USA 2016 · 152 min. · FSK: ab 12 Regie: Zack Snyder Drehbuch: Chris Terrio, David S. Goyer Kamera: Larry Fong Darsteller: Henry Cavill, Ben Affleck, Amy Adams, Jesse Eisenberg, Diane Lane u.a. |
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Zwei ungleiche Helden – düster und strahlend wie Meister Proper |
Batman wird im Titel zuerst genannt, aus gutem Grund. Der Superman ist hingegen gar nicht so super diesmal, wirkt altbacken, ein spießiger Nerd, der den verdrießlichen, aber jedenfalls unspießigen Verhältnissen der Gegenwart nicht gewachsen ist. Auch Batman wirkt genaugenommen wenig heldenhaft. Ihm fehlt alle Ironie, alles Lässige, er ist angestrengt und genervt. Klar, die Zeiten sind schlecht. Klar: Man muss die Dinge doch mal gefälligst ernst nehmen endlich, kann nicht immer alles ironisch sehen, oder? Aber ist es nicht gerade das Privileg des Helden, ein wenig über den Dingen zu stehen? Ist es nicht seine Tugend, mit olympischer Heiterkeit das Böse zu zerschmettern und an seinen Platz zurückzustellen?
Nichts hat sich mit 9/11 im Kino so verändert wie die Gestalt des Superhelden. Diese spiegelt selbstverständlich die Verfassung der USA und des »freien Westens«, und so erkennen wir in diesen tristen »Meister Proper«, mit denen man im Ernst nicht – nicht für die Frau, nicht für den Ruhm, nicht für die Wohnung, – tauschen möchte, uns selbst. Wollen wir mit uns selbst noch tauschen?
Superman so heißt es einmal, sei »just a guy, trying to do the right thing.« Das war George Dubbleju allerdings auch. Und wahrscheinlich finden es die Macher dieses Films wahnsinnig subtil und ironisch und postmodern und klug, dass sie gegen Superman eine US-Senatorin stellen, die ihn in einen Ausschuss vorlädt, um ihn an die Regeln einer Demokratie zu erinnern.
Wobei diese Geschichte erst vollständig erzählt ist, wenn man hinzufügt, wie sie weitergeht: Superman kommt nämlich,
ganz Boyscout, tatsächlich zum Kongreß. Doch dann entpuppt sich die ganze Sitzung als Falle, weil Erzschurke Lex Luthor den Kongreß mitsamt Senatorin in die Luft sprengt. Was uns der seit dem faschistoiden Sparta-Epos 300 undemokratischer Umtriebe nicht völlig unverdächtige Sprengmeister/Regisseur Zack Snyder damit eigentlich sagt (vielleicht sogar bewusst sagen möchte), ist also eigentlich
das Gegenteil: Die Demokratiedeppen, die sich an die Regeln halten, und auf »Legitimation durch Verfahren« (Niklas Luhmann) beharren, sind voll von gestern und checkens einfach nicht. Die labern bloß rum, anstatt was zu tun und verfolgen immer die Falschen.
Episch und märchenhaft war es zuvor losgegangen: Mit einem Blick zurück in Bruce Waynes Kindheit und der Erinnerung daran, wie aus ihm einmal Batman wurde. 1981, Excalibur läuft im Kino, ausgerechnet, da werden Bruces Eltern vor seinen Augen ermordet. Getragene Musik, epische Stimmung, ein Sturz in ein Loch, das nicht für Kaninchen taugt, doch auch an dessen Ende erwartet Bruce ein Märchenland. Denn Hunderte von Fledermäusen retten ihn, bringen ihn zurück vom
Dunkel ins Licht.
Später werden wir hören, das Böse käme von oben, das Gute von unten. Ob das nun etwas über Lex Luthor sagt, oder ob es sich um eine Anspielung auf 9/11 handelt, deren es mehrere gibt in diesem Film, das liegt im Auge des Betrachters.
Danach jedenfalls kracht es erstmal am Himmel, und in der Stadt Metropolis wüten riesenhafte insektenähnliche Raumschiffe, raspeln Hochhäuser weg, der 9/11-Referenzen sind Legion.
Wir erinnern uns: Das ist das Ende von Man of Steel, der finale Kampf mit General Zod. Nur sieht man ihn nun von der Seite aus, mit den Augen Bruce Waynes, der sich schon in diesem Moment als einer von uns entpuppt. »Ein Superheldenfilm ganz aus der Kollateralperspektive, was für ein unvorstellbar aufregendes Stück Kino wäre das«, schreibt Fritz Göttler in der »SZ« und hat recht, und
formuliert einen Gedanken, der allemal für Zack Snyder zu hoch ist. Da müssen wir auf Godard warten.
