Irland 2014 · 105 min. · FSK: ab 16 Regie: John Michael McDonagh Drehbuch: John Michael McDonagh Kamera: Larry Smith Darsteller: Brendan Gleeson, Chris O'Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran u.a. |
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Finsteres Christentum |
Die Katholische Kirche hat ein Imageproblem: Endlose Skandale um pädophile Priester und lebensferne Dogmen haben das Ansehen der Glaubensinstitution stark beschädigt. Diese Situation spiegelt sich auch auf der großen Leinwand wider. In immer kürzeren Abständen erscheinen bissige Satiren, welche diese altehrwürdige Institution anprangern. Der Ton wird von Mal zu Mal schärfer. Vor kurzem zeigte der kroatische Filmemacher Vinko Bresan in Gott verhüte! einen jungen Priester, der das göttliche Vermehrungsgebot per Kondom-Perforierung durchzusetzen gedachte. Und gerade lief die ätzende belgische Satire In The Name Of The Son an, in dem eine bei einem Bischof Rat suchende Mutter die Auskunft erhält, dass ihr homosexueller Selbstmörder-Sohn sowieso kein Anrecht auf einen Platz im Himmel habe. Nun wird in John Michael McDonaghs sarkastischer Tragikomödie Am Sonntag bist du tot ein Priester zur Rechenschaft gezogen, gerade weil er herzensgut und unschuldig ist.
Im Beichtstuhl einer kleinen Gemeinde in der tiefsten irischen Provinz erfährt der Dorfpriester James Lavelle (Brendan Gleeson) die tragische Geschichte eines über Jahre fortgesetzten Missbrauchs durch einen pädophilen Priester. Aber nicht nur das: Um diesem Fall zu verstärkter Medienaufmerksamkeit zu verhelfen, soll jetzt ausgerechnet Lavelle für die Verbrechen seines inzwischen verstorbenen Kollegen büßen. Der dem Betrachter verborgene Beichtende gibt dem Geistlichen noch genau eine Woche seine Angelegenheiten zu ordnen, denn am kommenden Sonntag, da sei er tot. In dieser anfänglichen Schlüsselszene des Film verdichtet sich vieles, das John Michael McDonaghs zweiten Spielfilm auszeichnet. Es ist insbesondere der sehr zynische Grundton, der dafür sorgt, dass dieser Film in Erinnerung bleibt.
Immer wieder kontrastiert die Kamera von Larry Smith (Only God Forgives) die archaische Stille und Schönheit der zerklüfteten irischen Naturlandschaft, mit dem Sodom und Gomorrha im Ort. Es ist diese Landschaft, in die sich Vater Lavelle zu einsamen Spaziergängen zurückzieht, um Anstand zu gewinnen und neue Kraft zu schöpfen. Seine Arbeit ist oft mehr die eines Psychiaters; seine Schäfchen entpuppen sich als eine wilde Ansammlung von echten Härtefällen: Da ist der sich in seinem eigenen Snobismus suhlende Landadelige, der vor Vater Lavelle demonstrativ auf ein wertvolles Gemälde pinkelt. Da ist auch der schüchterne junge Mann, der darunter leidet, dass er keine Frau bekommt. Dafür habe er jedoch viel Erfahrung mit Pornografie. Zur Zeit würden ihn besonders Transsexuelle – Mädchen mit Schwänzen – beschäftigen.
Es ist eine geradezu groteske Freakparade, die John Michael McDonagh am Zuschauer vorbeiziehen lässt. Im Gegensatz zu In The Name of The Son, verzichtet McDonagh jedoch trotz all seines Sarkasmus darauf, eine überdeutliche Message zu verkünden. Statt klaren Schuldzuweisungen zu geben, zeigt der Film eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. Pädophile Priester sind da ebenso nur ein Symptom, wie unschuldig zum Tode verurteilte Geistliche. – Als Vater Lavelle darauf hingewiesen wird, dass seine Kirche brenne, korrigiert er, deshalb dass es »unsere« Kirche sei, die in Flammen steht.
»What do want to say to me? I am here to listen to whatever you have to say.« – »I am about to kill you father.« Das ist doch mal eine Beichte. Eines Sonntags im Beichtstuhl erhält Father James diese schockierende Mitteilung. Ein Mann kündigt ihm an, er werde ihn umbringen: Eines darf man gleich dazu verraten: Auch wenn dieser Film als Komödie vermarktet wird – er ist alles andere als das. Es gibt witzige Szenen und Dialoge, und sowohl die malerische Landschaft im Norden Irlands, als auch die wohlige Musik sorgen für harmonische Kinomomente.
