USA 2016 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Denis Villeneuve Drehbuch: Eric Heisserer Kamera: Bradford Young Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O'Brien u.a. |
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Sprache als Protagonist |
Eigentlich war das zu erwarten gewesen. Dass auch Denis Villeneuves Beschäftigung mit dem Genre Science Fiction etwas hervorbringt, dass so unkonventionell ist, wie seine Beschäftigung mit den zahlreichen Facetten des Thrillers. Sei es Prisoners (2013), Enemy (2014) oder Sicario (2015), jeder dieser Filme wartete mit einer fast somnambulen Überraschung auf, unterwanderte das Genre und bediente es gleichzeitig, aber überraschend auf einer unerwarteten Ebene.
Nicht anders ist das auch mit Arrival, Villeneuves filmischer Umsetzung von Ted Chiangs mit dem Nebula- und Sturgeon-Preis ausgezeichneter Kurzgeschichte, die sich vor allem mit der Schnittstelle von Vorhersehung und der Sapir-Whorf-Hypothese befasst. Im Zentrum von Chiangs Geschichte und Vielleneuves Film steht die Linguistin Louise Banks (Amy Adams), die hinzugezogen wird, als zwölf muschelähnliche, außerirdische Raumschiffe auf der Erde landen. Zusammen mit dem Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) bildet sie das Kernkompetenz-Team, das mit den Außerirdischen kommunizieren soll, die in den USA gelandet sind. Eingebettet sind diese Kontaktversuche in eine weltweite Panik, die nicht nur innerhalb der jeweiligen Ländern eskaliert, sondern die auch zunehmend die Zusammenarbeit zwischen den Ländern in Frage stellt.
Diese erzählerische Klammer benutzt Villeneuve geschickt, um mit dem Blockbuster-Konzept für dystopischen Science Fiction zu spielen, denn diese Bilder kennen wir alle zur Genüge: die Armee, die sich mehr und mehr der Irrationalität der Massen und ihrer Führer zu beugen hat, knatternde Hubschrauber und erschreckende Warnsignale einer möglicherweise nur Böses wollenden Invasion aus dem All.
Aber jedes Mal, wenn Villeneuve diese erzählerischen Geschütze auffährt, unterwandert er sie auch schon wieder; zitiert er für Augenblicke sogar die romantische Komödie an, konzentriert er sich auf die innere Wahrnehmung von Louise. Und plötzlich ist Arrival kein Science Fiction mehr, sondern eine parallele Coming-of-Age-Geschichte von Louise und ihrer Tochter und im nächsten Moment dann ein Thriller, dessen Hauptprotagonist die Sprache und Whorfs Hypothese ist, die besagt, dass Sprache das Denken (und damit unsere Realität) formt. Doch als wäre auch diese Idee noch zu simplex, gelingt es Villeneuve auch hier noch einmal mit dem Kunststück zu überraschen, die Geschichte den normalen Zeitabläufen zu entziehen, eine faszinierende, poetische und berührende Zeitreisegeschichte zu erzählen und gleichzeitig die Sapir-Whorf-Hypothese auf ihre philosophische Alltagstauglichkeit zu prüfen.
Dass Arrival trotz dieser anspruchsvollen Gratwanderung dennoch ein spannender, aufregender Film ist, liegt allerdings nicht nur an der intelligenten Kernerzählung und dem hervorragenden Drehbuch von Eric Heisserer und Villeneuves unkonventionellen Methoden Erwartungshaltungen zu unterlaufen. Vor allem der erste Teil – der am ehesten dem Filmtitel »Arrival« entspricht – beeindruckt mit einer Intensität, die ohne das Musik- und Sounddesign von Jóhann Jóhannsson undenkbar wäre. Jóhannsson entwickelt über »Klangsprachen« ein Spannungsfeld, das selbst in den »philosophisch-wissenschaftlichen« Momenten seine Kraft nicht verliert; im Gegenteil diese Momente überhaupt erst fassbar macht, sich dann aber auch wieder den Handlungselementen unterwirft und erst am Ende von Arrival wieder eine dominante Rolle spielt und dem nur von Amy Adams beunruhigender, flirrender Intensität Paroli geboten wird. Den Höhepunkt erreicht dieses Zusammenspiel zweifelsohne in dem erzählerisch-kongenialen Moment, als Louise die Sprache der außerirdischen »Heptapoden« in ihrer grenzüberschreitenden Komplexität erfasst hat und auch ihre Realität nun auf »multiplexen« Füßen steht.
Man kann sich darüber streiten, ob Villeneuve den emotionalen Bogen an dieser Stelle überspannt, in dem er ein letztes Mal die tragische Komponente ins Spiel bringt, was es bedeutet »zu viel zu wissen«, aber nach der theoretischen, finalen Achterbahnfahrt, scheint mir gerade das wie eine ideale Belohnung.