Hongkong 1988 · 102 min. Regie: Wong Kar-wai Drehbuch: Wong Kar-wai Kamera: Andrew Lau Darsteller: Andy Lau, Maggie Cheung, Jacky Cheung, Alex Man u.a. |
Wong Kar Wai ist hip. Vor zwei Jahren wurde der Regisseur mit Fallen Angels bei der Berlinale über Nacht zum Star aller Hongkongfilmer. Hongkongfilmer heißen so, weil ihre Filme in Hongkong, also von einer der weltgrößten Filmindustrien, produziert werden, und trotzdem in Europa einen Poetenbonus haben. Mitunter sogar zu recht, wie Fallen Angels damals gezeigt hat, der von einem melancholischen, also typischen Auftragskiller handelte. Man hätte Wong Kar Wei damals vielleicht nicht gleich mit Godard vergleichen und zum Kultregisseur erklären sollen, vielleicht hätte er dafür dann danach bessere Filme gemacht. Erspart geblieben wäre uns in jedem Fall die nachträgliche Aufführung jedes einzelnen Filmfitzelchens, den Wong Kar Wei vor Fallen Angels fabriziert hat, und der früher aus möglicherweise sehr guten Gründen nie auch nur in ein einziges westliches Kino gekommen wäre.
Schon Chungking Express war eigentlich hektisch und langweilig, funktionierte aber immerhin noch über seinen MTV-Touch (MTV ist ja genaugenommen auch hektisch und langweilig) und darüber, daß man wissen wollte, ob Wong Kar Wei immer so gut ist, wie in seinem Berlinale-Erfolg. As Tears Go By und Days of Being Wild -die zwei neuen Fälle, bei denen die Verwertungszwänge der Ökonomie und der Mode wieder einmal alles andere dominieren- beweisen: er ist zwar so gut, aber genau hierin liegt das Problem.
Denn im Prinzip dreht Wong Kar Wei immer den selben Film, mit immer den selben Figuren in der selben Stadt mit der selben -insbesondere regnerischen- Atmosphäre. Das ist alles gar nicht schlecht. Nur nutzt es sich ab.
Es stimmt schon
alles, was man lobend über Wong Kar Wei sagt: Lichter de Großstadt, Film Noir, Godard, von allem nimmt der Regisseur und Autor eine Prise. Aber auch nur das, und irgendwie machen drei leckere Zutaten noch lange keine gute Suppe.
As Tears Go By erzählt die Geschichte zweier Freunde. Fly ist ein irrationaler Hektiker, der keine Freundin hat, zum Loosertum neigt und sich immer wieder neue Probleme einhandelt. Der coole Wah hat eine Freundin, ist auch sonst ganz
anders, und aus unerfindlichen Gründen trotzdem Flys Freund – selten hat man so ungleiche Freunde im Kino gesehen, aber wenn es keine deutsche Komödie ist, sondern um Chinesen geht, die bekanntlich ganz anders sind, und überdies Schlitzaugen haben, findet man das hierzulande plötzlich skuril. Weil alles im Mafia-Milieu spielt, führen Flys Schwierigkeiten irgendwann zu Mord und Totschlag, Wah kann ihn nicht mehr retten, und hat nur noch die Wahl zwischen seiner netten Freundin
und dem dummen Freund. Weil As Tears Go By letztlich die pathetische Feier eines Männerbundes ist, tut Wah das Falsche.
Days of Being Wild ist differenzierter und klüger. Zugleich aber wirkt hier wirklich alles wie eine Skizze zu Fallen Angels: Verzweifelte Lonely-Hearts der Großstadt,
in sehr schönen Bildern verfilmt. Die Erzählweise ist aphoristisch, der Tenor der, daß das moderne Leben uns alle zur Schwermut und Einsamkeit verdammt. Existentialismus tropft aus jeder Regenwolke. Man merkt, daß Wong Kar Wei Camus-Leser ist, denn wie der französische Schülerautor neigt er zum Dozieren und zum Kitsch. Aber wie Albert Camus ist er auch nicht wirklich schlecht. Man hat nur das Gefühl: alles schon gesehen, und zwar besser.