Aber wir haben verstanden: Eine Zeit der Krise, eine Zeit der Bedrohung – so ist es immer in Superheldenfilmen, und es gar kein origineller Gedanke, sich zu fragen, ob der Boom der Superhelden etwas mit der aktuellen, nicht allzu rosigen Lage der Demokratien zu tun hat. Superhelden verkörpern Alternativen in Zeiten der Alternativlosigkeit.
Lange hat Superman keine Ahnung: »Wer ist das?« fragt er als er Bruce Wayne trifft, und labert ihn dumm an: »Mr. Wayne, Clark Kent, 'Daily Planet', was halten Sie von dem Fledermausordnungshüter in Gotham?« Oh Mann, Bruce Wayne, das ist natürlich der wahre Name von Batman, so wie Superman im wahren Comicleben Clark Kent heißt, und als Journalist arbeitet. Zum ersten Mal begegnen sie sich in diesem Film also auf einer Partygesellschaft. Ein bisschen bemüht ist dieses Aufeinandertreffen der beiden Comic-Supermegahelden von Anfang an, auch wenn der Plot zu diesem Film tatsächlich aus einem berühmten Comicklassiker stammt.
»So fängt es an: Das Fieber, der Zorn, das Gefühl der Machtlosigkeit, durch das gute Menschen grausam werden.« Nicht von der AfD und Pegidisten ist hier die Rede, sondern von Gotham City. Sie sind hier alle über dem Gesetz, die Schurken, die Superhelden, nur die Politiker nicht, ausgerechnet, und sie müssen auch dafür bezahlen. Batman immerhin arbeitet mit ihnen zusammen, Superman dagegen tut so, als verkörpere er die unbestechliche Investigativpresse. Superman, der »boy« wird hier zum Mann, bleibt aber Muttersöhnchen, denn vor der Rettung der Welt kommt die Rettung der Mami – man muss halt Prioritäten setzen. »Tell me: Do you bleed?« fragt ihn Batman, und fügt hinzu »You will.«
Bald bekämpfen sie einander aufs härteste. Natürlich ohne einen ganz klaren Gewinner, auch wenn Batman hier deutlich als Punktsieger hervorgeht, sowohl aus dem direkten Faustkampf, als auch im ganzen Film. Batman ist ein Mensch mit Fehlern, kein Außerirdischer und Übermensch, und Batmans Skepsis, seine Ironie, mitunter der melancholische Pessimismus von Bruce Wayne stehen uns einfach näher als der allzu amerikanische blinde Optimismus von Clark Kent alias Superman. Und zudem
ist Ben Affleck, der Batman-Darsteller um Welten besser und charismatischer als sein Gegenüber Henry Cavill. Afflecks Auftritt überrascht in seiner Reife und ist richtig groß: Dies ist ein Batman, der Zukunft hat, nicht allzu sympathisch, aber nahe am dunklen Ritter der späten Graphic Novels.
Aber wieso eigentlich Batman »gegen« Superman? Sind das nicht beides Helden? Verkörpern nicht beide das Gute?
»Batman gegen Superman« – was ist das überhaupt für ein Film?
»Schwarz und Blau, Gott gegen Mensch, Tag gegen Nacht.« So kann man es auf den Punkt bringen. Batman gegen Superman – das heißt Nachtwelt gegen Tagwelt, Film Noir gegen amerikanisches Sendungsbewußtsein, Amoral gegen Moralisieren, Melancholie gegen naiven Optimismus. Pessimistischer Cooler gegen jungen Nerd. Der den zitierten Satz nun sagt, ist allerdings der Schurke im Spiel: Lex Luthor, Supermans Erzfeind, der hier auch zum Gegner von Batman wird, ein
Weltenbrandentfacher, konziliant und sardonisch gespielt von Jesse Eisenberg. Sein Luthor ist ein Junior mit massivem Vaterkomplex – der verbindet alle Erzschurken des amerikanischen Kinos mit dessen Helden –, er hat Daddys Raum unverändert gelassen und überlegt aber nun doch zu Anfang seines Irrsinns-Kriegs gegen die Welt, ein Bild, einen Höllensturz aus der Barockzeit, verkehrt herum zu hängen über Papas Schreibtisch. Denn: »We know better now, don’t we?
