Japan 1999 · 115 min. · FSK: ab 18 Regie: Takashi Miike Drehbuch: Daisuke Tengan, Ryu Murakami Kamera: Hideo Yamamoto Darsteller: Renji Ishibashi, Ryo Ishibashi, Miyuki Matsuda, Eihi Shiina |
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Spritze gefällig? |
Es gilt, einen Regisseur zu entdecken. Er heißt Takeshi Miike, und kommt aus Japan. Seit zehn Jahren macht er Filme, zumeist Genreproduktionen, die man in Europa nicht sehen konnte. Doch jetzt hat Audition seinen Weg glücklicherweise auch ins deutsche Kino gefunden, und in wenigen Wochen wird ein zweiter Film des Regisseurs, Dead or Alive, gezeigt werden. Selbst wer nur von diesen beiden Werken dieses weitgehend unbekannten Autors ausgeht, kann mit Sicherheit sagen: Es werden nicht die letzten sein, und ihr Besuch lohnt sich. Denn man hat es mit einem bedeutenden Regisseur zu tun, einem, der den Zuschauern einzigartige, unvergessliche Kinoerfahrungen beschert, die auch an Rang, Reife und Können vergleichbar mit den anderen ganz großen Asiaten des Weltkinos: Wong Kar-wai, Takeshi Kitano, Ang Lee.
Seit seiner Erfindung träumt das Kino von schönen Frauen. Und Audition nimmt diesen Traum auf, um ihn in eine Endzeit-Parabel zu verwandeln, über das Verhältnis von Liebe und Gewalt, Männern und Frauen, und über kulturelle Obsessionen der japanischen Gegenwartsgesellschaft.
Am Anfang steht der Tod. Wie eine traumhafte Erinnerung sieht man einen kleinen Jungen auf dem Weg zum Sterbebett seiner Mutter. Er kommt zu spät. Viele Jahre danach steht er mit
seinem Vater Aoyama am Meer. Ein scheinbar unbeschwerter Angelausflug, und der Jüngere neckt den Älteren: »Wieder kein Glück, Papa?« – »Du verstehst das nicht, ich will nur die Großen fangen. Man nennt das Romantik.«
Zunächst erscheint das wie eine ein bisschen zähe und verquatschte Komödie, gespickt mit den üblichen Gesellschaftsdiagnosen: »Ganz Japan ist einsam«, »Japan ist am Ende«, usf. Doch plötzlich schlägt alles um. Der einsame Witwer Aoyama hat durch einen kleinen Betrug
– er gibt sich als Filmemacher aus, und veranstaltet ein Schein-Casting – eine Reihe von Frauen kennengelernt. In eine von ihnen, die sanfte, märchenhafte Asami – »schön, vorzeigbar und gehorsam«, also nach nicht nur japanischen Maßstäben eine Idealfrau – verliebt er sich.
Was dann passiert, ist in Worten nicht angemessen beschreibbar. Nur soviel: Aus der Komödie wird ein Horrorfilm, und die Obsession japanischer Männer für junge Frauen wird grausig
bestraft. Der Sadismus hat das Antlitz eines schönen Mädchens, die mit Kindchenstimme die schlimmsten Foltern verkündet: »Erst durch Schmerzen wird uns bewusst, was wir für Menschen sind.« Und ein paar einfache Wahrheiten: »Leben ist eine Art sterben«, »Ohne Füsse kann man nicht laufen.« Noch lange nach dem Film hallt ihr heller Ton nach: »kille, kille, kille.«
Vieles liegt darin: natürlich auch eine Reflexion über das Dasein als Filmregisseur, natürlich auch die Einbildung von Männern, alles beherrschen zu können – »Falls es Probleme gibt, werde ich schon damit fertig« täuscht sich Aoyama –, die heimlichen Ängste der Männer vor den Frauen, dann die ganzen Betrügereien und Täuschungen, die das Verhältnis von Männern zu Frauen durchziehen, und die alle Strafe verdienen. Wir erkennen, oder glauben zumindest, es zu tun, dass Aoyama doch etwas weniger sanftmütig ist, als man erst glauben konnte. Aber es bleibt ein Geheimnis bestehen.
Bei der Konstruktion, die bis zum Ende offenläßt, was hier Traum sein soll, und was Realität, darf man an Lynch denken, der auch darüber nachforschte, was Bilder im Kopf anrichten. »Eines Tages werden sie entdecken, wie freundlich das Leben ist« heißt es am Ende. Davor muss man Audition sehen, einen Film, der überhaupt nichts für schwache Nerven ist – und zugleich ein Meisterwerk.