Frankreich 2010 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: Fabienne Berthaud Drehbuch: Fabienne Berthaud, Pascal Arnold Kamera: Fabienne Berthaud, Nathalie Durand Darsteller: Diane Kruger, Ludivine Sagnier, Denis Ménochet, Brigitte Catillon, Jacques Spiesser u.a. |
||
Phantasievolles Landleben |
Lily sagt, was sie denkt, ehrlich und ungeschminkt, und auch wenn es gerade nicht passt. Lily liebt Tiere. Lily liebt Sex. Spinnt sie? Ist sie ein klinischer Fall von psychischer Störung oder ist Lily einfach nur ein ziemlich ausgeflipptes Girl, das macht, was es will, durchaus auch egozentrisch auf Kosten ihrer Mitmenschen, und das ein weniger in der Verrücktheit eines ewigen Blumenkindes steckengeblieben ist? Schwer zu sagen. Und auch egal, solange sie in der Obhut ihrer fürsorglichen Mutter auf dem sonnigen südfranzösischen Land leben kann.
Doch eines Tages passiert, was passieren muss: Die Mutter stirbt und Lilys Schwester Clara muss für sich um die Schwester kümmern. Das ist nicht nur anstrengend, es ist für Clara auch deshalb eine Belastung, weil sie in Paris verheiratet ist. So begegnet man zwei großartigen – und großartig aussehenden – Frauen, zwei Schwestern, die aber so unterschiedlich sind, wie dies nur denkbar ist – und die sich arrangieren müssen. Phantasie an die Macht! Das bedeutet für Clara – und ihre Ehe – eine echte Herausforderung.
Dass Ludovine Sagnier eine großartige Schauspielerin ist, und dies auch in der Rolle der durchgeknallten Lily wieder beweist, überrascht nicht wirklich. Überraschend dürfte aber für viele sein, dass Diane Kruger in der Rolle ihrer streng, vernünftigen Schwester so hervorragend mithalten kann. Die Geschichte ist dabei eher Claras Geschichte, sie und ihre Veränderung stehen im Zentrum, während Lily hier mehr als Medium fungiert.
Die Handlung – eine kühle Rationalistin entdeckt stellvertretend für uns Zuschauer ihre emotionale Intelligenz und das schöne Leben – besteht genau besehen aus recht abgestandenen Klischees, und ist überdies vorhersehbar. Aber Barfuß auf Nacktschnecken ist einmal mehr ein Beweis, dass gutes Kino nicht unbedingt identisch sein muss mit einer originellen Geschichte: Viel entscheidender sind die treffenden Bilder eines Films, sein Charme und die Schönheit, die er ausstrahlt. Die französische Künstlerin Valérie Delis hat das Production Design des Films gestaltet, und das merkt man in jeder Sekunde.
Barfuß auf Nacktschnecken ist ein sehr witziger, sehr gut unterhaltender Film. Aber es ist auch ein Film, der auf intelligente Weise bedenkenswerte Fragen verhandelt. Der davon handelt, wie unsinnig Konventionen sind. Denn wer will anderen vorschreiben, wie man leben soll? Mit welchem Recht predigen manche ihren Mitmenschen Moral, oder auch nur, dass man nicht rauchen darf und nur Biogemüse zu sich nehmen darf? Wer stellt Regeln auf, an die sich alle halten müssen? Und ist man verrückt, wenn man das nicht tut und darauf besteht, anders zu leben? Das sind die Fragen, die dieser Film seinem Publikum stellt und zu denen er klare Antwortvorschläge macht. Die Regisseurin Fabienne Berthaud plädiert für das Glück im Hier und Jetzt, und für den Mut zum Unkonventionellen. Sie hat ihn selbst bewiesen.