USA 2014 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Nicholas Stoller Drehbuch: Andrew Jay Cohen, Brendan O'Brien Kamera: Brandon Trost Darsteller: Seth Rogen, Zac Efron, Rose Byrne, Dave Franco u.a. |
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Wohltuende Dekonstruktion gängiger Körperlichkeit |
»Menschen, das wären geistige Wesen, freie Männer, Republikaner. Beides wollen die Spießbürger nicht sein.«
(Karl Marx 1843 in einem Brief an Arnold Ruge)
Es ist beileibe nicht leicht zu sagen, geschweige denn zu merken, wann der Schalter umgelegt wird. Für die Außenstehenden gibt es zwar signifikante Zeichen; die Betroffenen selbst scheinen wie immer, wenn Menschen ihre moralischen Grundausrichtungen ändern, kaum etwas zu merken. Ob es von gut zu böse, von links nach rechts, von Pop zu Klassik oder – von Paar zu Kleinfamilie geht. Was ein besonders gutes Beispiel ist. Denn schließlicht geht es hier vom freien Menschen zum Spießer und das oft in einem zeitlichen Katzensprung. Ganz so wie Mac (Seth Rogen) seiner Frau Kelly (Rose Byrne) irgendwann versichert: »Früher sind wir auf Partys gegangen, jetzt haben wir ein Kind und sind unsere eigene Party. Und die ist viel besser als all die anderen Partys!« Doch Mac und Kelly realisieren auch, dass Partys einfach mehr Spaß machen,wenn mehr als drei Leute eingeladen sind. Was beide zu der psychologisch völlig einsichtigen Schlussfolgerung führt, gerade diejenigen zu bekämpfen, die noch Partys feiern – aus dem Auge, aus dem Sinn.
Natürlich ist das nicht alles in Nicholas Stollers Bad Neighbors. Natürlich gibt es eine vielleicht etwas zu lange und holprig erzählte Vorgeschichte (Studentenverbindung zieht ins Nachbarhaus einer gerade etablierten Kleinfamilie), gibt es wie bei fast allen amerikanischen Komödien aus dem Umfeld Apatow auch ein augenzwinkerndes, etwas zu versöhnliches Ende, doch es sind die Zwischentöne und die gnadenlos offengelegte Partnerschaftspsychologie der amerikanischen Mittelklasse, die Bad Neighbors sehenswert macht.
Dies galt schon für Stollers Vorgängerfilm – Fast verheiratet – einer modernen Variante von Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe, in dem voller Irrsinn, Spaß und Neugier mit dem Seziermesser am Sockel der romantischen Ehe-Komödie geritzt wurde. In Bad Neighbors werden die Schnitte noch tiefer gesetzt. Nicht nur weil die erlesenen (!) Slapstick-Elemente deutlich gravierender in den Plot eingreifen und den Ernst der Lage noch einmal konkretisieren – angereichert zudem mit einer wohltuenden Dekonstruktion gängiger Körperlichkeit – sondern auch, weil es Stoller wie schon in Fast verheiratet riskiert, sich nicht auf eine Seite zu schlagen. Er porträtiert nicht nur die Gradwanderung des Ehepaars zwischen Sehnsucht und Vernunft, Aufbegehren und Einknicken kritisch, er zeichnet auch Teddy (Zac Afron), den noch jugendlichen, den der Schwerkraft des Lebens widerstehenden Helden in zwielichtigen Farben. Diese Farben sind allerdings derartig grell, dass es kaum zu glauben ist, dass Stoller während seiner Recherchen im universitären Burschenschaftsumfeld auf noch extremere Formen des Aufbegehrens gestoßen sein soll, so extrem, dass sie im Film nicht verwendet werden konnten.
Doch auch ohne diese kaum vorstellbaren Extreme ist Bad Neighbors immer noch eine extreme Komödie, die für den einen oder anderen die Grenzen des Geschmacks überschreiten dürfte. Gleichzeitig sind es gerade diese Momente, die Bad Neighbors so wertvoll machen. Denn im Grunde ist nichts zu extrem, wenn es um das wertvollste menschliche Gut geht, die Freiheit.