Avatar: The Way of Water

USA 2022 · 194 min. · FSK: ab 12
Regie: James Cameron
Drehbuch: ,
Kamera: Russell Carpenter
Darsteller: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Kate Winslet, Stephen Lang u.a.
Filmszene »Avatar: The Way of Water«
Es grünt so blau...
(Foto: Disney)

Der ewige Ethnologe

James Camerons Fortsetzung seines großen Erfolges ist technisch überragendes National Geographic- und Western-Kino, erzählerisch aber kaum Neuland

»Oh, Mother Earth
With your fields of green
Once more laid down
By the hungry hand
How long can you
Give and not receive
And feed this world
Ruled by greed«

– Neil Young, Mother Earth

Mit seinem ersten Avatar 2009 über­raschte James Cameron einen Großteil der Fachwelt, denn die wenigsten Kritiker und Produ­zenten sahen in diesem seltsamen Hybriden aus tech­ni­scher 3D-CGI-Angeberei, Science-Fiction und alten Wild-West-Motiven, die dann auch noch mit moderner, ethno­lo­gi­scher Feld­for­schung verschwur­belt wurden, den Film, der er dann wurde – den kommer­ziell bislang erfolg­reichsten Film aller Zeiten.

Und eigent­lich ist damit die Geschichte auch schon erzählt, hätte auser­zählt sein sollen. Aber Cameron konnte und wollte nicht davon lassen, so dass nun, 13 Jahre später, ein futu­ris­ti­scher Dino­sau­rier in die Kinos kommt, der seinen Vorgänger in allem überragen soll. Der wieder in 3D in die Kinos kommt, da kaum noch ein Film in 3D produ­ziert wird, der noch einmal eine halbe Stunde länger ist als die damaligen 167 Minuten, und der tech­no­lo­gisch auf der absoluten Höhe der Zeit ist, was in heutigen Maßstäben nichts anderes bedeutet als das absolute Eindringen des Fremden und Unvor­stell­baren in unsere Realität. Nicht anders als die Freak­shows des frühen 20. Jahr­hun­derts und die Völker­schauen all die Jahr­hun­derte davor.

Auch erzäh­le­risch bewegt sich Cameron auf bewährten, altbe­kannten Pfaden, die aller­dings erweitert werden, um weitere Ziel­gruppen zu erreichen. So war bereits der erste Avatar – Aufbruch nach Pandora ja vorder­gründig eigent­lich nicht viel mehr als eine Nach­er­zäh­lung der modernen Ethno­logie im Gewand ethno­lo­gi­scher Science Fiction. Nicht anders als der Bronislaw Mali­nowski-Schüler Sir Edward E. Evans Pritchard, der als »Colonial Officer« 1926 zu seiner ethno­gra­fi­schen Feld­for­schung zu den Azande im Sudan aufbrach und sich von seinem »Auftrag­geber« mehr und mehr entfrem­dete, so entfrem­dete sich auch Jake Sully (Sam Wort­hington) im ersten Teil von seinem mili­täri­schen Umfeld. Durch seine teil­neh­mende Beob­ach­tung fühlte er sich mehr und mehr zu den »beforschten« Na’vi auf dem Planeten Pandora hinge­zogen, um sich dann sogar ganz auf ihre Seite zu schlagen, um schließ­lich über eine körper­liche Trans­for­ma­tion nicht nur mehr Avatar, sondern ganz ein »Wald­mensch« zu werden.

Der zweite Teil setzt nahezu nahtlos hier an, gerade mal zehn Jahre später, nur hat Jake inzwi­schen auch Kinder mit seiner großen Liebe Neytiri (Zoe Saldana) aus dem ersten Teil. Aber wie das nun mal so ist im Leben, ist das Glück nur von kurzer Dauer, kommt das im ersten Teil geschla­gene Militär zurück auf den Planeten und wieder­holt sich grund­sätz­lich das, was wir auch schon im ersten Teil gesehen haben, greift Cameron auch hier die klas­si­schen Western-Motive ab, sind die »Indianer« von damals, die in den alten und neuen Western mit Pfeil und Bogen gegen Soldaten mit Gewehren und Kanonen gekämpft haben, jetzt die auf drachenähn­li­chen Tieren flie­genden, indigenen Na’vi, die sich gegen die hoch­tech­no­lo­gi­schen Waffen und eine zutiefst martia­li­sche Marine-Moral vertei­digen müssen. Das ist tief verwur­zeltes Americana und wird auch im zweiten Teil konse­quent und ganz genauso bedient.

