Schweiz/Ö/PL 2017 · 94 min. · FSK: ab 12 Regie: Greg Zglinski Drehbuch: Jörg Kalt, Greg Zglinski Kamera: Piotr Jaxa Darsteller: Birgit Minichmayr, Philipp Hochmair, Mona Petri, Mehdi Nebbou, Michael Ostrowski u.a. |
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Rätsellösen mit Minichmayr |
Die Autorin Anna (Birgit Minichmayr) und der Koch Nick (Philipp Hochmair) fahren von Wien in die französische Schweiz, um ein halbes Jahr Auszeit zu nehmen. Ihre Beziehung ist angeschlagen. Anna leidet unter einer Schreibblockade, und Nick ging bis kurz vor der Abreise mit der Nachbarin Andrea (Mona Petri) fremd.
Unterwegs auf der Fahrt im Auto lösen kleinere Scherze allmählich die anfängliche Spannung. Im Radio erklingt ein fröhliches Liebeslied. Alles scheint gut. Dann brausen Anna und Nick in die schier unendlich lange Betonröhre eines Bergtunnels hinein. Ein Rotfilter verstärkt die beklemmende Atmosphäre, und die heitere Musik weicht einem unheimlichen Dröhnen. Vor dem Tunnel war es noch Tag. Doch am Ende der Röhre erwartet die beiden eine pechschwarze Nacht. Ihre Sicht reduziert sich auf die weißen Streifen auf dunklem Asphalt. Herzlich willkommen auf dem Lost Highway!
David Lynchs gleichnamiger kryptischer Psychothriller von 1997 gehört zu den deutlichen Referenzpunkten der genau zwanzig Jahre später entstandenen schweizerisch-österreichisch-polnischen Koproduktion unter der Regie von Greg Zglinski. Ähnlich, wie Lynch, so breitet auch Zglinski in Animals – Stadt Land Tier ein vielschichtiges und verwirrendes Geflecht aus unterschiedlichen Realitäts- und Zeitebenen vor dem Zuschauer aus. Die einzelnen Handlungssplitter sind nicht über schlüssige Zusammenhänge, sondern über ein freies Assoziationsspiel von sich wiederholenden, doppelnden und spiegelnden Motiven miteinander verknüpft. Dabei kommt den titelgebenden Tieren eine zentrale Rolle zu.
So spielen Anna und Nick auf der Fahrt »Stadt Land Fluss«. Als sie gerade bei dem Oberbegriff »Tiere« angelangt sind, übersehen sie ein auf der Fahrbahn stehendes Schaf, was einen Unfall verursacht. Diese Szene wird sich später in leicht variierter Form wiederholen. Doch bereits vor dieser Wiederholung sieht Anna einen Zeitungsbericht von dem zweiten Unfall. Sie wundert sich über in dem Zeitungsartikel enthaltene unstimmige Details, da sie natürlich annimmt, dass sich dieser Artikel auf den ersten Unfall bezieht.
Visionen zukünftiger Ereignisse hat ebenfalls die Nicks Ex-Geliebter Andrea bis aufs Haar gleichende Mischa (ebenfalls Mona Petri), die in Abwesenheit von Anna und Nick deren Wiener Wohnung hütet. Dort hört sie aus einem dunklen, leerstehenden Zimmer merkwürdige Geräusche kommen. Genau das Gleiche erlebt Anna in der Schweizer Hütte. Die Milchglasscheiben der Türen zu den mysteriösen Räumen erscheinen identisch.
Animals – Stadt Land Tier ist am ehesten als ein absurder Trip tief hinein in Annas gestörte Psyche deutbar. Zugleich widersetzen sich zahlreiche Elemente auch dieser Interpretation. Auch in dieser Beziehung wirkt Animals – Stadt Land Tier wie die Alpendramaversion von Lost Highway, der sich ebenfalls jedes Mal erneut einer schlüssigen Deutung entzieht, sobald man glaubt, das Puzzlespiel entschlüsselt zu haben.
Deshalb sollte man sich beim Anschauen von Animals – Stadt Land Tier am besten einfach entspannt zurückzulehnen und das dargebotene Schauspiel genießen. Denn zu genießen gibt es in diesem Mysterydrama sehr viel: Von den markant in Szene gesetzten Bildern, über die überraschenden Kameraschwenks und perfekten Schnittfolgen bis hin zum naturalistischen Spiel von Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair ist alles perfekt.
Doch ähnlich, wie bei dem gleichfalls äußerst gelungenen Alpenhorrorfilm Ich seh, ich seh, ist die Verbindung aus einem starken Realismus und einer unterkühlten Grundstimmung mit dem zentralen Mysterythema nicht restlos befriedigend. Die starke Verwurzelung im Alltäglichen verhindert, dass diese Filme auf ähnliche Weise in ganz eigene Sphären abheben, wie es für die Filme von David Lynch kennzeichnend ist.
Es fehlt die ungehemmte Überhöhung hinein ins Mythische, eine positive Seite des klassischen Hollywoodkinos, die gerade der so originelle Filmemacher David Lynch so sehr schätzt. Somit wirkt ANIMALS – STADT LAND TIER schlussendlich lediglich wie eine Kleinbürgerversion von Lynchs unendlich faszinierenden surrealen Filmkunstwerken.