Deutschland 2004 · 86 min. · FSK: ab 6 Regie: Douglas Wolfsperger Drehbuch: Douglas Wolfsperger Kamera: Igor Luther |
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Der Hüter des Blutes |
Einmal im Jahr geschehen wundersame Dinge im oberschwäbischen Weingarten: Am Blutfreitag, dem Tag nach Christi Himmelfahrt, verwandelt sich ein Priester zum Gralsritter des heiligen Blutes. Ein fast echter Indianer maskiert sich als Blaskapellist. Ein Metzger stülpt sich, hoch zu Ross, den Zylinder auf.
Seit Hunderten von Jahren zelebrieren die Weingartner den Kult rund ums heilige Blut: Ein Tropfen vom Lebenssaft Christi soll es sein, der, vermischt mit der Erde von Golgatha, nun in dem Weingartschen Reliquienschrein ruht. Und – ist er echt? Typisch deutsche Frage, bescheinigt der Priester. Amerikaner hingegen würden zuerst wissen wollen, was das Ding wert ist. Die Südeuropäer beugten hingegen fraglos das Knie- und so halten es auch die meisten Weingartner.
Zweifellos: Die Reliquie ist identitätsstiftend für die kleine Stadt. Zur größten Reiterprozession der Welt schwingen sich alljährlich dreitausend Mannen in die Sättel. Frauen sind nur als Fußvolk willkommen: »Die Definition lautet: walfahrende Männer zu Pferde«, erklärt der Abt des Klosters- Frauen würden das ganze folglich ad absurdum führen, begründet er das ganz katholisch-logisch. Und überhaupt: Wenn die Damen erst mal aus der Fasson geraten, ist das auch kein schöner Anblick mehr, weiß ein gestandener Weingartner hinzuzufügen.
Der Film zeigt Glauben aus allerlei Perspektiven: als gelebtes Spektakel, als Bangen vor dem Fegefeuer, als Aufruf wider die Abtreibung, als stilles Gebet. Vor allem geht es um die Menschen, für die der Herrgott noch immer eine feste Größe ist.
Einen paar von ihnen hat Regisseur Douglas Wolfsperger besucht: Die alte Imkerin auf der Schaukel, die langsam ans Aufhören denkt – »man ist ja schließlich keine 60 mehr«. Den tierlieben Schlachter, der nie ein Pferd schlägt. Den Versicherungsmenschen, der an Schutzengel glaubt.
In den Bildern von Blechtrommel-Kameramann Igor Luther wirkt das ganze manchmal zu schön, um wahr zu sein. Doch hinter dem Idyll lauern auch hier Abgründe. Wolfsperger lässt diese nur dezent anklingen. Diskret bricht er ab, wenn seine Protagonisten sich zu sehr entlarven. Mitunter gesteht sich der Regisseur die eine oder andere Freiheit zu. Wenn die Kamera über einen Schnappschuss streift, und nur dem aufmerksamen Zuschauer klar wird, dass der fotografierte Herr einen Büstenhalter trägt. Wenn die Kamera abwärts wandert und eine grazile schwarze Hand auf einem Oberschenkel zeigt, der nicht dem Ehemann gehört. Den Rest der Geschichte muss sich der Zuschauer selber denken.
Über alldem schwebt die unverkennbare Musik von »Haindling«. Anheimelnd und traditionsverwurzelt und mit enorm viel kreativer Power. Und wer die Texte kennt, weiß um die hintergründige Gesellschaftskritik, die diese Band so auszeichnet. Vielleicht ist diese Wahl auch wortloses Statement.