Und auch in Avatar: The Way of Water lässt Cameron seinen Helden das tun, was er am besten kann: Als Ethnologe (dieses Mal aller­dings mit Familie) neue Ethnien erfor­schen. Aus den Wäldern geht es deshalb auf die Meere, zu Ethnien, die nicht anders als Bronislaw Mali­now­skis berühmt-beforschte Trobri­ander, eigent­lich in völligem Frieden leben und auch sonst wie die Trobri­ander aussehen und in Häusern leben, die der klas­si­schen Archi­tektur der indigenen Völker auf der Salo­monsee gleichen. Doch das war es dann auch schon, denn anders als bei den Trobri­an­dern, wo Matri­li­nea­rität herrschte und Frauen wichtige Posi­tionen in der Gesell­schaft zuge­ordnet wurden, repro­du­ziert Cameron alte westliche Gender­ste­reo­typen.

Aber immerhin bietet Cameron dann wenigs­tens hier all das auf, was heut­zu­tage technisch möglich ist, verliert er sich in Unter­wasser- und Über­was­ser­fahrten, die immer wieder an die Ästhetik der spek­ta­kulären Natur­filme von National Geogra­phic erinnern, aber hier durch die Anders­ar­tig­keit der Indigenen und beein­dru­ckendes CGI und Motion Capture ein erheblich stärkeres Eska­pis­mus­po­ten­tial besitzen. Mit dem Wasser wird das Thema der Kern­fa­milie durch ein mantra-artiges »Blut ist dicker als Wasser« akzen­tu­iert und mehr schlecht als recht mit dem schon im ersten Teil aufge­bauten Mutter-Erde-Gaia-Topos verwursch­telt – oben drauf gibt es dann noch ein paar Sprengsel C.G. Jung und kollek­tives Unbe­wusstes.

Aber das wäre natürlich zu wenig Neuland, selbst für eine Fort­set­zung. Cameron lässt es tatsäch­lich nicht dabei, sondern will mehr. Er ist dabei fast so gierig wie das nächste große Motiv, das er sprich­wört­lich ins Rennen wirft, den ganz großen Herman Melville und seinen Moby Dick und in alles über­ra­gender Position einen Kapitän Ahab, der hier so wie in Melvilles Roman einen weißen Wal jagt.

Sehr offen­sicht­lich instru­men­ta­li­siert Cameron den weißen Wal ganz im Sinne der Gaia-Hypothese der Mikro­bio­login Lynn Margulis und des Chemikers, Biophy­si­kers und Medi­zi­ners James Lovelock, ist der Riesen­fisch aka Wal die leidende Erde und mit allem vernetzt. Ahab hingegen ist klas­si­sche Kapi­ta­lis­mus­kritik, die ewige Gier der Mensch­heit, die auch hier von dem Wal nichts anderes will, als was zu Walfang­zeiten die Menschen wollten, auch wenn es den eigenen Untergang bedeutet. Was in Camerons Zukunft noch einmal bedroh­li­cher ist, da die Erde kurz vor dem Kolla­bieren steht und Pandora als Zufluchtsort der Über­le­benden gedacht ist und wir damit natürlich auch ein wenig Umwelt­ak­tio­nismus im Story­board inklu­diert haben.

Das sind viele Ideen und eine wirklich aufrei­bende Ziel­grup­pen­ar­beit, in die man sich natürlich immer weiter vertiefen darf – ist der hier im Panorama-Schlacht­format gezeigte Kampf natürlich auch der ewige Konflikt Davids gegen Goliath, sitzen damit auch die Ukraine und Russland und Eritrea gegen Äthiopien mit im Boot. Und gibt es natürlich noch viel mehr zu deuten und zu denken, auch über unsere Väter und ob es nicht besser wäre, seine Väter gar nicht erst zu kennen, wenn es darum geht, Mutter Erde zu beschützen.

