Deutschland/F 2018 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Margarethe von Trotta, Felix Moeller Drehbuch: Margarethe von Trotta, Felix Moeller Kamera: Börres Weiffenbach Schnitt: Bettina Böhler |
||
Unangenehme, schmerzhafte Eindrücke... |
Ingmar Bergman – selbst wer in den 70ern noch ein Kind war, kannte seinen Namen, hatte von dem »Skandalregisseur« gehört, wie solche Leute damals genannt wurden, wusste, dass es da einen Film gab, der Szenen einer Ehe hieß, in den die Eltern rein gingen und sich danach noch mehr stritten als vorher.
Margarethe von Trotta war in den 70er Jahren schon erwachsen, und man würde sich von einem Film von ihr über Ingmar Bergman erwarten, dass sie da ihre Sicht der Dinge erzählt, dass sie uns eine Vorstellung davon verschafft, wie man damals diese Filme sah – genau im Post-68-Moment –, als junge Frau, als Verheiratete, als Linke, worin die Faszination für diesen Regisseur lag, der ja erstmal ziemlich bürgerlich daherkam, warum man sich den Launen seines Protestantismus aussetzte, seinem Moralismus, seiner Rechthaberei und seinem, ja: Sadismus. Die schönen Kameraeinstellungen seiner Filme erklären das ja nicht allein.
Vielleicht wäre es auch nach unzähligen Fernseh-Porträts und nach einer Handvoll überaus wohlwollender Hommagen durch kollegiale Bewunderer wie Michael Winterbottom und Olivier Assayas mal an der Zeit, einen Film zu machen, der Bergman nicht immer wieder als »Genie« und »größten Filmemacher aller Zeiten« porträtiert, sondern ihn vom Marmorsockel holt, oder der zumindest solche Etiketten ein bisschen in Frage stellt und relativiert.
Margarethe von Trotta hat leider so einen Film nicht gemacht, obwohl sie sich damit den Adorno-Preis der Stadt Frankfurt, den sie gerade für nicht wenige überraschend zugesprochen bekam, sogar verdient hätte.
Stattdessen ist Auf der Suche nach Ingmar Bergman ein Film, den man sich gut ansehen kann, der einem einiges über Bergman erzählt, »ehrenwert« wie man so sagt, aber doch auch überraschend bieder und ein bisschen langweilig. Ein Roadmovie, bei dem
Trotta an der schwedischen Küste steht und dann – Schnitt – ein junger Max von Sydow in einem Bergman-Film an etwa der gleichen Küstenstelle aus dem Wasser steigt; ein Film bei dem Trotta dann auch Olivier Assayas und Ruben Östlund aufsucht, weil die auch zu Bergman irgendwas denken, und wenn nicht, es trotzdem klug formulieren können; ein Film bei dem Trotta mit Liv Ullmann im Wohnzimmer und mit Stig Björkman auf seinem Balkon sitzt und über Bergman redet und wie toll er war.
Sätze, die dem großen Meister nicht gefallen hätten, fallen hier nie. Ein Film, wie er für das Jubiläumsjahr vom Bergmans 100. Geburtstag halt gemacht wird.
Und natürlich ist es großartig, was zum Beispiel Assayas im Interview sagt – was aber eben an Assayas liegt, der immer großartig ist. Auch Ullmann und anderen hört man gern zu. Aber das alles kratzt kaum an der Oberfläche, und was ein junger rebellischer Bergman über diesen Film gesagt hätte, oder eine junge Trotta, oder Adorno, das möchte man lieber nicht wissen.
Trotta gibt nicht nur zu wenig Antworten, sie stellt auch die wirklich spannenden Fragen nicht. Spannend wäre gar
nicht die Majestätsbeleidigung, sondern vielleicht die Frage, warum Bergmans Ästhetik und Geschichten im aktuellen Kino kaum eine Rolle spielen? Was jüngere Regisseure heute über Bergmans Filme denken? Aber solche Fragen tun weh, auch der Regisseurin, und darauf hatte sie offensichtlich keine Lust.
Schwarzseher antworten auf die saloppe Frage, „Wie geht’s?“, oft trocken: „Echt scheiße!“ Bei vielen Fragen denken sie länger nach, anstatt sofort blumig zu antworten. So entstehen quälende Gesprächspausen.
