Frankreich/Spanien 2002 · 121 min. · FSK: ab 6 Regie: Cédric Klapisch Drehbuch: Cédric Klapisch Kamera: Dominique Colin Darsteller: Romain Duris, Judith Godrèche, Audrey Tautou, Cécile de France u.a. |
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Der studentische Europudding |
Es ist manchmal schwer, herauszufinden, was man will und nur wenig einfacher, zu merken, was man nicht will. Mit dieser Suche verbringen Menschen einen wichtigen Teil ihres Lebens und irgendwie findet man seinen Weg. Wie Xavier.
In Paris pendelt der Student noch zwischen karrierebewusstem Vater, alternativ-begluckender Mutter und anspruchsvoller Freundin. Als ihm ein Verwaltungsjob in Aussicht gestellt wird, für den er seine Kenntnisse über Spaniens Sprache und Wirtschaft erweitern muss (seine Ibiza-Erfahrung reicht nicht), entschließt er sich zu einem Jahr Barcelona.
Über die bürokratischen Hürden des Erasmus-Auslandsstudien-Programmes erreicht er die aufregend fremde Stadt und zieht nach kurzem Aufenthalt bei einem flüchtig bekannten Ehepaarin eine WG zu fünf Studierenden unterschiedlicher Nationalitäten. Zur Britin Wendy, dem Italiener Alessandro, der Spanierin Soledad, dem Dänen Lars und dem Deutschen Tobias kommt, als die Miete steigt, auch noch Xaviers neue Bekannte Isabelle aus Belgien, die ihm einiges Wissenswertes über Frauen beibringt ...
In diesem Jahr knüpft Xavier neue Bindungen, beendet alte, lernt eine ganze Menge über sich und das Leben und findet Antworten auf die Frage, wo es mit ihm hingehen soll. Die Welt ist größer geworden.
Wieder schickt Cédric Klapisch einen jungen Menschen los, um das Leben kennen zu lernen, wie in ...und jeder sucht sein Kätzchen und wie in Klapischs neuem Film Ni pour, ni contre (bien à contraire), der in Deutschland bisher nur auf Festivals zu sehen war. Während ersterer auch das liebevolle Portrait eines Stadtviertels war, ist letzterer eine wilde Kriminalgeschichte. Und L´auberge espagnole? Die ist der visuelle Ausdruck der Konfusion, in die einen Erwachsenwerden und Globalisierung stürzen, mit beidem lernt man zu leben.
Viele Themen werden angerissen: Weltbürgertum und regionale Identität, die komplexe Beziehung zwischen Männern und Frauen, Familienbindung und Fernbeziehung, WG-Leben und Bürokratie, kollidierende Kulturmuster und die Möglichkeiten der Verständigung, obwohl man nicht die selbe Sprache spricht. Auch wenn sich für manches eine etwas genauere Betrachtung gelohnt hätte, gelingt es Drehbuchautor und Regisseur Klapisch, die Zutaten zu seinem europäischen Eintopf (oder Europudding, wie ein möglicher Verleihtitel lautete) in einem durchaus genießbaren Mischungsverhältnis zusammen zu rühren.
Um beim Kochen zu bleiben: Es mag vielleicht keine Haute Cuisine herausgekommen sein, auch wenn die Darsteller durchaus vom Feinsten sind. (Höchstens der Hauptdarsteller wirkt ziemlich bieder, aber das entspricht wohl der Rollenidee des Regisseurs. Insgesamt weiß Klapisch Spielfreude und Improvisationstalent seines Cast durchaus zu nutzen.) Eher ein modisches Buffet internationaler Häppchen – doch wer isst schon jeden Tag Delikatessen? Die Studierenden, die sich als Hauptzielgruppe, sowohl für das Erasmusprogramm als auch für diesen Film, angesprochen fühlen können, sicher nicht. Und auch die anderen, die gerne Geschichten vom Erwachsenwerden sehen, finden vermutlich Gefallen an international angehauchter Partykost.
Mit Buffet ist übrigens weniger der episodische Charakter mancher Handlungsstränge gemeint als die Komposition des Angebotenen: Opulente Verzierungen wie der Zeitraffer im Ministerium, die Collage bei der Erasmus-Bewerbung oder der Split Screen bei einer WG-weiten Rettungsaktion für Wendy umrahmen den narrativen Kern und gestalten ihn aus. Geschickt nutzen der Regisseur und sein Kameramann Dominique Colin hier die Möglichkeiten zur digitalen Nachbearbeitung der DV-Cam-Aufnahmen.
Akustische Versatzstücke wie die Musik, die so gemischt ist wie die Nationalitäten der Protagonisten, und der Sprachwirrwar verdeutlichen kongenial sowohl den Orientierungsverlust als auch die Entdeckung des Vertrauten im Fremden. Dankenswerterweise beschränkt sich die deutsche Verleihfassung darauf, nur den allgegenwärtigen Off-Kommentar Xaviers (mit escht fransösischem Aksent) zu synchronisieren und macht die Sprachvielfalt der WG durch Untertitelung verständlich.
Interessante Interviews mit dem Regisseur zu diesem und seinen anderen Filmen finden sich (leider nur französisch) unter www.cedric-klapisch.com