USA 2020 · 84 min. Regie: Kitao Sakurai Drehbuch: Dan Curry, Eric André, Kitao Sakurai Kamera: Andrew Laboy Darsteller: Eric André, Michaela Conlin, Lil Rel Howery, Tiffany Haddish, Gerald Espinoza u.a. |
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Lachen heilt Leben | ||
(Foto: Netflix) |
»Du stinkst so aus dem Mund, dass man sich auf deine Furze freut.«
– Chris zu Bud in Bad Trip
Erst einmal die traurigen Fakten, bevor wir zum Lachen kommen: Wir lachen zu wenig. Dabei ist Lachen eines der preiswertesten und vor allem effizientesten Heilmittel, die wir haben. Statt eine halbe Stunde gähnend-langweiligem Joggen reicht schon eine Portion Lachen, um die gleichen heilbringenden Effekte auf Herz, Muskeln und Blutdruck zu erzielen. Und das ist bei weitem noch nicht alles, wie kürzlich Freda Gonot-Schoupinsky in einem herrlichen Essay mit Gebrauchsanweisung über das Lachen feststellte. Man sollte also keinesfalls die falsche Scham an den Tag legen, die etliche Menschen gegenüber Pornos pflegen, sondern zumindest beim Lachen zugreifen, wo es nur geht. Denn schließlich geht es um nicht weniger als um ein besseres, ein gesünderes Leben, vielleicht ja sogar ums Überleben.
Deshalb sei jedem, dem ein wenig an seiner Gesundheit liegt und der nicht allzu christlich-orthodox erzogen worden ist, auch wärmstens Kitao Sakuruais »Versteckte-Kamera-Prank-und-Buddy«-Komödie empfohlen. Was dieses dadaistische Wortgestammel bedeutet und ist? Ganz einfach: ein Kernteam von echten Schauspielern, in diesem Fall die so begnadeten wie radikalen Stand-Up-Comedians, unfreiwilligen Neo-Fluxus-Künstler und Buddies Eric Andre (Chris Carey) und Lil Rel Howery (Bud Malone), das sich mit der ebenso großartigen, zuletzt in Girls Trip auftrumpfenden Tiffany Haddish (Trina Malone) eine Verfolgungsjagd von Florida nach New York City liefert, damit Chris endlich seine alte College-Liebe Maria (Michaela Conlin) von seiner Liebe überzeugen kann. Während dieses Road-Trips spielen sie »zufällig« ausgewählten Passanten die abstrusesten Streiche (Pranks), die wiederum mit versteckter Kamera gefilmt werden. Diese »dokumentarischen« Momente werden dann mit den »gespielten« Sequenzen zu einem Film geschnitten, an dem Elke Lehrenkrauss und ihr Lovemobil ihre Freude hätten.
Anders als in Lovemobil, das sollte jedem klar sein, verbirgt sich hinter Bad Trip allerdings keine irgendwie moralische Botschaft, auch wenn das »Bad« im Titel auf ein durchaus innovatives, immer wieder hochmoralisches Comedy-Subgenre hinweist, man denke nur an Filme wie Bad Teacher, Bad Neighbors oder Bad Sitter. Das wird vielleicht nicht gleich nach den ersten so überraschend wie gut getakteten Slapstick-Nummern deutlich, als Chris etwa von einem Autoreinigungsstaubsauger »entkleidet« wird oder ein Jahr später mit seiner Hand in einen Saftmixer gerät. Nein, es wird spätestens während eines der wenigen, längeren Gespräche zwischen Chris und Bud offensichtlich, in dem Bud eine DVD aus dem Handschuhfach zieht und den Film, Keenen Ivory Wayans White Chicks, kurzerhand zu einem der besten Filme aller Zeiten hochlobt. Genau, ganz richtig, jener White Chicks, der 2004 für zahlreiche goldene Himbeeren nominiert war und über den Dave Kehr von der New York Times damals schrieb: »Most movies require some suspension of disbelief. But White Chicks... requires something more radical than that. A full frontal lobotomy might be a good place to start.«
Inzwischen ist White Chicks zu einem Kultklassiker avanciert. Ob auch Bad Trip diesen Weg geht, wird so wie bei der Frage, ob Terrororismus Terrorismus war oder dann doch eine Revolution, und wie weit die Grenzen von Fluxus heute noch reichen, allein die Zukunft entscheiden. Die Gegenwart überzeugt jedenfalls. Denn nicht nur die Vergewaltigung von Chris durch einen Gorilla oder die unsäglichen durch zufälligen Drogenkonsum provozierten »siamesischen« Penis-Szenen auf einem Golfplatz haben Kultpotential, sondern auch die kaum verhohlene Kritik an dem Amerika der Weißen, durch die sich das all-afro-amerikanische Cast mit aller nur erdenklichen Wucht durchkatapultiert, bilden einen dann doch immer wieder überraschend differenzierten Cocktail aus Tief- und Flachsinn, aus gelungenem Slapstick und bodenlosem Fremdschämen und einer umwerfenden, anarchistischen Hypermoral.
Da das Wort Porno nun ja am Anfang schon einmal gefallen ist, soll damit auch das Ende bestritten und damit das i-Tüpfelchen auf den assoziativen Schwach- und Schwersinn gesetzt werden, den Bad Trip auslöst. Denn eigentlich, seien wir mal ehrlich, kommt Bad Trip diesem Genre tatsächlich am nächsten, ist hier wie im Porno die Handlung völlig nebensächlich, kommt es nur auf eins an. Und das ist in diesem Fall der Prank und seine Folgen. Doch statt Sex und Orgasmen ist bei Bad Trip natürlich das hysterische, alles heilende Lachen »Orgasmusziel«. Und so fasern Handlung und Suspense am Ende von Bad Trip dann auch aus wie in jedem Porno, sind alle Beteiligten, vor oder »im« Bildschirm, einfach zu ausgelaugt, um sich noch einmal zu etwas wirklich Überraschendem aufzuraffen.
Nur für eins sollte sich jeder noch ein wenig Energien reservieren – den Abspann. Denn erst hier werden alle geprankten Beteiligten – Szene für Szene – darüber aufgeklärt, dass sie Teil eines Films waren. Auch das erinnert auf ganz eigenartige Weise an Lovemobil, an die NDR-Recherche von STRG_F zur Demaskierung des vermeintlichen Dokumentarfilms, ist allerdings – versprochen! – erheblich lustiger.
Bad Trip ist seit dem 26. März 2021 auf Netflix abrufbar.