Devils don’t come from hell beneath us. They come from the sky.«
Im Kampf gegen ihn vereinigen sich die beiden Superhelden.
Zunächst müssen sie aber grundsätzlichere Fragen klären. In der Gesellschaft dieser den USA zum Verwechseln ähnlich sehenden Stadtstaaten Metropolis und Gotham City wird nämlich öffentlich in den Medien und in der Politik debattiert, wozu Superhelden überhaupt gut sind, und wie man diese immer wieder außer Rand und Band geratenen Gesellen eigentlich demokratisch kontrollieren kann?
So kommt es zu einem hübschen Dialog zwischen den Hauptfiguren: »Civil liberties are being trampled on in your city; people living in fear. He thinks he’s above the law«, meint Clark Kent, und bekommt zur Antwort: »The Daily Planet criticizing those who think they're above the law is a little hypocritical, wouldn’t you say? Considering every time your hero saves a cat out of a tree, you write a puff piece editorial about an alien that could burn the whole place down.« – »Most of the world doesn’t share your opinion, Mr. Wayne.« – »Maybe it’s that Gotham City and me... We just have a bad history with freaks dressed like clowns.«
Hier tut der Film zumindest so, als sei er ein ernsthafter philosophischer Essay. Er stellt die Fragen nach dem Wert von Macht und Heldentum. Er grundiert seine Figuren mit Psychologie. Bei Zack Snyder wirkt das nur leider immer sehr bemüht. Man soll den Regisseur von 300 von Sucker Punch, von Man of Steel bestimmt nicht unterschätzen. Der für seine martialischen Schlachtplatten bekannten Snyder, der auch selbst gern ins Gym geht und bei Interviews seine tätowierten Arme vorzeigt, liebt muskelbepackte Männer und Frauen, die den Mund meist nicht aufmachen. Man darf Snyder aber auch nicht überschätzen. Denn eine richtige Handschrift hat dieser Regisseur außer Lärm, Bombast und Überfrachtung auch mit 50 Jahren noch immer nicht. Poesie ist in seinen Filmen eher ein Zufallsprodukt, und auch der beste unter ihnen – Sucker Punch – ist eine unbedingt humorfreie Zone.
Das Problem mit Snyder ist nicht so sehr, ob seine Filme ästhetisierende Gewaltspektakel sind, die faschistoide Körper- und Weltbilder propagieren. Wer fragt so etwas? Klar tun sie das, dafür genügen zehn Minuten eines beliebigen Snyder-Films.
Auch Batman v Superman: Dawn of Justice ist für Snyder wieder vor allem Anlaß zu einer unsubtilen Gewaltorgie, die im Effekt auf eine Ästhetisierung von Gewalt hinausläuft. Etwa wenn Batman seine Opfer
»brandet« – was im Comic ohne Vorbild ist, also rein der verqueren Phantasie von Snyder und seinen Leuten entsprungen.
Angesichts dessen was Snyder mit Figuren und Drehbüchern anstellt, die er sich nicht selbst ausgedacht hat – Sucker Punch, dies nochmal gesagt, ist sein einziger anständiger Film, angesichts dessen, ist dieser Film gar nicht so schlecht.
Nein, auch wenn Politiker hier darüber räsonieren, was Superhelden »tun sollten«, ist dies trotzdem kein moralisierender, und schon gar kein systemkritischer, kein linker, noch nicht mal ein linksliberaler oder anarchistischer Film. Und auch kein philosophischer. Immerhin erinnert hier vor allem die von Holly Hunter gespielte US-Senatorin, die in einem Untersuchungsausschuß das Wirken der Super-Helden untersucht an selbstverständliche Regeln, daran, das Demokratie
mit Konsens zu tun hat nicht mit autoritärem Durchregieren. »In a democracy, the good is a consensus, not a unilateral decision. we act by consent, we talk to each other.«
Sie wirkt seltsam anachronistisch. Eine ältere Dame, die noch an »Legitimation durch Verfahren« glaubt: »Macht korrumpiert und absolute Angst korrumpiert absolut.«
Es sind solche kleinen Szenen, die dem Zuschauer plötzlich einen kurzen Augenblick lang den Boden unter den Füssen wegziehen, einzelne Dialogsätze – wie »20 years in Gotham, we know what promises are worth« –, die für ein paar Sekunden die Gemütlichkeit im Kinosessel stören, und uns klar machen: Wir leben ja selbst irgendwo schon in Gotham City, in Verhältnissen, in denen die Öffentlichkeit auf Stars fixiert ist, und denen dann alles durchgehen lässt, in denen das Schrille, Extreme sich gegenüber dem Abgewogenen durchsetzt, in Zeiten die, sich nach Helden, Rettern und anderen messianischen Figuren sehnen.