Avatar: The Way of Water versucht selbst­ver­s­tänd­lich an allen erzäh­le­ri­schen Ecken und Enden dieses Konvolut aus Bezügen und theo­re­ti­schem Ballast über emotio­nale Fall­stricke aufzu­fangen. Doch wer ins Kino geht, um Filme nach einer Tränen­skala zu bewerten oder mit Cameron stets gern unter sein Niveau gegangen ist, dürfte enttäuscht werden, wirkt selbst das Sterben nur wie ein Opfer der Technik und eines völlig ausras­tenden Gedan­ken­dä­mons. Da hilft auch nicht, dass Cameron sich selbst zitiert und in einer langen Titanic-Sequenz endlich die Familie rettet, die auf der Titanic keine Zukunft hatte.

Dafür bleibt das ganz große Block­buster-Staunen, auch über dann schon fast bizarre Anspie­lungen wie die »Unter­was­ser­szene« in Apoca­lypse Now, aber auch das ist Avatar: The Way of Water natürlich, nicht nur der ewige Ethnologe, sondern auch die Geschichte vom ewigen Wider­stand. In der Vergan­gen­heit genauso wie in unserer Gegenwart und erst recht in der Zukunft auf irgend­einem verdammten Planeten.

Die Marionetten haben sich emanzipiert

James Cameron bietet spektakuläre Bilder, Weltflucht, verlogenen Kolonialismus und ein konservatives, nein: reaktionäres Menschenbild

»'Glauben Sie diese Geschichte?' 'Voll­kommen!' rief ich, mit freudigem Beifall; 'jedwedem Fremden, so wahr­schein­lich ist sie; um wie viel mehr Ihnen!'
'Nun, mein vortreff­li­cher Freund', sagte Herr C..., 'so sind Sie im Besitz von allem, was nötig ist, um mich zu begreifen.'«

- Heinrich von Kleist, »Über das Mario­net­ten­theater«; 1810

Blaue menschenähn­liche und doch ganz und gar fremde Gestalten, die auf einem erdähn­li­chen fernen Mond leben, der »Pandora« heißt, wie die Unglücks­botin der Antike, und der doch noch viel mehr zu bieten hat, als bloß die Hoffnung, und eine para­die­si­sche Umwelt, die gegen den Konzern »Resource and Deve­lo­p­ment Admi­nis­tra­tion« vertei­digt werden muss – das ist der Stoff, der das Kino retten und neu erfinden soll; der Stoff, aus dem der Film­re­gis­seur James Cameron 2009 seinen ersten Avatar geformt hat: Mit Einspiel­ergeb­nissen von fast drei Milli­arden Dollar war dies ein globaler Kassen­schlager, der noch immer als einer der weltweit erfolg­reichsten Filme gehandelt wird und zumindest damals auch als eine neue Dimension des Kinos gehypt wurde.

Seit Jahren wurde eine Fort­set­zung erwartet, jetzt kommt diese unter dem Titel Avatar: The Way of Water als dies­jäh­riger Weih­nachts­block­buster ins Kino – »endlich!« werden manche Fans jubeln, mit einem »muss das sein?« werden all jene reagieren, die vom ersten Avatar-Film vor 13 Jahren weniger begeis­tert waren als der Regisseur James Cameron selbst.
Begleitet wird dieser Film nicht nur von großen Erwar­tungen, auch denen der Kino­be­treiber, endlich mal wieder den ganz großen Reibach zu machen, sondern zugleich von einer laut­starken, über­großen Marke­ting­kam­pagne, die diesen Film schon im Vorfeld unüber­sehbar machen will, und die wieder einmal, wie fast immer bei solchen Filmen, den größten und erfolg­reichsten Film aller Zeiten ankündigt.

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Vor dem Film, den ich in der Pres­se­vor­füh­rung im UCI am Mercedes-Benz-Platz nahe der Mercedes-Benz-Arena sehe, spricht erstmal eine Nach­hal­tig­keits-Kommu­ni­ka­torin von Mercedes-Benz in einem erstaun­lich dilet­tan­ti­schen und stilis­tisch geschmack­losen Setting (aber auch die Autos waren ja schon mal besser), und sülzt etwas von »Medi­en­ko­ope­ra­tion«, »Umwelt-Message« und »elek­tri­scher Zukunft«, von EQR SUV (bitte Englisch ausspre­chen) und der »Vision AVTR«, einem Prototyp-Modell, das ein bisschen den Sauriern im Film ähnelt, sich aber jeden­falls irgendwie »autonom und elek­trisch« fort­be­wegt. Eine Steckdose braucht man wahr­schein­lich trotzdem noch. Und ein kurzes Filmchen zeigt »Pandora«, aber mit einer zwei­spu­rigen Land­straße direkt über dem Strand, auf dem ein Mercedes entlang­bret­tert...
Real­sa­tire pur schon vor dem Film.

