Deutschland 2018 · 64 min. · FSK: ab 0 Regie: Julian Köberer, Martin Stefaniak, Judith Gardner Drehbuch: Judith Gardner Musik: Martin Stefaniak Kamera: Lukas Steinbach Schnitt: Sarah Birnbaum |
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Zu Besuch bei den besseren Menschen |
Bei den erstaunlichen Auslastungszahlen der Augsburger Puppenkiste (2017 betrug die Auslastung 99%!) lag es immer schon auf der Hand, dass die Marionettenspieler aus Augsburg auch stets den Weg zum Massenpublikum, also zum Film, gesucht haben. Einige Produktionen wie etwa der Jim Knopf-Mehrteiler wurden zu Klassikern, die es Neuprodukionen auch heute noch schwermachen, sich zu emanzipieren, auch hier sei Jim Knopf erwähnt, bei dessen Real-Neuverfilmung sich wohl die meisten an den Kopf gefasst und gefragt haben dürften, was das denn soll, wo doch jeder weiß, dass Marionetten die besseren Menschen sind.
Seit 2016 liefern die Augsburger nun auch in Sachen Weihnachten regelmäßig ab. War es vor zwei Jahren noch der Klassiker aller Klassiker, die biblische Weihnachtsgeschichte, versuchte man sich im letzten Jahr etwas moderner an Cornelia Funke und ihrem Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel. Bei aller Vorhersehbarkeit und müdem Witz konnten einem als Erwachsenem dabei jedoch allenfalls die Augen zufallen und nur die hohe Kunst des Puppenspiels überzeugte.
Ein wenig anders verhält es sich mit der Produktion für das weihnachtliche 2018, die Geister der Weihnacht, bei dem das Puppenteam wieder auf einen klassischen Stoff zurückgegriffen hat – und zwar auf Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte, deren Entstehungsprozess ebenfalls gerade in die Kinos gelangt ist (Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand). Allein schon der Gedanke an den guten alten Scrooge, der erst über ein paar Albträume bzw. Geisterbesuche lernt, Mensch zu sein und das Weihnachtsfest anzunehmen, mag vielen schon ausreichen, um sich das nicht noch einmal anzutun. Denn wie oft ist dieser Stoff nicht schon recyclet worden! Literarisch, im Theater und natürlich auch im Film, nicht zuletzt in Form des Grinch, dessen Zeichentrickvariante passenderweise zeitgleich mit dieser Puppenkiste-Auskopplung in die Kinos kommt.
Doch dabei vergisst man, dass kleine Kinder Dickens' Geschichte meist noch nicht kennen und die Geschichte eine gute Geschichte ist. Denn jemand, der Weihnachten hasst, kann an diesen ja immer wieder auch beklemmenden Tagen, bei denen Rührseligkeit und Gemeinschaftssinn sich zu einem kollektivem Gruppenzwang verstärken, durchaus eine große Hilfe sein, um endlich einmal die »Sau rauslassen zu dürfen« – und danach dann doch die Welt auch wieder zu umarmen. Und dann erzählt Dickens ja auch die Entwicklungsgeschichte eines alten Mannes, dem es trotz seines Alters gelingt, sich zu ändern. Eine therapeutische Erfolgsgeschichte, die also auch ältere Generationen ansprechen dürfte, auch wenn der christliche Kontext, über den dieser Konflikt auch ausgetragen wird, ein wenig muffig wirkt.
Doch da Kinder wohl das Publikum sind, das am ehesten bereit ist zu verzeihen, dürfte der christliche Aspekt auch die wenigsten stören, umso mehr, als zur Weihnacht ja auch der letzte erwachsene Ungläubige bereit ist, in die Kirche zu gehen. Und dann sind da noch die Puppen, ein Kulturgut unserer Zivilisation, das auch noch den muffligsten 8-jährigen, der eigentlich sowas von überhaupt keine Lust auf einen Puppenspielerfilm hat, nach wenigen Minuten in seinen Bann zieht. Denn wie schon gesagt – Puppen sind die besseren Menschen.