Großbritannien/Deutschland 2011 · 130 min. · FSK: ab 12 Regie: Roland Emmerich Drehbuch: John Orloff Kamera: Anna Foerster Darsteller: Rhys Ifans, Vanessa Redgrave, Joely Richardson, David Thewlis, Xavier u.a. |
||
Leicht entflammbar: Shakespeare bei Emmerich |
Krach, Zack, Bumm – dieses Rezept hat, mehr oder weniger, noch immer hingehauen für Roland Emmerich. Emmerich, im Schwabenland geboren und aufgewachsen, ist ein Zerstörer. Für manche gleich des ganzen Kinos – doch das hieße wohl, ihm, bei allem Respekt, zuviel der Ehre anzutun. Aber in seinen Filmen zumindest doch ein Zerstörer von allerlei: von moderner wie symbolischer Architektur wie des Weißen Haus, des Empire State Building, des World Trade Center und der dazugehörigen liberalen Werte im Kino.
Emmerich wurde in Deutschland zunächst als »Spielbergle von Sindelfingen« belächelt, später dann, als er den Sprung nach Hollywood geschafft hatte, bewunderte man ihn als »Master of Disaster«. Irgendwann einmal, Ende der 90er, nach höchst erfolgreichen Weltuntergangsblockbustern wie Independence Day (1996) und Godzilla (1998), galt er als das nächste große Ding in Hollywood. Dann kam der 11. September 2001, und auf manche wirkte das alles so, als hätten die Terroristen aus Emmerich-Filmen abgepaust. Jedenfalls kam das Hochhaus-Zerstören im Kino für ein paar Jahre aus der Mode.
Emmerich verlegte sich nun darauf die Welt zu retten, drehte einen Ökothriller wie The Day After Tomorrow oder das esoterische Mayakalender-Nostradamus-Apokalyse-Drama 2012, wo er ganz nebenbei, aber diesmal politisch korrekt, wieder mit Wolkenkratzern kegeln konnte – und nebenbei den predigerhaften, konservativ-moralisierenden Zug seines Wesens pflegen, den manche auch bei anderen schwäbischen Landeskindern schon immer als besonders ausgeprägt empfanden.
Nun also Anonymus. Man soll ihn englisch aussprechen, lässt der Regisseur wissen. Weniger spekulativ wird der Titel dadurch auch nicht. Dies ist auf seine Art, nicht weniger ein Katastrophenfilm, als alle anderen Werke des Regisseurs. Nur diesmal handelt er von einer Bildungskatastrophe.
Emmerich schickt seine Zuschauer auf die Klippschule. Er erzählt von Shakespeare und seiner Zeit – aber nicht etwa liebevoll, ironisch, geistreich gar, wie es
John Madden vor 12 Jahren im durchaus freigeistigen Shakespeare in Love tat. Sondern so wie Emmerich es schon immer gemacht hat: Als Zerstörer.
»Den Shakespeare, den wir kennen, gab es gar nicht«, so lautet nämlich die eine Grund-Behauptung des Films, die zweite, schlimmer noch: »Shakespeare war ein Idiot.« Auch in Interviews oder Auftritten wie der »Harald-Schmidt-Show« kann man jetzt
erleben, wie Emmerich den Typus des ungebildeten Bildungswichtigtuers gibt, eines Menschen, der, kaum hat er etwas von einem großen Künstler gehört, erst einmal daran arbeitet, ihn kleinzumachen.
Wie in der Feuerzangenbowle stellt auch Emmerich sich gaaaanz dumm und käut beflissen die wacklige, nie seriös belegte Uralt-These wieder, Shakespeare habe es gar nicht gegeben, in Wahrheit habe wahlweise Christopher Marlowe, Francis Bacon oder Königin Elizabeth höchstselbst die Stücke verfasst, die wir unter seinem Namen kennen. Bei Emmerich war es gar Edward de Vere, Earl of Oxford, der – nun kommt’s – heimliche Sohn von Elizabeth I. Zur Autorenfälschung tritt also auch noch eine Verschwörungstheorie – Pech nur, dass der historische Earl of Oxford bereits lange starb, bevor Shakespeare seine letzten Stücke schrieb.
Aber es geht noch weiter: Der reale Shakespeare, der seinen Namen für den Earl hergibt, sei ein korrupter Depp gewesen, gar nicht in der Lage so komplexe Dramen und erlesene Verse zu schreiben – so zeigt’s der Film. Ein Schlachtfest, bei dem die Kultur geopfert wird, und von Shakespeare nicht mehr bleibt als eine Blutwurst.
Auch hier wieder ein typisches Aufsteigersymptom: Die Helden sind sämtlich die oberen Zehntausend und hochwohlgeborenen Aristokraten die Sympathischen, ihre leibeigenen Knechte, Bauern und die Arbeiter der Lower Classes sind Analphabeten, Angeber, Lügner und Säufer.
Das alles ist, wie immer bei Emmerich schön und teuer, aber auch bieder und beflissen ausgestattet. Und natürlich nur, um all das Schöne baldmöglichst effektvoll zu zerstören: Gleich zu Beginn geht Shakespeares Globe-Theater spektakulär in Flammen auf – und mit ihm jedes ernsthafte Interesse oder Verständnis fürs Theater. Was bleibt ist das kleine, kleingeistige Großkotzkino des Roland Emmerich: Unwissen gepaart mit übergroßer Klappe und viel Klassenbewusstsein. Und überdies erweist sich Emmerich einmal mehr als postmoderner Kulturbarbar: Wissenschaft ist doof. Wahrheit gibt es nicht – stattdessen Pseudowissen: ein Shakespeare für die Massen, die beim Casting für den klügsten Deutschen erst gar nicht mitmachen, auf Shakespeare kein Bock haben und ganz froh sind, wenn ihnen einer noch ein gutes Gewissen gibt und sagt, dass sie das auch nicht müssen.
Ist es auch Schwachsinn, hat es leider doch – Methode.