Obwohl Batman v Superman also fraglos seine Momente hat, bleibt der Film ein Zwitter – seltsam gespalten zwischen der naiv-optimistischen Superman-Welt und dem realistisch-kühlen Batman-Universum: Mal spielt alles in Metropolis, mal in Gotham, mal sollen wir mit dem einen bangen, mal mit dem anderen.
Auch dass sie sich gegenseitig infragestellen, macht die Figuren nicht stärker, und man kennt es ja auch schon aus anderen Filmen.
Vermittelt wird beides durch die Frauen: Amy Adams spielt mit Lois Lane wieder jene Figur, die Superman erdet. (Und zwar »erden« in mehr als einen, unter anderem auch finalen Sinn).
Doch erst mit Hilfe von »Wonder Woman«, der weiblichen Superheldin (gespielt von der israelischen Schauspielerin Gal Gadot), wird das Böse besiegt. Sie – vom jeweils anderen unter Verdacht gestellt, mit dem Gegenüber im Bund zu sein (»Is she with you?« – »No, I thought she was with you.«)
– vereinigt dialektisch die beiden Prinzipien und fügt ein Drittes hinzu: Die Sehnsucht nach Privatheit.
Gadot bringt eine dringend benötigte Dosis Abgründigkeit, Ambiguitöt und Femme-Fatale-Haftigkeit mit in den Film, den man zuvor nur von Catwoman (bei Michelle Pfeiffer wie Anne Hathaway) kannte. Sie hat ihre eigene Agenda, »ist« mit niemanden, aber im Zweifel mit Beruce Wayne.
Insgesamt ist die Handlung des Films wirr, konfus, chaotisch und schwer verständlich in ihren Widersprüchen. Warum nochmal bringt Superman Lex Luthor nicht einfach um auf dem Hochhausdach? Liebe Leser, Ihr werdet mir gewiss die Lösung aufzeigen. Einige gute und viele zumindest annehmbare Einzelszenen aber machen noch keinen Film, und fügen sich hier nie wirklich zu einem Ganzen. Daher ist dieser Film auch viel zu lang. Fast zweieinhalb Stunden wären auf 90 oder 110 Minuten eingedampft vielleicht zu einer konzisen Geschichte geworden.
Batman wird wie gesagt aus gutem Grund im Titel zuerst genannt. Vor allem anderen liegt das daran, dass wir mit seinen Augen auf die Welt dieses Films blicken. Seltsam parteiisch ist die Regie in dieser Hinsicht.
Immerhin wird am Ende die Rivalität zwischen Superman und Batman entschieden. Denn im Kampf gegen ein ziemlich spät aus der Filmkiste springendes Krümelmonster stirbt Superman pünktlich zu Karfreitag. Wie Christus für die ganze Menschheit. Ein Märtyrer, der uns Zuschauern beibringt, dass wahre Helden sterben, sich opfern fürs Gute. Ein echter Amerikaner eben.
Da halten wir es lieber mit Bruce Wayne, der in diesem Vergleich ungemein erwachsen und europäisch wirkt. Der hat nur Albträume
und war im Traum tatsächlich auch mal christushaft ans Kreuz geschlagen worden. Batman riskiert was, aber denkt nicht daran, sich zu opfern. Überstehen ist alles. Moderne Moral eben.
Im Gespräch mit Wonder Woman hatte er illusionslos – »we fight, we kill, we betray« – ein zukünftiges Antiterror-Bündnis eingefordert: Auf die Gegenfrage »Why do we have to fight?« entgegnete der gefühllos Coole »Just a feeling.«
Wenn Superman am Ende den Märtyrertod stirbt, aber Batman überlebt, ist das auch im Sinne der Fans. Bis zur nächsten Wiederauferstehung. Snyder erspart uns allerdings nicht einen Tropfen triefigsten Pathos: Mit militärischen Ehren wird Superman beigesetzt, natürlich auf Arlington, dem amerikanischen »Heldenfriedhof«. Hoffentlich bleibt er wo er ist.