Schweiz 2017 · 97 min. Regie: Lisa Brühlmann Drehbuch: Lisa Brühlmann Kamera: Gabriel Lobos Darsteller: Luna Wedler, Zoë Pastelle Holthuizen, Regula Grauwiller, Georg Scharegg, Lou Haltinner u.a. |
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Faszinierendes Crossover zwischen beklemmender Realität und bizarrer Fantasie |
Der erste Kuss, der erste Drogentrip, der erste Sex. Die wilde, aufregende Phase, in der ein Junge zum Mann reift, ist schon immer ein gerne genommener Stoff für Filme gewesen. Meistens werden es deftige Komödien, oft Satiren über die pragmatische, illusionslose Welt der Erwachsenen, manchmal blutrünstige Horrorstreifen.
Filme, in denen es um Mädchen geht, die erste Periode und den ersten Schwangerschaftstest gibt es seltener. Und noch seltener sind Filme, die es schaffen, von der Pubertät zu erzählen, ohne Klischees zu reproduzieren oder Zoten am laufenden Band. Meistens darüber, wie ungeschickt sich jemand anstellt, wenn er oder sie etwas zum ersten Mal macht.
Blue My Mind ist nicht nur ein Film über erste Male, sondern selbst ein Debüt. Der erste Langspielfilm der Schweizer Drehbuchautorin und Regisseurin Lisa Brühlmann.
Das ist umso verblüffender, weil Blue My Mind den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Einstellung in seinen Bann zieht. Fast so, als wäre es das Werk einer erfahrenen Künstlerin, die schon jeden Aspekt des Filmemachens sicher
beherrscht.
Die junge Hauptfigur, Mia (Luna Wendler), als auch ihre Freundinnen, Gianna (Zoë Pastelle Holthuizen) und Gabriela (Regula Grauwiller) wirken so authentisch, dass man das Gefühl bekommt, eine fesselnde Dokumentation über eine wilde Mädchen-Clique zu sehen. Mia, Gianna und Gabriella suchen und finden ihre persönlichen Grenzen, in dem sie alles ausprobieren, was verboten ist. Denn das macht natürlich am meisten Spaß.
Doch die magischen Bilder des Kameramanns Gabriel Lobos vermitteln subtil: Blue My Mind ist mehr als ein neuer Aufguss auf das alte Thema Coming-of-Age. Und Mia ist auch ein anderes Mädchen als alle anderen 15-jährigen dieser Welt.
Zu den Freuden und Nöten des Erwachsenwerdens macht sie eine weitere Entwicklung durch, die sich anfangs dezent, im weiteren Verlauf immer machtvoller zeigt, bis sie die Oberhand gewonnen hat. Das selbstbewusste und manchmal schon störrische Mädchen verwandelt sich nicht nur in eine junge Frau, sondern in eine veritable Meerjungfrau. Mit allem, was dazu gehört: Schwanzflosse, Heißhunger auf lebende Fische und die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.
Der Genre-Film über die Pubertät, der wie eine authentische Doku daher kommt, verwandelt sich elegant in eine archetypische Sage, die an Hans-Christian Andersens Kunstmärchen erinnert, Die kleine Meerjungfrau.
Lisa Brühlmann nimmt das berühmte Fabelwesen so ernst, als wäre es keine Fantasie, sondern ein echtes Geschöpf aus Fleisch und Blut. Mias Verwandlung zur Meerjungfrau wird quasi genauso dokumentarisch erzählt wie ihre Verwandlung zur jungen Frau.
Durch den konsequenten Verzicht (küchen-)psychologischer Erklärungen entpuppt sich Blue My Mind als faszinierendes Crossover zwischen beklemmender Realität und bizarrer Fantasie.
Wahrscheinlich ähnlich bizarr, wie es einem jungen Menschen vorkommt, dessen vertrauter Körper sich verwandelt. Und der eine neue Welt betritt, die der Erwachsenen, aus der es kein Zurück mehr gibt.