Finnland/D 2017 · 98 min. · FSK: ab 6 Regie: Aki Kaurismäki Drehbuch: Aki Kaurismäki Kamera: Timo Salminen Darsteller: Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Janne Hyytiäinen, Ilkka Koivula, Nuppu Koivu u.a. |
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Willkommen bei McDonalds in Helsinki |
»Born on the bayou, born on the bayou, born on the bayou.«
(Creedence Clearwater Revival, Born on the Bayou)
Hätte Aki Kaurismäki nicht schon nach seinem großen Erfolg Leningrad Cowboys Go America (1989) verkündet, dass es nun Schluss sei mit dem Filmemachen und dann gleich noch ein paar weitere Male, vielleicht hätte sich dann wirklich so etwas wie eine Nachruf-Stimmung eingestellt. Eine Stimmung, die ja zudem auch ganz gut passt zum Werk des Finnen. Denn fast jeder seiner Filme war bei allem skurrilen Humor immer auch von der Melancholie des Abschieds durchdrungen. Obwohl das vielleicht auch nur ein großes Missverständnis ist, denn wer einmal mit dem Fahrrad durch Finnland gefahren ist und an unzählige Türen geklopft hat, um nach Wasser oder einem Platz zum Schlafen zu fragen, weiss, dass Kaurismäkis Welt vielleicht gar nicht so sehr hermetische Kunstwelt als ein ziemlich präziser ethnografischer Abdruck eines nationalen Befindens ist.
Lassen wir das also mit dem Abschiednehmen, mehr noch, als Kaurismäki fast im gleichen Atemzug auf der diesjährigen Berlinale gesagt hat, dass Die andere Seite der Hoffnung nach Le Havre (2011) nun der zweite Teil seiner Flüchtlingstrilogie sei. Und wo drei gesagt wird, sollte am Ende auch drei stehen.
Ähnlich wie in Le Havre flutet Kaurismäki auch in Die andere Seite der Hoffnung die Flüchtlingthematik konsequent mit seinen Regeln, seinem Stil und seinem Geschmack. Böse Zungen mögen Kaurismäki deshalb inzwischen vorwerfen, seine Filme seien so Stil- und geschmackskonsistent wie die weltweit von McDonalds vertriebene Produktpalette und wenn man sieht wie in dem zweiten Teil seiner Flüchtlingstrilogie der in Helsinki anlandende syrische Flüchtling Khaled (Sherwan Haji) sein Arabisch so unterkühlt spricht wie der finnische Handelsvertreter und Restaurantbesitzer Waldemar Wikström (Sakari Kuosmanen) sein Finnisch und sich auch ihre Gebärdensprache kaum voneinander unterscheidet, ist man tatsächlich versucht diesen Kritikern Recht zu geben.
Doch Kaurismäki hat es bislang immer verstanden, neben seiner mal poetischen, mal märchenhaften Verdichtungen und seinem nationalen Fußabdruck auch klare politische Statements in seinen Filmen unterzubringen. Ihm gelingt das auch in Die andere Seite der Hoffnung: mal ist es die Bombardierung von Aleppo, die über eine Fernsehreportage eingeblendet wird, dann wieder die mechanistisch-bürokratische Abwicklung und Abschiebung von Flüchtlingen oder die Gefahr durch Rechtsradikale. Doch sind diese Realo-Elemente derartig massiv in das emotionale Farbenspektrum Kaurismäkis getaucht, dass sie den Stoff nicht zum Zerreißen bringen, sondern dem Zuschauer die Wahl lassen, sich eher sommer- oder winterlich zu kleiden, sie die Realo-Bezüge überhaupt setzen wollen, oder ihnen der Kern der kaurismäkischen Poesie schon genug ist.
Und nicht zuletzt spannt Kaurismäki mit seinem in den 1950ern verhafteten Hauptdarsteller Waldemar und dessen obsolet werdender Tätigkeit als Handelsvertreter einen weiteren, sehr subtilen Faden, der bislang jede Kritik an Migration ad absurdum geführt hat und der in Die andere Seite der Hoffnung besonders spielerisch vor Augen führt, dass notwendige gesellschaftliche Erneuerung durch Migration nicht verhindert, sondern vielmehr auf ungeahnte Weise kreativ gefördert wird.