Frankreich 2001 · 125 min. · FSK: ab 6 Regie: Eric Rohmer Drehbuch: Eric Rohmer Kamera: Diane Baratier Darsteller: Jean-Claude Dreyfus, Lucy Russell, Alain Libolt, Charlotte Véry u.a. |
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Revolutionäre Aussichten |
Eine Idylle: mild und lindgrün leuchtet die Wiese im Sonnenlicht, von ein paar Bäumen umsäumt, man sieht eine Frau, die über einen Feldweg läuft und räsonniert – über die klassischsten Themen überhaupt, Liebe und Gewalt. Eine vertraute Szene, gerade aus dem französischen Kino. Aber noch nicht einmal auf den ersten Blick erinnert Eric Rohmers neuester Film, Die Lady und der Herzog, an andere Werke des 80jährigen französischen Meisters – im
Gegenteil: Sowohl stilistisch wie vom Sujet her und auch in seinem Verzicht auf humorvolle Leichtigkeit ist der der untypischte des Franzosen seit über 20 Jahren.
Den roten Faden bildet das historische Tagebuch der britischen Aristokratin Grace Elliott, die als Geliebte des bourbonischen Herzogs und späteren Girondisten Philippe »Egalité« von Orleans kurz vor 1789 ins vorrevolutionär gärende Paris kam, und dort die folgenden Jahre erlebte, selbst später nur knapp der
Guillotine entronnen.
Für Rohmer ist diese Liebesgeschichte im mehrfachen Sinn eine Herausforderung: Der teuerste Film, den er je gedreht hat, ist zugleich sein erster Kostümfilm nach Perceval le Gallois. Überdies drehte er erstmals im Studio und auf digitalem Material. Dabei ist der Eindruck, den Rohmer erzeugt, dem vieler anderer Kostümfilme völlig entgegengesetzt: Sein Revolutions-Paris sieht aus, wie Aquarellbilder und colorierte Stiche aus dem 18.Jahrhundert. Doch weil sich diese per Computertechnik in Bewegung setzen, weil die Schauspieler in sie integriert sind, nie wie »davorgesetzt« agieren, ist alles kein steriles Kulissendrama, sondern immer ganz Kino.
Die zweite Herausforderung ist die politische. »Penser la revolution« heißt ein historischer Klassiker, und auch Rohmer denkt die Revolution, wo andere sie nur illustrierten. Allemal als Filmemacher viel politischer, als der erste Eindruck glauben macht, wagt sich Rohmer hier auch inhaltlich einen Schritt aus der Deckung, und setzt sich allein schon durch die Wahl seines Themas dem in seiner Heimat nach wie vor virulenten Diskurs über die Bewertung der Revolution aus. Dabei bietet er eine parteiische, zum Teil platt royalistische Sicht, die man nicht in allem einfach zum antitotalitären Statement verniedlichen kann. Denn Pastellfarben liegen auch auf der Zeichnung edelmütiger Aristokraten, treuer Dienstboten und den ungewaschenen, durchweg nur als brutale Mordbanden geschilderten Sansculotten. Der oft als schnöder Opportunist beschriebene Herzog erhält hingegen bei Rohmer überraschende Würde zurück.
Doch als Zuschauer spürt man, dass diese Sichtweise an der Oberfläche bleibt. Denn jenseits aller politischen Einseitigkeit, gerade in ihrer gewissen Naivität ist die tapfere Herzogin eine typische Rohmer-Heldin: Unbedingt Liebende, glaubt auch sie vor allem an die Macht der Gefühle – und erwartet ebensolches von ihrem Gegenüber. Im politischen Konflikt versteckt sich deswegen der Liebesverrat, und erst, als der Herzog am Ende selbst aufs Schafott steigen muss, überwiegen Liebe und Humanität alle übrige Differenz.