USA 2001 · 124 min. · FSK: ab 12 Regie: Ted Demme Drehbuch: David McKenna Kamera: Ellen Kuras Darsteller: Johnny Depp, Penélope Cruz, Jordi Mollà, Franka Potente u.a. |
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Gut im Geschäft |
»Was ist meine Motivation?« fragen Schauspieler, wenn ihnen nicht klar ist, wie sie eine Szene spielen sollen. Der Regisseur erklärt dann kurz den emotionellen und zeitlichen Hintergrund der darzustellenden Situation und schon weiß der Schauspieler, warum seine Figur tötet, liebt, hasst oder was auch immer tut.
In Blow wurde die Frage nach der Motivation entweder nie gestellt oder aber nie richtig beantwortet.
George Jung (gespielt von Johnny Depp) hat eine glückliche Jugend, auch wenn sein beinahe perfekter Vater (Ray Liotta) pleite ist. Georges Vater nimmt diese Niederlage mit Würde hin und erzählt von den Höhen und Tiefen des Lebens und macht seinem Sohn klar, dass dieser alles schaffen kann, wenn er nur will. Bei so einem Vater kann selbst die leicht hysterische Mutter das häusliche Idyll nicht stören.
Ende der 60er Jahre geht George nach Kalifornien und entdeckt mit seinem Freund Tuna das süße Leben mit Strand, schönen Mädchen und viel Marihuana. Warum George von zu Hause flüchtet? Wo seine Motivation dafür liegt? Schwer zu sagen.
Ebenso bleibt unklar, warum er zum Dealer wird, warum er einen solchen Erfolg damit hat, warum er verhaftet wird, warum er flüchten kann, warum er zum Koksdealer wird, warum er wieder verhaftet wird, warum, warum, warum...
Die Motivation für das gesamte (Film-)Leben von George Jung erschließt sich einem nicht. Er ist weder geldgierig noch machtsüchtig. Er läuft vor nichts davon und scheint nichts zu suchen. Er will nichts beweisen und ist von nichts getrieben. Mit einer stoisch gleichgültigen Haltung durchlebt Johnny Depp als Jung den Film, wobei er keinen Unterschied macht, ob er gerade im Geld schwimmt, sich neu verliebt, von Dealern angeschossen oder der Polizei verhaftet wird. Diese apathische Haltung Depps mag in einen Alptraumwestern wie Dead Man perfekt gepaßt haben, in Blow wirkt sie nur unmotiviert. Depps eintönige und letztendlich unbefriedigende Schauspielerei ist leider nicht die Ausnahme, sondern die traurige Regel.
Während die Handlung also vor sich hin plätschert und beliebig austauschbare Figuren die Szenerie bevölkern, versucht der Regisseur Ted Demme verzweifelt (so wirken zumindest viele seiner Einfälle), dem Geschehen doch noch eine klare Richtung zu geben und wenigstens einige ausdrucksstarke Szenen zu gestalten. Zu oft übertreibt er dabei. Um etwa zu verdeutlichen, wie gefährlich der Drogenbaron Pablo Escobar ist, läßt er ihn einen Mann hinrichten. Um zu zeigen, wieviel Geld im Drogengeschäft zu verdienen ist, sehen wir eine Wohnung, die bis unter die Decke mit Geldscheinen vollgestapelt ist. Um Georges Erfolg ermessen zu können, wird sein exklusiver Fuhrpark präsentiert. So wie Ray Liotta in dieser Szene, fühlt sich auch der Zuschauer angesichts einer solch unbeholfenen Protzerei ziemlich befremdet.
Reichen selbst diese überdeutlichen Bilder nicht mehr aus um eine Stimmung, ein Gefühl oder eine Situation zu erklären, dann greift Demme auf einen rettenden Off-Kommentar zurück. Wenn Johnny Depp aber aus dem Off mit sonorer Stimme über die Mechanismen des Drogengeschäfts spricht und dann auch noch Ray Liotta durchs Bild läuft, dann drängt sich fast zwangsläufig ein Vergleich mit Scorsese Good
Fellas auf. Ein Vergleich, der die Schwächen von Blow nur noch deutlicher macht.
Bei Scorsese sind die Off-Kommentare nur ergänzende und bereichernde Erklärungen, die keineswegs Voraussetzung für das Verständnis einer Szene sind. Bei Blow dagegen erklären die Kommentare das, was der Regisseur mit Bildern nicht erzählen kann.
Mit den vielen anderen Erzählmitteln verhält es sich nicht anders. Während z.B. der massive Einsatz von authentischer Popmusik, Zeitlupen, verwackelte Heimkinoaufnahmen, Jump Cuts u.v.a. Scorsese dazu dienen, seine Geschichten noch präziser und effektvoller erzählen zu können, halten sie bei Blow den Film notdürftig zusammen. Die Popsongs ersetzten hier fehlende Emotionen, die Zeitlupen scheinen laut zu schreien »Achtung, wichtige Szene!«, die Heimkinobilder raffen einen Zeitraum von fünf Jahren auf zwei Minuten zusammen und schließen damit riesige Lücken im filmischen Lebenslauf. Sehr gerne benutzt der Regisseur hierfür auch Bildunterschriften wie »Three years later«.
Gute Mafia- und Drogenfilme haben immer etwas von den großen Königsdramen Shakespeares. Es geht um Macht, unvorstellbaren Reichtum, Verrat, Mißtrauen, Mord, Verschwörungen, Liebe und Tragik in jeder erdenkbaren Form. Scarface von Brian de Palma steht dafür ebenso exemplarisch wie dessen Carlito’s way, die Paten-Reihe von Coppola, Donnie Brasco von Mike Newell, mit einem großartigen Johnny Depp als Spitzel, und natürlich den Klassikern von Scorsese.
Obwohl er die Voraussetzungen gehabt hätte, verschenkt Blow die Chance, in diese ruhmreiche Reihe aufgenommen zu werden. Die zweifelsfrei vorhandene Tragik im Leben George Jungs, der mehr als einmal erlebte Verrat durch seine besten Freunde, die Macht, die er zu seiner größten Zeit genoß, der darauf folgende Sturz ins Nichts, die permanenten Gefahren in diesem Geschäft (der ganze Film ist nebenbei bemerkt verhältnismäßig gewaltarm), der Verlust von Freundschaft und Familie, all das wird nur angedeutet und berührt einen als Zuschauer kaum. Da hilft es auch nichts, ständig auf den wahre Hintergrund der Geschichte hinzuweisen.