Echte Schwarzseher fragen sich selbst und andere: Hat das Leben einen Sinn? Gibt es Gott? Was passiert nach dem Tod?
Ein selbstbewusster Schwarzseher kann allein eine Party crashen. Dann bekommt er den vertraulichen Rat, professionelle Hilfe
zu suchen. Nach einer Gesprächstherapie oder einem Antidepressivum auf dem aktuellen Stand der Glücksforschung soll alles besser werden. Und auf die Frage, „Wie geht’s“ lautet die heitere Antwort: „Super!“
Auffällig ist, dass fast alle Genies Schwarzseher waren. Einer der Schwärzesten würde am 14. Juli 2018 Geburtstag feiern. Da es sein 100. wäre, ist er schon gestorben.
Es ist der schwedische Regisseur Ingmar Bergman.
Doch seinen Filmen schadet es nicht, dass sie hartnäckig um den Tod kreisen. Und um alles andere, das uns den Tag verderben kann. Unter einer dicken Staubschicht leben sie munter weiter. Finden neue Fans und ermuntern junge Menschen, Künstler zu werden.
Obwohl sich in Bergmans Dramen auch nur Schwarzseher tummeln. Miesepeter, Unkenrufer, Spielverderber und Menschenfeinde. Genau darum bereitet es Vergnügen, sie zu sehen. Außerdem gibt es noch Bergmans Komödien. Deren Humor nicht daraus entspringt, dass man alles Traurige einfach ausblendet. Im Gegenteil! Darum bereiten sie noch viel mehr Vergnügen.
Für sein Porträt in Auf der Suche nach Ingmar Bergman schöpft die Regisseurin Margarethe von Trotta wirklich aus dem Vollen. Nicht nur ehemalige Mitarbeiter, Schauspieler/innen und Teammitglieder geben interessante Einblicke in Ingmar Bergmans Arbeitsweise und Persönlichkeit.
Bei den Schilderungen seiner Familienmitglieder wird schmerzhaft deutlich, dass er ein genialer und hoch dekorierter Regisseur war, aber ein abwesender, kaltherziger,
egoistischer Gatte und Vater. Auch dieser Widerspruch zwischen Werk und Privatleben ist nichts Neues. In seiner Konsequenz und Tragik ist er selten so gut zu sehen.
Tragisch soll es auch enden, wenn Paare sich gemeinsam Szenen einer Ehe ansehen. Man munkelt, beim Gespräch über diesen Film gehen Beziehungen sackweise den Bach runter wie Lemminge, die über Klippen springen. Weil die Partner die Wahrheit nicht aushalten? Oder weil Wahrheit und Glück ein ähnliches Verhältnis haben wie Feuer und Wasser? Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Achtung! Achtung! Vorsicht! Schlechte Laune Alarm! Unangenehme, schmerzhafte Eindrücke hinterlässt auch diese Doku. Denn die Regisseurin porträtiert nicht nur Bergman und seine Arbeit, sondern stellt sich selbst neben ihn, als sei sie ebenbürtig. Stirnrunzeln löst zum Beispiel aus, wie Trotta ausbreitet, dass Bergman ihren Film Die bleierne Zeit zu seinen Lieblingsfilmen zählte. So weit, so korrekt... Aber muss sie drauf beharren, dass sie die einzige Regisseurin auf der Liste ist und die einzige, die noch lebt? Angesichts der Genderdebatte ist es üblich, Männer und Frauen durchzuzählen – für den Proporz. Manchmal wirkt es, als solle ein Krieg zwischen den Geschlechtern angezettelt werden. Will die Regisseurin mit ihrem penetranten Eigenlob eine neue Front eröffnen? Die Lebenden gegen die Toten?
Egal, ob Schwarzseher oder Optimist, wer Lust drauf hat, Ingmar Bergmans Filme im Kino zu sehen, der kann sich mal so richtig freuen, juhuh! Bei den nächsten Filmkunstwochen läuft eine großartige Retro des angeblich besten Regisseurs aller Zeiten. Auf jeden Fall des Regisseurs mit der schlechtesten Laune...