Aber die dominierende Atmosphäre in diesem Film sind Beklemmung, latente Bedrohung und abgründiger, sehr konkreter Schrecken. Denn der Mann, der den gemütlichen katholischen Pfarrer James mit seinem rotgrauen Rauschebart derart massiv bedroht, ist keineswegs der Teufel selbst, der à la Mephisto ein tückisches Spiel treibt, und er ist auch kein Sendbote des Herrn im Himmel der einen treuen Diener Gottes wie einst Hiob auf die Probe stellen will. Er ist ein Mitglied jener kleinen Provinzgemeinde, in der Father James seit bald 20 Jahren Dienst tut. Und er hat aus seiner Sicht gute Gründe, alle Priester zu hassen. Denn im Beichtstuhl erzählt der Mann auch, dass er als Kind von einem Priester jahrelang vergewaltigt wurde, und dass viele Gottesdiener damals wegsehen wollten.
Darum will sich der Mann an der Kirche als solcher rächen, und es beginnt ein Kampf zwischen zwei Menschen, die auf sehr unterschiedliche Art das Gute wollen. Ein Guter soll sterben für die Sünden der Anderen, wie einst Christus auf dem Kalvarienberg. Calvary, so heißt nämlich der Film im Original – und so ist es wieder einmal der deutsche Titel, der die Subtilität des Originals zerstört, und die Zuschauer ganz bewusst für dumm verkaufen möchte, indem alles skurril und lustig klingt, was doch beziehungsreich gedacht ist. Mal wieder eine Titel-Schande für einen deutschen Verleih.
Am Sonntag bist du tot ist also ein durchaus ernst gemeintes christliches Schuld-Sühne-und-Rache-Drama, das in den vielfältigen Facetten seiner Grundkonstruktion an einen Dostojewski-Roman erinnert, und in seinem Entscheidungspathos an ein Stück von Jean-Paul Sartre. Die Qualität der Dialoge und die sonstige Ausführung kommt daran allerdings nicht einmal entfernt heran. Das Drehbuch, das Regisseur John Michael McDonagh selber schrieb, hat offenkundige
Schwächen, setzt konsequent auf Klischees und schrille Effekte – aber es ist wenig dahinter.
Auch die Regie ist bestenfalls konventioneller Arthouse-Mainstream, ohne besondere Einfälle und mit viel zu viel, viel zu kitschiger Musik. Zu grün sind die Wiesen, zu lieblich die Hügel, als dass einen dies nicht mitunter an öffentliches Prime-Time-Fernsehen erinnern würde.
Ins Schwarze traf McDonagh aber zumindest mit der Wahl von Brendan Gleeson für die Hauptrolle. Gleeson ist wunderbar – ein sehr weltlicher Gottesdiener, dem nichts Menschliches fremd ist, der etwas zuviel trinkt, und der doch eine spröde, unzugängliche Seite hat, ein Geheimnis. Auch sonst sind viele Darsteller überdurchschnittlich: Kelly Reilly, Aidan Gillen, Isaach De Bankole, Marie-Josee Croze, Domnhall Gleeson.
In seinen schlechten Momenten ist Am Sonntag bist du tot reiner Katholo-Kitsch, Erbauungskino für Menschen, die allenfalls Ostern und Weihnachten in die Kirche gehen, und den Ernst der Problematik nicht zu schätzen wissen. Aber es gibt auch bessere Augenblicke – da handelt es sich um eine Innenansicht irischen Provinzlebens, die zwischen Heiterkeit und Melancholie schillert, und am Beispiel des Dorfes eine Geschichte über einseitige Modernisierung erzählt, über Traditionsverlust – nur immer etwas zu nahe an billiger Freakshow.
In seinen allerbesten Szenen aber ist dieser Film mehr als intelligente Unterhaltung: Ein Gleichnis über Fehlbarkeit und das Scheitern aller menschlichen Anstrengung, über die Bedeutung von Verantwortung und Vertrauen. Daran, das wir ohne Verantwortung und Vertrauen auf Dauer nicht zusammenleben können, lässt der Film keinen Zweifel. Allerdings umschifft er die Frage, ob die Kirche uns beim Zusammenleben noch helfen kann, oder ob sie nicht längst Teil des Problems ist.