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Alles beginnt dann mit einem prägnanten ersten Satz: »Prepare to believe«, »Bereite Dich vor zu glauben« – das steht Hellgrün auf Schwarz vor dem ersten Bild, um uns Zuschauer einzu­stimmen: Dieser Film ist ein Märchen und auch ein bisschen Dies­seits­re­li­gion, er ist Fantasy, die uns von einer besseren Welt erzählt und vor allem von unseren eigenen Möglich­keiten, in unserer Welt besser zu leben, aber dies ist auch klas­si­scher Kino­es­ka­pismus.

Überhaupt ist vieles sehr klassisch an diesem Film und es sind vor allem die besseren oder sogar guten Passagen in Avatar: The Way of Water, in denen sich der Regisseur auf bewährte Erzähl­formen und Genrebau­steine verlässt, in denen er weniger predigt und mehr zeigt, und in denen er mit Motiven aus der Kino­ge­schichte virtuos spielt.
Man könnte Avatar: The Way of Water, der über drei Stunden lang ist, nämlich auch so erzählen: Dieser Film hat drei Teile. Der erste ist ein Western, der zweite eine Art »Blaue Lagune«, die vom verlo­renen und wieder­ge­fun­denen Paradies und einer Art Neugeburt der Figuren und der Welt erzählt; und der dritte Teil ist dann ein Kriegs­film.

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Seeland­schaft mit Poca­hontas. Am Anfang werden die Figuren einge­führt, es folgen ein spek­ta­ku­lärer Zugü­ber­fall, India­ner­ge­heul, Geisel­be­freiung durch Tomahawk und Pfeil-und-Bogen. Im zweiten lernt man die »Sea People« kennen, ein türkis­far­benes Naturvolk, das in Harmonie mit dem Meer und seinen Tieren lebt. Eine besondere Rolle spielen fliegende Meeres­kro­ko­dile und Riesen­wale mit vier Augen. Die Kern­fa­milie um Jake und Neytiri muss hierhin fliehen, als die »Himmels­leute«, also schwer­be­waff­nete brutale US-Marines, nach Pandora zurück­kehren. Erstmal gibt es Inte­gra­ti­ons­pro­bleme, denn die edlen Wilden verlangen von den Flücht­lingen aus dem anderen Stamm komplette Anpassung an ihre Lebens­ver­hält­nisse

PC ist das nicht. Doch gerade die nunmehr jugend­li­chen Kinder des Paares finden sich schnell zurecht und werden für die Geschichte immer wichtiger. Sie reifen zu den Eltern gleich­ge­stellten eigen­s­tän­digen Persön­lich­keiten. Im Zwei­täl­testen Lo'ak wieder­holt sich die Poca­hontas-Konstel­la­tion des ersten Films, als er mit der Häuplings­tochter der »Sea People« anbandelt. Aber auch die beiden Adop­tiv­kinder, die genetisch besondere Kiri und der adop­tierte Menschen­junge Spider, spielen bald sehr spezielle Rollen.
In den 90 Minuten des dritten Teils kann Cameron dann seine eigent­li­chen Fähig­keiten voll ausspielen: Wie in Titanic geht ein Riesen­schiff spek­ta­kulär unter, wie in Termi­nator 2 wird mit Metall und Maschinen, Bomben und Bombast gekämpft. Und wer scheinbar tot ist, steht hier (fast) immer wieder auf.

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»O dass wir unsre Ururahnen wären.
Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor.«

– Gottfried Benn

Natur aus der Compu­ter­kon­serve. Insofern muss man die vermeint­liche umwelt­freund­liche Botschaft dieses Films stark rela­ti­vieren: Sie befindet sich ungefähr auf dem Niveau des Discovery-Channel: lauter schöne perfekte Tiere und Pflanzen zu ewigem Sonnen­schein mit touris­ti­schem Blick super foto­gra­fiert – Exotismus pur. Aber es ist natürlich eine Natur, die komplett der Compu­ter­kon­serve entsprungen ist, eine völlig künstlich phan­tas­ti­sche Natur, Pflanzen und Tiere, die es nicht gibt – und überdies wird am Schluss alles Mögliche davon höchst eindrucks­voll kaputt gemacht.

