USA 2021 · 100 min. · FSK: ab 16 Regie: Scott Cooper Drehbuch: Henry Chaisson, Nick Antosca, Scott Cooper Kamera: Florian Hoffmeister Darsteller: Keri Russell, Jesse Plemons, Jeremy T. Thomas, Graham Greene, Scott Haze u.a. |
||
Typischer Monsterhorror | ||
(Foto: The Walt Disney Company (Germany) GmbH) |
Was tief in unseren Liebsten steckt, oft wollen wir es gar nicht wissen. Mit einem Mal können die nächsten Personen zu rasenden Bestien werden. Der kleine Lucas (Jeremy T. Thomas) muss das bei seinem Vater (Scott Haze) und seinem Bruder (Sawyer Jones) erleben, die nach einem Minenbesuch immer mehr zu abartigen Monstern mutieren. Schon die ersten zehn Minuten von Scott Coopers Antlers (mitunter produziert von Guillermo del Toro) zeigen bekannte Horror-Bilder: ein düsteres, spärlich beleuchtetes Setting, in dem eine unbekannte Kraft ihren Bluthunger stillt. Werke wie Alien oder The Descent kommen da in Erinnerung. So vertraut einem dieses Unheimliche auch ist, Cooper weckt hier schon das Interesse des Publikums, nicht zuletzt dank der gelungenen Kamera-Arbeit von Florian Hoffmeister. Wird daraus also mehr als das gewohnte Horror-Mittelmaß?
Auch außerhalb der Untergrundschächte geht es zunächst mit anziehend-abstoßender Atmosphäre weiter. Antlers spielt in einer Kleinstadt in Oregon, in der das Unwohlsein förmlich in der Luft liegt. Nicht nur die ausgebluteten Industrie-Ruinen tragen zur bedrohlichen Stimmung bei, auch die Natur scheint hier feindlich gesinnt. Die Stadt ist zwischen Bergmassiven eingeschlossen, undurchdringliche Wälder wecken alles andere als den Eindruck eines Idylls. Dieser bitterernste Touch, der sich irgendwo zwischen ungeschöntem Realismus und mystischen Untiefen ansiedelt, ist sicher eine der größten Stärken des Films.
Ein weiterer Höhepunkt ist ganz klar Jeremy T. Thomas, der mit seinen 15 Jahren eine unglaubliche Performance liefert. In jedem seiner Leinwand-Momente spricht aus ihm Verstörung und Fragilität, die den ernsten Ton von Antlers noch unterstreichen. Bei allem Übertriebenen und Übernatürlichen, die der Film so mitbringt, bekommt er an diesen Stellen eine ehrlich ergreifende Ebene. Nach der Begegnung mit dem dämonischen Minen-Ungeheuer beginnt mit Vater und Bruder eine schreckenerregende Metamorphose. Vor allem sein Erzeuger wird in kürzester Zeit zum Untier, das höchstens noch die Anleihen eines Vaterinstinktes in sich trägt, aber ansonsten nur eine Tierkadaver verschlingende Bestie ist, die außer Brüllen nichts mehr von sich gibt. Seine beklagenswerte Situation verarbeitet der Junge in morbiden Bildern, die er in der Schule malt.
Hier wird seine neue Lehrerin Julia (Keri Russell) auf ihn aufmerksam, die hinter den Gemälden häuslichen Missbrauch vermutet. Sie selbst wurde in der Kindheit Opfer ihres Vaters, was auch heute noch ihr Leben zeichnet und für eine gespannte Beziehung zu ihrem Bruder Paul (Jesse Plemons) sorgt, mit dem sie zusammenlebt. Allein schon ihr verzweifelter Blick auf die Schnapsflaschen im Dorfladen spricht Bände für ihre gebrochene Seele. Sie nimmt sich also des Jungen und seines erschütternden Geheimnisses an – und so beginnt die Situation auf lebensgefährliche Weise außer Kontrolle zu geraten.
Die Motive, mit denen Scott Cooper seinen Film durchzieht, versprechen eigentlich, ihn über eine allseits bekannte Horror-Geschichte hinauszutragen. Ist Julias Engagement auch ein Versuch, das eigene Trauma zu bewältigen? Inwiefern ist die Verwandlung des Vaters nur eine Weiterführung des Normalzustands? Schließlich ist er der Polizei mit seinen Drogenproblemen bekannt. Wie gesagt, eigentlich könnte daraus viel werden. Aber spätestens in der zweiten Hälfte kippt der Film in das Allzubekannte. Was am Anfang noch stimmiger Einstieg war, wird zum typischen Monsterhorror, der das meiste Vielversprechende zurückdrängt. Die Parallelen zwischen Julia und Lucas schweben mehr durch den Raum, als dass sie behandelt werden. Die Geschichte läuft nur noch auf ihren Showdown hinaus (Jumpscares kommen auch noch ins Spiel) und die Traumata werden zum schmückenden Beiwerk. Dann versucht man auch noch in den Folk Horror-Bereich zu wechseln, indem man die Identität der Monster mit einem indianischen Mythos in Zusammenhang bringt. Bei all der gelungenen Vorarbeit ist dieser Schwenk leider ärgerlich. Antlers ist so leider auch wieder einer der Fälle, die man sehr häufig auf der Leinwand sieht. Die Bauteile lassen Großes erahnen, doch das Ergebnis ist nur ein Betonklotz unter vielen. Keine komplette Bruchbude, dazu sind einige Elemente wirklich zu stabil, aber eben ein recht gewöhnliches Gebäude.