USA 2006 · 74 min. · FSK: ab 0 Regie: Brian Pimental Drehbuch: Alicia Kirk Musik: Bruce Broughton |
Jahrzehnte war es vorweihnachtlicher Brauch, dass die Alten ihre Kinder ins Kino zogen, um sich den neuen Walt-Disney-Zeichentrickfilm anzuschauen. Jedes Jahr dasselbe neue Vergnügen. Es musste nur einmal einer Das Dschungelbuch oder den König der Löwen erwähnen und schon bekam man feuchte Augen. Diese Tradition ist letztens etwas aus der Mode gekommen, weil der Trend im Animationsfilm dorthin geht, dass Computer Szenarien erzeugen, die in immer größere Dimensionen des Bombasts vorstoßen und den Kindern Dinge vor Augen führen, die das, was sich in ihrer kümmerlichen Phantasie tummelt, weit in den Schatten stellen. Und die Alten wollten allein auch nicht mehr, weshalb die von Disney die Zeichentrickkiste allmählich zufallen ließen.
Jetzt wagt man einen Neustart mit der Fortsetzung eines der größten Hits: Bambi. Der Neue tut so, als hätte sich animationsästhetisch seit 1942, als sein Vorgänger lief, nichts getan, als wäre das auch gar nicht nötig, als sei die Magie von einst allemal mächtiger als der Pixelfirlefanz von heutzutage. Bambi 2 – Der Herr der Wälder sieht klassisch aus und versucht ebenfalls, in neue Dimensionen vorzustoßen: die der Niedlichkeit. Muss er irgendwie auch, schließlich ist Bambi für viele nicht nur der erste Film, den sie im Kino gesehen haben, sondern auch der erste, bei dem sie geweint haben. Die Handlung setzt da ein, wo der erste Film einen allein gelassen hat, nach dem Tod der Mutter durch Jägerhand. Das Kind (das aussieht wie ein Hirsch und im englischsprachigen Original auch ein Hirsch ist, in der deutschen Version aber weiterhin ein Reh genannt wird) soll vorübergehend beim Vater aufwachsen, bis eine Ersatzmutter von der Eule aufgetrieben ist. Schließlich sind allein erziehende Väter nicht üblich bei dieser Spezies. Dann passiert vorerst nichts mehr. Das heißt, es wird Frühling, Bambi läuft in einen Schneehaufen, es wird immer noch Frühling, Bambi trifft das putzige Stinktier, den putzigen Hasen mit seinen putzigen Schwestern und die putzige Artgenossin, die er einmal heiraten wird. Es wird immer noch Frühling, Bambi läuft in einen Schneehaufen. Diese Feier des Augenblicks ist besonders hinweisend auf die herkömmliche Machart des Gesamtfilms. Irgendwann geht es dann los mit Jägern und Nebenbuhler, aber immer schön gemütlich, Action mit Weile.
Dass Bambi aussieht wie ein Hirsch, im englischsprachigen Original auch ein Hirsch ist, in der deutschen Version aber ein Reh genannt wird, hat folgenden Grund: Der österreichische Autor Felix Salten schuf 1923 seine Figur Bambi, um die Geschichte eines kleinen Rehs zu erzählen. Nachdem Walt Disney Ende der 1930er Jahre die Filmrechte an Saltens Buch »Bambi« erworben hatte, wurde aus dem Rehkitz Bambi ein Hirschkalb, da es auf dem amerikanischen Kontinent keine Rehe gibt. In der deutschen Synchronfassung des gleichnamigen Kinofilms blieb Bambi seltsamerweise ein Rehkitz, dessen Vater jedoch ein Hirsch ist, was nach wie vor für Verwirrung sorgt.
Soweit wäre Bambi 2 ein netter Film, weitgehend harmlos. Einziges Problem: Bambi muss während des ganzen Films versuchen, sich den Respekt seines Vater und damit das Bleiberecht bei ihm zu erkämpfen. Erich Fromm schreibt, es gebe zwei Arten elterlicher Liebe: Eine mütterliche, die man sich nicht verdienen muss, und eine väterliche, um die ständig gerungen werden muss. Insofern kann man Bambi und Bambi 2 als filmische Umsetzungen dieser beiden Liebesprinzipien sehen. Vaters Liebe muss durch permanentes Ausstechen des Konkurrenten Ronno, durch Ellbogenrangeleien und Weitspringereien erlangt werden. Das beeindruckt den Alten, das zieht ihn auf die Seite des Prinzen des Waldes, der sich keiner Sekunde seines jungen Lebens nicht bewusst ist, dass er diesen Laden respektive Wald einmal beherrschen wird. In solchen Momenten, in denen das Aristokratische so unhinterfragt stehen bleibt, in denen das Leistungsprinzip so dominiert, wird Bambi 2 unsympathisch. Da wünscht man sich die früheren Disney-Helden wieder her. Den Anarcho Robin Hood oder den Schweinehirten Taran, der den Gehörnten König besiegt. Doch auch schon in der letzten Disney-Großproduktion, im Die Chroniken von Narnia – Der König von Narnia, wurde auf ähnliche Weise ein neueres amerikanisches Prinzip lieb leinwandverpackt: Seine Sache zur guten, zur heiligen zu erklären, rechtfertigt praktisch alles bis hin zum Totschlag. Bei Bambi 2 kommt keiner zu Tode, das nicht, aber es wird ein Triumph kindlicher Hingabebereitschaft zelebriert. Da wäre man lieber beim Alten geblieben.