Das Menschen­bild von Avatar: stammt aus dem 19. Jahr­hun­dert. Es ist unfassbar reak­ti­onär, wie hier Frauen selten etwas anderes tun, als zu kochen, zu weinen, und sich dann an den Schultern der Männer zu trösten. Diese entscheiden alles. Auch sehr US-ameri­ka­nisch ist, dass wir wieder diesen Söhnen begegnen, die mit ihren Vätern Probleme haben, und dass immer wieder Väter gesucht werden, die Mütter hingegen irgendwie nie.

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Phantasie-Spektakel in unge­se­henen Bildern. Aber auch wenn vieles an diesem Film kriti­siert werden kann und muss, lohnt es sich unbedingt, ihn anzusehen. Denn immer wieder erlebt man hier »state of the art«, Kino im aller­besten Sinn: Erzählen in Bildern, vor allem unge­se­henen Bildern, »bigger than life«, eska­pis­tisch, ein Spektakel, das die Phan­ta­sien und die Gefühle, auch das Unbe­wusste der Zuschauer berührt und entfes­selt.

Die Bilder sind perfekt, was freilich kaum an der 3D-Technik liegt, sondern an der schnel­leren Ablauf­ge­schwin­dig­keit: 48 statt 24 Bilder pro Sekunde sind enorm flüssig und klar. 3D hingegen führt weiterhin zu einem Eindruck der Entfrem­dung, der eher aus dem Film heraus­reißt. Gute Geschichten brauchen solche Gimmicks nicht.

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Der Cyber­space, in dem wir leben. Ist es unan­ge­messen, hier kurz über die innere Logik des Gesche­hens zu schreiben? An der hapert es jeden­falls. Wie soll das alles eigent­lich innerhalb der Gesetz­mäßig­keit des Films zusam­men­passen? Wer den ersten Avatar gesehen hat, wird sich noch daran erinnern, wie immer wieder mal die Avatare in sich zusam­men­fielen, wie Mario­netten, denen man die Fäden durch­schnitten hat. Dieses prägnante Bild sollte uns Zuschauer regel­mäßig daran erinnern, dass den Avataren ein realer Mensch zugrunde liegt, der in einem tech­ni­schen Schnee­witt­chen­sarg mit zig Kabeln diesen »Avatar« steuert.
Avatar: The Way of Water ist auch hier viele Schritte weiter: Nicht ein einziges Mal mehr sehen wir dieses Bild der plötzlich leblos werdenden Mario­nette. Und nicht ein einziges Mal sehen wir einen der Mario­net­ten­spieler in einem Schnee­witt­chen­sarg. Die Mario­netten haben sich eman­zi­piert. Sie haben ein Eigen­leben gewonnen – so wie in jenen Märchen­ge­schichten aus dem 19. Jahr­hun­dert, in denen die Puppen plötzlich die Macht über­nehmen.
Das ist kein unwich­tiger Unter­schied, sondern ein ganz wesent­li­cher. Denn dieser Film erzählt uns damit, dass er komplett in die virtuelle Welt eintaucht und den Unter­schied zwischen der virtu­ellen und der realen Welt verwischt, auch von uns selbst: Während Avatar 2009 ein Ausflug in einen fernen »Cyber­space« war, ist dieser 13 Jahre später längst zu einem Teil der eigenen Welt geworden – zumindest ist das die unaus­ge­spro­chene Behaup­tung dieses Films.

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Kinder­ge­schichte. Was bleibt unterm Strich? Ein Phänomen, das uns total viel über das Kino verrät. Das hoffent­lich den Kino­be­trei­bern ein bisschen Geld in die Kassen spült – denn das haben sie dringend nötig. Avatar: wird nicht das Kino retten, denn das lebt von ernst­haften Geschichten und von Poesie. Hier erlebt man nur Kinder­ge­schichten und Kinder­poesie. Kultur oder gar Kunst ist etwas anderes.