­licht nicht, dass Allied nach der Casablanca-Episode und der Eheschließung der Prot­ago­nisten eine andere Richtung einschlägt. Aus dem Melodram mit humor­vollen Zwischen­tönen wird ein Thriller, der um die Frage kreist, ob es unter Agenten – zumal in Zeiten des Krieges – echte Liebe geben kann, wobei eine im ersten Drittel getätigte Aussage plötzlich eine neue Brisanz bekommt. Ein schlimmer Verdacht bringt das junge Glück ins Wanken und schürt einen Gewis­sens­kon­flikt, den das Drehbuch zwar beleuchtet, der gegen Ende jedoch allzu mecha­ni­schen Span­nungs­szenen weichen muss. Fraglich ist außerdem, ob es für die Auflösung unbedingt eine wenig subtile Casablanca-Anspie­lung gebraucht hätte, die den Zuschauer darauf aufmerksam macht, dass Allied dem Klassiker nicht das Wasser reichen kann. Als Enttäu­schung sollte man Zemeckis‘ Mix aus Liebes­drama und Spio­na­ge­thriller deshalb aber nicht abtun. Allein, weil er mit seinem gut harmo­nie­renden Lein­wand­paar den Glamour des alten Holly­woods treffend beschwört.

Liebe gegen die ganze Welt

Casablanca lässt grüßen. Nicht nur wird die »Marseil­laise« an entschei­dender Stelle höchst demons­trativ gespielt, die marok­ka­ni­sche Hafen­stadt selbst bekommt auch ihren Auftritt, diesmal aber als Sehn­suchtsort für ein Liebes­paar, der an vergan­gene, glück­li­chere Zeiten erinnert.

Was Humphrey Bogart und Ingrid Bergman für Michael Curtiz' Klassiker waren, sind Brad Pitt und Marion Cotillard in diesem Spio­na­ge­film. Und auch wenn Brad Pitt kein Bogart ist und Marion Cotillard ganz bestimmt keine Ingrid Bergman, funk­tio­niert diese Kino­no­st­al­gie­reise leidlich gut, wenn man sich auf die Schau­werte konzen­triert.

Pitt spielt den Kanadier Max, einen Piloten, der im Zweiten Weltkrieg für die Briten kämpft. In Marokko trifft er eine von Cotillard gespielte fran­zö­si­sche Resis­tance-Kämpferin, die nicht nur mit Vornahmen Marianne heißt, wie die fran­zö­si­sche Natio­na­li­kone, sondern mit Nach­nahmen auch noch Beau­se­jour, was nichts anderes bedeutet, als »schöne Ferien«.

Die Begegnung ist kein Zufall, denn beide sind eigent­lich Spione, und sollen ein Attentat auf den Botschafter des Dritten Reichs verüben.

Beide verlieben sich, heiraten, bekommen ein Kind. Doch der Krieg geht weiter, und hat einen noch viel härteren Test für das Paar bereit. Als man seine Frau für eine Nazi-Spionin hält, glaubt Max weiter an ihre Unschuld, obwohl sich die belas­tenden Indizien häufen.

Dieser Film erzählt also von etwas, wovon viele auch heute träumen: Liebe gegen die ganze Welt. Einer, der zu allem hält, egal was andere sagen. Und dann sieht er auch noch so aus wie Frau­en­schwarm Brad Pitt! Während Pitts Figur gradlinig und aufrichtig erscheint, gibt Cotillard die Femme Fatale und schillert in allen denkbaren Facetten.

Allied, der Film des ein bisschen verges­senen, oft im Schatten seines Wegge­fährten Steven Spielberg arbei­tenden Robert Zemeckis ist somit ein klas­si­scher, roman­ti­scher Thriller, der an Holly­woods große Zeit der politisch enga­gierten Anti-Nazi-Filme im Zweiten Weltkrieg erinnert. Wir wollen es nicht hoffen, aber viel­leicht braucht man bald wieder solche Filme, die zwar unter­halten, und Stars präsen­tieren, aber auch offen partei­isch sind für liberale Werte und zwischen­mensch­li­chen Huma­nismus.

Schlechte Zeiten für die Menschen sind leider oft gute Zeiten für das Kino.