Beautiful Disaster

USA 2023 · 96 min. · FSK: ab 12
Regie: Roger Kumble
Drehbuch:
Kamera: Joshua Reis
Darsteller: Dylan Sprouse, Austin North, Virginia Gardner, Autumn Reeser, Michael Cudlitz u.a.
Filmszene »Beautiful Disaster«
Der Schreck vor dem eigenen Verlangen...
(Foto: Leonine)

Rosamunde Pilcher für GenZ

Neben Kinder- und Jugendfilmen gibt es inzwischen auch Filme für „neue“ Erwachsene – Roger Krumbles Romanadaption ist einer davon und überrascht mit ungewöhnlichen Grenzüberschreitungen

Die Literatur hat dem Film natürlich schon rein histo­risch eine Menge Erfahrung voraus. Kein Wunder also, dass die alte Dame meist ein wenig agiler auf neue Anfor­de­rungen bzw. gesell­schaft­liche und wirt­schaft­liche Strö­mungen reagiert. Kinder- und Jugend­bücher gab es z.B. schon lange, bevor auch der Film dieses Segment bedienen lernte. Deshalb ist es umso inter­es­santer, dass die »Verbub­bli­sie­rung« unserer Gesell­schaft, die immer stärkere Frag­men­tie­rung unserer Lebens­be­reiche, seit einigen Jahren eine neue Leser­ziel­gruppe entdeckt hat, die New Adults, die sich nun endlich auch im Film gespie­gelt findet.

Erste Versuche gab es bereits im Horror­film­be­reich, hier sei etwa an den letzten Jahr erschie­nenen Bodies Bodies Bodies erinnert, der schon fast philo­so­phisch die Probleme der GenZ, also die jungen Erwach­senen, die zwischen 1990 und 2010 geboren wurden, erörtert und dabei eine Menge Subkultur mitschwingen ließ.

Da die Nische gut zu funk­tio­nieren scheint, gibt es nun einen der ersten Main­stream-Versuchs-Ballone, die Verfil­mung des New York Time Best­sel­lers Beautiful Disaster von Jamie McGuire, die sich aus der Provinz bei Tulsa, Oregon, im Selbst­verlag in die weite, große Welt geschrieben hat, kurz zu einem großen Verlag wechselte, um dann wieder im Selbst­verlag weiter­zu­ma­chen, weil die Gewinn­margen dort deutlich höher sind.

Sowohl McGuires Roman als auch die souveräne Verfil­mung durch Roger Krumble lesen und sehen sich nicht viel anders als die Romane von Rosamunde Pilcher und ihre erfolg­rei­chen Verfil­mungen, geht es im Kern dort nicht anders zu als in der gerade in der ZDF-Mediathek abruf­baren Verfil­mung von Wenn ich dich wieder­finde, in der das Schicksal die Boots­bauerin Helen Brody und den Versi­che­rungs­agenten Liam Shaw zusam­men­führen, obwohl sie unter­schied­li­cher nicht sein könnten.

In Beautiful Disaster sind es natürlich junge Menschen, die noch aufs College gehen. Ist es die agile Abby Abernathy (Virginia Gardner), die ihrer Heimat Las Vegas den Rücken kehrt, um endlich ein normales Leben als Studentin fernab von Vegas zu führen. Denn in Vegas hat ihr Vater sie von Kindes­beinen an zu einer der versier­testen Poker­spieler:innen sozia­li­siert, dabei aber gleich­zeitig alle Verant­wor­tung für das gemein­same Leben auf Abbys Schultern geladen. Deshalb hat Abby auch keine Lust auf eine Beziehung, sondern will eigent­lich nur mit ihrer besten Freundin studieren. Doch wie das im Leben so ist, kommt ihr die Liebe in den Weg und das ausge­rechnet in Person von Travis Maddox (Dylan Sprouse), der mit Martial-Art-Kämpfen sein Studium finan­ziert und der bei Frauen nicht wie einst Jean-Pierre Léaud in Truffauts Die ameri­ka­ni­sche Nacht nach ihren magisch-mysti­schen Quali­täten sucht, sondern nimmt, was kommt. Und der dann auch noch wie der junge Tom Cruise aussieht.

Die Dispo­si­tion ist klar, die Handlung vorher­sehbar. Doch wartet die Umsetzung von McGuires Roman, der inzwi­schen drei Folge­bände hat, mit ein paar ange­nehmen Über­ra­schungen auf, ist hier tatsäch­lich der Weg das Ziel. Nicht nur gibt es ein paar unge­wöhn­lich offene Sex-Szenen, Drogen­konsum und verba­li­sierte Vulga­rismen, die in unseren Bieder­mei­er­zeiten umso mehr ins Auge springen, sondern holt die Vergan­gen­heit die Heldin gleich auf mehrfache Art und Weise ein, mit Konse­quenzen, die dann doch ein wunderbar dysfunk­tio­nales Fami­li­en­bild als Alter­na­tive in den Raum stellen, eine Vision, die sich wohltuend von der sonstigen filmi­schen US-Propa­ganda und ihrer Sehnsucht nach der heilen Familie abhebt.

Das überzeugt auch schau­spie­le­risch, wird die Sehnsucht nach Liebe, egal wie unter­schied­lich der Andere auch sein mag, ener­ge­tisch auf den Zuschauer über­tragen und zu tickenden Sehn­suchts­zeit­bomben trans­for­miert. Ein Gesamt­paket, das die junge, weiße GenZ-Mittel­klasse unserer west­li­chen Gesell­schaft, die noch nicht so recht weiß, wie sie in dieses Leben hinein­ge­raten ist, zufrie­den­stellen dürfte und das dann auch schon fast ausreicht, um die gefähr­li­chen, quer­den­ke­ri­schen und ultra­kon­ser­va­tiven Kommen­tare von McGuire zur Coro­na­krise und poli­ti­schen Situation in Amerika abzu­schüt­teln und Film und Literatur fein­säu­ber­lich von ihrem Urheber zu trennen.