Dänemark/Deutschland 2014 · 87 min. · FSK: ab 6 Regie: Ask Hasselbalch Drehbuch: Anders Ølholm Kamera: Niels Reedtz Johansen Darsteller: Oscar Dietz, Amalie Kruse Jensen, Samuel Ting Graf, Nicolas Bro u.a. |
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Aus Freundschaften werden Beziehungen |
Wenn man einmal genau hinschaut und offen und ehrlich sich selbst einer gnadenlosen Introspektion unterzieht, dann ist es doch so: das wirklich sympathische an Superhelden sind weniger ihre Heldenfähigkeiten als ihre Geschlechtslosigkeit. Sie stehen damit über jeglicher Alltagsgefährdung. Sie müssen keinen Rollenmodellen genügen, sie haben keinen festen Job (und wenn dann nur zur Tarnung), sie müssen sich nicht im Kampf um eine Beziehung oder durch eine Scheidung oder mit der Aufzucht von Kindern übermäßig verausgaben – sie sind die wirklich Freien unter uns. Und wenn es dann und wann doch mal eine Frau an ihrer Seite gibt, so sind diese Frauen doch meist nicht mehr als Platzhalter der gängigen Moral, sei es bei Superman, Batman, Iron Man oder in der grandiosen Neuschreibung des Superhelden in der Netflix-Serie Daredevil.
Aber auch Superhelden werden erwachsen. Wie dieser Prozess aussieht, erfahren wir allerdings nicht aus den Kreativzirkeln von Marvel, sondern aus Dänemark. Dänemark? Dass das weniger absurd ist, als es so lapidar aufgeschrieben klingt, dass es nicht ganz und gar abwegig ist, dafür müssen wir uns erinnern: denn bereits 2013 machte Dänemark sich um eine innovative Neuerfindung des Superhelden verdient. Denn 2013 erschien Ask Hasselbachs Regiedebüt Antboy. Der mit kleinstem Budget realisierte Kinderfilm wurde in 35 Länder verkauft, bekam weltweit überragende Kritiken und wurde in Dänemark für den besten dänischen Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet und erreichte allein in Dänemark 175.000 Zuschauer. Antboy griff filmhistorisch die Coming-of- Age-Leichtigkeit der Spielbergfilme der 1980er auf und warf auch noch ein wenig Gremlin-Spuk hinzu. Wie Spielberg präsentierte auch Hasselbach die Welt seiner (Kinder-) Protagonisten gleichberechtigt gegenüber der der Erwachsenen. Sein Held Pelle (Oscar Dietz) steht als Außenseiter der Klasse aber nicht nur in der Schule einsam da, sondern auch zuhause. Erst als Pelle durch einen Zufall zu einem Ameisenmutanten wird, gewinnt er neue Freunde und kann nebenbei sogar die bösen Elemente in seiner Heimatstadt besiegen. Pelle ist endlich zufrieden, mehr noch, als er das Wissen um seine Superheldenfähigkeiten mit seinen neuen, besten Freunden teilen kann.
Dass jedoch auch Superhelden groß werden und nicht immer alles so leicht ist, wie es uns die Superheldenwelt der Erwachsenen konsequent vorgaukelt, erzählt Hasselbach in seinem zweiten Antboy-Film – Die Rache der Red Fury. Die hellen Farben des ersten Teils sind verschwunden und nicht nur Pelle, auch seine Freunde sind größer geworden und sichtlich in die Pubertät gekommen. War Freundschaft im ersten Teil noch spielerisch verankert, mischt sich in diese Freundschaften nun ein neuer Schwerpunkt. Sie werden plötzlich zu Beziehungen. Vor allem Pelle leidet darunter, weil er nicht weiss, wohin mit seiner Sehnsucht und seiner Eifersucht gegenüber seiner alten Freundin Ida (Amalie Kruse Jensen).
Hasselbach integriert für diese Transformation vom Jungen zum Mann treffend einen neuen »bösen« Komplex, die gleichaltrige Maria (Astrid Juncher-Benzon), die Pelle über die Berührung mit dem Bösen und seiner Unsichtbarwerdung tiefenpsychologisch akkurat in seinen neuen Zustand überführt. Das dabei auch alte Bekannte wie der der oberböse Floh (Nicolas Bro) und alte Weggefährten wie Pelles Freund Wilhelm (Samuel Ting Graf) wieder auftauchen, versteht sich von selbst, wirkt aber an keiner Stelle aufgesetzt. Im Gegenteil – Hasselbach vermeidet im zweiten Teil (die Dreharbeiten für den dritten Teil beginnen in Kürze) die kleinen Fehler des ersten und sowohl die breitere Charakterdichte also auch die deutlich ausgeglicheneren und besser inszenierten Action-Sequenz-Anteile machen die Die Rache der Red Fury sogar zum besseren Film. Der zudem auch noch eine Geschichte erzählt, die bislang kein Superheldenfilm sich zu erzählen traute: das schmerzvolle Erwachsenwerden eines Helden.