Österreich 2004 · 115 min. · FSK: ab 16 Regie: Götz Spielmann Drehbuch: Götz Spielmann Kamera: Martin Gschlacht Schnitt: Karina Ressler Darsteller: Petra Morze, Andreas Patton, Hary Prinz, Susanne Wuest, Dennis Cubic, Andreas Kiendl u.a. |
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Petra Morze und Andreas Patton |
Ein Autounfall steht am Anfang. Diese alltägliche, kleine Katastrophe wird, ganz am Ende, die Figuren dreier Episoden miteinander verbinden. Und so zufällig sie sein wird, wenn sie sich ereignet, so notwendig erscheint sie dann auch im Licht der vorangegangenen Ereignisse. Denn alle drei Schicksale, die sich in Antares – Studien der Liebe miteinander verknüpfen, wirken wie eine einzige rasende Fahrt auf einen Abgrund zu.
Alle drei leben in einer Wiener Trabantenstadt: Die bürgerliche Professorengattin (Petra Morzé), die als Krankenschwester arbeitet. Ihr Mann ist ein Langweiler und hat seine Leidenschaften längst in seine Liebe zur klassischen Musik kanalisiert, sie beginnt eine Affaire mit einer Gelegenheitsbekanntschaft, die sie sexuell so erfüllt, dass sie aus der Ehe ausbricht. Die zweite Geschichte handelt von einer Supermarktkassiererin (Susanne Wuest). Sie ist zwanghaft,
allerdings trotzdem begründet eifersüchtig, denn ihr Freund betrügt sie mit der Nachbarin. Um ihn an sich zu binden, spielt sie ihm eine Schwangerschaft vor.
Von Anfang an die abgründigste Figur ist der heruntergekommene Immobilienmakler Alex (Andreas Kiendl), ein Borderline-Charakter, der seine Aggressionen an seinen Mitmenschen, zuletzt an sich selbst auslässt und immer kurz vor dem Amoklauf steht.
Götz Spielmanns Antares – Studien der Liebe knüpft formal und atmosphärisch an andere Filme an, die in den letzten Jahren aus Österreich ins deutsche Kino kamen: Die kühl-realistischen, mit einer gewissen Lust an der Entlarvung durch Genauigkeit arbeitenden Werke Michael Hanekes und Ulrich Seidls, noch mehr aber die vielleicht liebevolleren, aber nicht minder präzisen Filme Barbara Alberts kommen einem in den Sinn. Der Titel bezieht sich auf eine
rotleuchtende Supernova im Sternbild »Skorpion«.
Wie der Untertitel besagt, handelt es sich um »Studien der Liebe«. Mit Genauigkeit und Konsequenz erzählt Spielmann diesen Reigen aus der menschlichen Alltagshölle. Anstatt die drei Episoden parallel zu erzählen, stellt Spielmann sie hintereinander – und gerade dadurch erkennt der Zuschauer ihr Vernetztsein. Ein faszinierender Film, der unter die Haut geht.
Drei Geschichten, die sich am Rande berühren. Hintereinander erzählt und doch geprägt von Gleichzeitigkeit. Antares – Studien der Liebe entwickelt sich langsam, fast schwerfällig. Drei Wohnungen in einem Wohnblock sind Ausgangspunkt und der Wohnblock sieht nicht nur deprimierend hässlich aus, sondern er wird zum Überbau der Geschichte:
»Die drei Wohnungen haben (...) exakt denselben Grundrisswas im übrigen fast niemand bemerkt hat, weil die darin wohnenden Paare völlig verschiedene Charaktere sind und völlig verschiedenen Konflikte erleben. Und darum ging es mir auch: zu zeigen, wie die individuelle Energie die gesellschaftliche Monotonisierung und Standardisierung verweigert.«, so Regisseur Götz Spielmann im Interview.
Und es stimmt, man bemerkt denselben Grundriss nicht, stattdessen wirkt jede Einrichtung wie eine Alltagsdepression. Doch darauf verlässt Spielmann sich nicht. Es werden nicht nur Sehnsüchte und Dramen inszeniert, sondern auch mit Humor und klarem Blick Fixpunkte gezeigt, die den Zuschauern eine Identifikation ermöglichen. Vor allem mit kleinen Gesten, ohne große Worte. Es klingt banal, aber da hat selbst das Meerschweinchen im Käfig seinen festen Platz, wie auch der Handyklingelton des unglücklichen Immobilienmaklers.
Es ist witzig, wenn dieser mit seinem neuem Auto zu einer Prostituierten hinfährt, nur um ihr zu sagen, dass er es doch gar nicht nötig habe für das ficken zu bezahlen. Dieses Paradox der Sehnsüchte, das sich an der Realität reibt.
Eine wirkliche Spannung gelingt dem Film aber erst ab der zweiten Episode, denn dort werden dramaturgische Fährten eingelöst und wir erkennen die Verknüpfung der Personen. So bleibt der Film nicht bei einer reinen Beschreibung, sondern beleuchtet aus den verschiedenen Perspektiven ein und dieselbe Situation. Eröffnet Einblicke in die verschiedenen Motivationen und entlarvt seine Figuren.
Es fängt an mit Eva, die ein alltägliches Familienleben mit ihrem Mann und ihrer
Teenagetochter hat. Bis der Anruf von Tomasz kommt, ein Liebhaber aus früheren Zeiten, zu Besuch in ihrer Stadt. Sie muss nicht lange überlegen, trifft ihn in seinem Hotelzimmer und dort wird ohne viele Worte das Begehren ausgelebt, was ihr zu Hause fehlt.
Die Supermarktkassiererin Sonja dagegen liebt ihren Freund Marco mit einer krankhaften Eifersucht. In der Hoffnung ihn besser an sich binden zu können, gibt sie vor von ihm schwanger zu sein. Aber wie ein langsames Gift träufelt sich die Eifersucht in ihre Gefühle und demütigt sie, indem sie Beschuldigungen ausspricht, die keine Basis haben. Trotzdem hat sie recht, Marco betrügt sie, aber wie und mit wem wird ihr erst am Ende klar und da entscheidet sie sich für Selbstmord als Hilferuf. Und dann ist da noch Nicole, die mit ihrem kleinen Sohn im Wohnblock lebt. Sie ist die Geliebte von Marco, wird aber regelmäßig von ihrem Ex-Mann Alex drangsaliert. Alex kann nicht wahrhaben, dass Nicole seine Gefühle nicht mehr erwidert. Sie muss verstört sein, sonst würde sie erkennen, dass er ihr Glück ist. Zur Not beweist er ihr das auch mit Schlägen, um sie vor sich selbst zu schützen.
Was hier in groben Zügen nachgezeichnet ist, wird im Film in subtilen leichten Verknüpfungen dramaturgisch aufgelöst und macht Vergnügen. Antares ist nicht nur soziales Drama, trotz der Tristesse des Wohnblocks, bleibt genug Hoffnung und Witz um nicht in ein Betroffenheitsdrama abzurutschen, das es uns erlauben würde zu sagen: Ja, die anderen sind schon arme Schweine.