Aware – Reise in das Bewusstsein

Deutschland 2021 · 100 min. · FSK: ab 6
Regie: Frauke Sandig, Eric Black
Drehbuch: ,
Kamera: Eric Black
Schnitt: Franziska von Berlepsch, Rune Schweitzer
Filmszene »Aware - Reise in das Bewusstsein«
Bewusstsein: ein allumfassendes Phänomen
(Foto: Piffl Medien)

Der Rüssel des Elefanten

Frauke Sandigs und Eric Blacks Dokumentation zeigt sechs verschiedene, jedoch sehr ähnliche Blickwinkel auf das Phänomen Bewusstsein

Aware – Reise in das Bewusst­sein beginnt mit einem Blick auf die Erdober­fläche aus dem Weltall. Dazu wird in den Unter­ti­teln die berühmte Parabel von den sechs Blinden und dem Elefanten einge­blendet: Je nachdem, welches Körper­teil ein jeder anfasst, beschreibt er das Tier mal als Baumstamm, mal als großes Blatt und mal als Schlange.

Diese Geschichte ist nicht umsonst dem Film voran­ge­stellt. Denn in ihrer Doku­men­ta­tion lassen die Filme­ma­cher Frauke Sandig und Eric Black sechs zunächst einmal sehr unter­schied­lich wirkende Experten ihre persön­liche Sicht auf das Phänomen Bewusst­sein darlegen. Im Einzelnen handelt es sich bei diesen um den Hirn­for­scher Christof Koch, den buddhis­ti­schen Mönch Matthieu Ricard, den Psyche­de­lika-Forscher Roland Griffiths, den Philo­so­phie­pro­fessor Richard Boothby, die Pflan­zen­for­scherin Monica Gagliano sowie die Maya-Heilerin Josefa Kirvin Kulix.

Ein zweiter Blick ergibt, dass diese Prot­ago­nisten zu Paaren geordnet sind. Christof Koch erforscht die mate­ri­ellen Grund­lagen des Bewusst­seins, der buddhis­ti­sche Mönch Matthieu Ricard hat sich der spiri­tu­ellen Ergrün­dung des Bewusst­seins verschrieben. Roland Griffiths betreibt Studien mit Psilo­cybin – dem psycho­ak­tiven Wirkstoff von Magic Mushrooms, der Philosoph Richard Boothby hat an einer dieser Studien teil­ge­nommen. Monica Gagliano erforscht das Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten von Pflanzen und die Heilerin Josefa Kirvin Kulix ist davon überzeugt, dass Pflanzen ein Bewusst­sein besitzen.

Ein noch genauerer Blick offenbart, dass die vermeint­lich unter­schied­li­chen Sicht­weisen sich fast wie sechs Versionen derselben Ansicht entpuppen. Der Hirn­for­scher Christof Koch erwähnt zwar kurz das Körper-Geist-Problem, das seine Zunft sehr beschäf­tigt. Doch später bekennt er Farbe und stellt fest, dass er schon lange nicht mehr daran glaubt, dass das Bewusst­sein alleine aus den Akti­vi­täten der Neuronen hervor­geht. Statt­dessen halte er Bewusst­sein für eine funda­men­tale Eigen­schaft lebender Materie. Und noch bevor sich Koch überhaupt zu diesem Themen­kom­plex äußert, erzählt er davon, wie er einmal unter dem Einfluss von Zauber­pilzen das Gefühl hatte, alles verstanden zu haben.

Christof Kochs Gegenpart Matthieu Ricard wiederum ist nicht nur ein buddhis­ti­scher Mönch, sondern darüber hinaus ein promo­vierter Mole­ku­lar­bio­loge. Ricard selbst sagt, dass er nicht das Gefühl habe, die Wissen­schaft aufge­geben zu haben, da er die Suche nach Verstehen jetzt nur auf einem anderen Weg betreibe. Und selbst die Maya-Heilerin Josefa Kirvin Kulix ist keine in völliger Abge­schie­den­heit von unserer west­li­chen Zivi­li­sa­tion sozia­li­sierte Indio-Frau, sondern eine studierte Psycho­login und Pädagogin.

So hat man irgend­wann fast das Gefühl, es bei den Prot­ago­nisten in dieser Doku­men­ta­tion mit sechs Versionen der gleichen Person zu tun zu haben. Sie alle verbinden eine Ratio­na­lität west­li­cher Prägung mit einem starken Hang zu einer Spiri­tua­lität im Umfeld von Panpsy­chismus und kosmi­schem Bewusst­sein. Um im Bild von den sechs Blinden und dem Elefanten zu bleiben: Es ist fast so, als griffen alle sechs nach dem Rüssel oder höchstens noch nach dem Rüssel und dem Schwanz. Von daher ist Aware – Reise in das Bewusst­sein recht einseitig.

Immerhin versteht der Film visuell zu gefallen. Anstatt wie so viele andere Doku­men­tar­filme spre­chende Köpfe vor neutralem Hinter­grund zu zeigen, sind hier alle Prot­ago­nisten in ein zumeist atmo­s­phä­ri­sches Umfeld einge­bettet. Darüber hinaus streuen Sandig und Black immer wieder verschie­dene Natur­bilder als Metaphern für das Bewusst­sein in den Film ein. Hierbei dominiert das visuelle Thema Wasser. In der Tiefe schwe­bende leuch­tende Quallen, am Meeres­grund entlang­glei­tende Rochen, tauchende Schild­kröten und Wale, die spru­delnde Gischt am Strand, aufstei­gende Wasser­blasen.

Doch viel lernen tut man als Zuschauer in Aware – Reise in das Bewusst­sein nicht. Inter­es­sante Thema­tiken werden höchstens kurz ange­rissen, aber nicht weiter ausge­führt. Dafür wird dem Zuschauer ziemlich penetrant die These eingehäm­mert, dass es sich bei dem Bewusst­sein um ein allum­fas­sendes Phänomen handelt. Wer wie der Verfasser dieser Zeilen selbst diese Ansicht vertreten sollte, dem kann der Film trotzdem gefallen. Alle anderen dürften jedoch irgend­wann recht genervt sein.