Kanada 2023 · 120 min. · FSK: ab 12 Regie: Matt Johnson Drehbuch: Matt Johnson, Matthew Miller Kamera: Jared Raab Darsteller: Jay Baruchel, Glenn Howerton, Matt Johnson, Cary Elwes, Saul Rubinek u.a. |
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Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund... | ||
(Foto: Paramount) |
Das völlig Verrückte an unseren digitalen Zeiten ist, dass jeder glaubt, sich an alles erinnern zu können, weil alles digital abrufbar ist. Dabei ist es eher umgekehrt, geht mehr an Büchern und Filmen verloren – weil es schlichtweg nicht digitalisiert wurde – als je zuvor. Dass dieser Kelch des Vergessens nicht einmal an Grundbausteinen der digitalen Revolution vorbeigeht, zeigt Matt Johnsons komplexes Porträt eines der einstigen Giganten des digitalen Fortschritts, der kanadischen Firma Research in Motion (RIM), die 1999 mit ihrem BlackBerry 850 »pager« (das Wort Smartphone gab es noch nicht) die digitalen Kommunikationswege revolutionierte.
Johnson nutzt in seinem »Biopic« zum einen das 2015 erschienene Sachbuch Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of BlackBerry von Jacquie McNish und Sean Silcoff, zum anderen die Tagebücher, von Ex-Mitarbeiter und Mitgründer Doug Fregin, die er während der Anfangsjahre der Firma geführt hatte und die vor allem für die menschliche Seite der Geschichte Pate stehen. Dabei wird ein Narrativ bedient, das aus der frühen Software-Branche von Apple bis Microsoft fast schon legendär ist – eben nicht nur die Startjahre in Garagen oder Verschlägen, sondern auch die hippieske Grundeinstellung der Gründer und ersten Teams dieser Firmen.
Bei RIM bedeutet das, dass der von Regisseur Matt Johnson dargestellte Doug Fregin seine Hippie-Wurzeln fast schon aggressiv inszeniert, zur Arbeit kommt, wann er will und auch im Moment der ersten zaghaften Wachstumsschübe darauf besteht, dass die Filmabende für das Team nicht eingestellt werden, weil sich die Firma auch über die großen Hollywoodklassiker identifiziert – seien es die bösen Datteln aus dem ersten Indiana Jones oder die unzähligen Star Wars-Referenzen, die im Arbeitsalltag referenziert werden.
Doch natürlich schluckt auch RIM die bösen Datteln des Kapitalismus, die Erfolg erst dann zum Erfolg machen, wenn die Konkurrenz ausgeschaltet ist. Dass das nur funktioniert, wenn jene »hingerichtet« werden, die den Weg des Erfolges vermeintlich blockieren, zeigt BlackBerry dann sehr genau, als BlackBerry-Mitgründer und CEO und Doug Fregins Freund seit Schultagen Mike Lazaridis (Jay Baruchel) den Geschäftsmann Jim Balsillie (Glenn Howerton) als Co-CEO mit an Bord holt, um die Firma für den nächsten großen Schritt zu präparieren. Alte Selbstverständlichkeiten fallen damit genauso über Bord wie alte Freundschaften, so dass Doug nur mehr noch für die Technik zuständig ist und sein Mitspracherecht als Gründer verliert.
Dadurch kann Johnson deutlich machen, dass globale Konzerne nicht anders funktionieren als Autokratien und Diktaturen, so wie es etwa die ebenfalls in diesem Jahr erschienenen Filme Air: Der große Wurf und Dumb Money – Schnelles Geld andeuteten (und sich deshalb niemand wundern sollte, dass gerade diese Firmen es verstehen, nahezu spielerisch mit Diktaturen und Autokratien zu kooperieren).
Dort wie hier wird dann allerdings auch schnell klar, dass es immer auch eine Moral der Geschichte gibt. Die eine ist, dass jede Diktatur irgendwann kollabiert und ihre Herrscher untergehen, die andere ist, dass die moralisch Standfesten am Ende nicht unbedingt die Verlierer sind. Das ist zwar tröstlich und passt nur allzu gut in alte Hippie-Denkmuster, doch die Tatsache, dass ganze Technologien verloren gehen, weil sie nicht mehr massentauglich sind, da eine andere Firma das
bessere Marketing hat.
Die schönste Ironie dieser Geschichte ist vielleicht, dass der Abstieg BlackBerrys mit dem Aufstieg Apples einsetzte, nachdem Steve Jobs mit seiner »Auszeit« bei Apple und der Gründung von NeXTSTEP in den späten 1980ern eine ähnliche Lehrstunde mit NeXTSTEP erlebte wie die Gründer von BlackBerry. Doch anders als die Macher von BlackBerry lernte Jobs aus seinen
Fehlern.