Schweiz/Deutschland 2012 · 94 min. · FSK: ab 0 Regie: Urs Schnell Drehbuch: Urs Schnell, Res Gehriger Kamera: Laurent Stoop Schnitt: Sylvia Seuboth-Radtke |
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Auch dieses Wasser kommt vermutlich aus einem Brunnen. Muss aber teuer bezahlt werden. |
Wasser. Wasser ist Leben. Noch elementarer als jedes Essen ist es DAS Grundnahrungsmittel der Erde. Wer kein Wasser hat, führt darum Kriege. Wasser braucht jeder, wer das Wasser hat, der hat die Macht. Darum gilt: Wasser gehört jedem.
Denkste! Das zeigt jetzt der Schweizer Regisseur Urs Schnell, der in seinem Film Bottled Life der weltweiten Wasserproblematik nachgeht, und zeigt, wie selbst dieses subtantiellste Gut der Natur, wie Leben selbst zur Handelsware geworden ist.
»Irgendwann bin ich auf Wasser gekommen.« So Peter Brabeck, Chef des Schweizer Nestle-Konzerns. Für ihn und Nestle ist dieser Film bereits in der Schweiz zum PR-Super-Gau geworden – und man wird sich nicht wundern, wenn die Verbraucher nun auch in Deutschland Nestle-Produkte schmutzig und ekelhaft finden, wenn sie einen Konzern boykottieren, der den Verdacht nicht von sich weisen kann, seine Geschäfte auf dem Rücken von Menschen zu machen, auszubeuten und dabei buchstäblich über Leichen zu gehen.
Der Film erzählt die Geschichte dieses geheimnisvollen Konzerns der bereits im 19. Jahrhundert Mineralwasser »produziert« hat, seit 1878, und heute zum Weltmarktführer des Wasserhandels geworden ist. Ein Unternehmen, dem 70 verschiedene Wasser-Labels gehören, darunter vermeintlich autonome Nobelmarken wie Perrier, San Pelligrino, Contrex, und in den USA »Poland Spring«.
Maude Barlow, Träger des alternativen Nobelpreises sagt im Film über Nestle: »They don’t stick with something unless it’s profitable ... they are big transnational company ... they will never stay with something for humanitarian reasons ... they dont get into it for humanitarian reasons ... and they dont stay with it for humanitarian reasons. ... one of the most profitable companys ever.«
Nestle, so argumentiert dieser vom deutsch-französischen Kulturkanal Arte coproduzierte Film, ist das Paradebeispiel für einen bösen Kapitalismus. Jährlich allein 10 Mrd. Schweizer Franken verdient dieser weltweit größte Lebensmittelkonzern mit 70 Sorten Mineralwasser. Die übelste Sorte von allen ist die neue Marke »Pure Life«, ein einfaches Wasser das mit zweistelligen Wachstumsraten auf den globalen Markt geschossen wird.
Pakistan, wo sauberes Trinkwasser knapp ist, diente als Test-Markt. Jetzt dominiert Nestle den Markt und schraubt die Preise hoch. Lokale Interessen werden an den Rand vertrieben. Der Grundwasserspiegel sinkt, und Nestle braucht konsequent immer neues Wasser. Sie kaufen dafür private Wasserrechte in Gegenden wo sie billig sind, und versuchen Gesetze zu verändern. Sie nehmen das Wasser aus der Leitung, machen ihr Label drauf, und verkaufen es als Quellwasser.
Im US-Bundesstaat Maine pumpt Nestle die gleiche Menge Wasser ab, die im ganzen Staat von der kompletten Landwirtschaft verbraucht wird: 3,5 Billion Liter pro Jahr, die Zahlen sind ansteigend. Für eine Tankladung, zahlt Nestle 10 Dollar, verkaufen tun sie es für 50.000 Dollar. – So macht man aus 10 Dollar 50.000 Dollar.
Je kapitalistischer die Gesellschaft, um so mehr boomen antikapitalistische Film-Dokumentationen. So könnte man ein bisschen allzu abgebrüht und nahe am Zynismus resümieren. Aber auch wenn Bottled Life klar Partei ergreift, ist er keineswegs parteiisch. Nestle und die Sicht ihrer Führungsetage kommen ausgiebig zu Wort. Sie manche Argumente für sich. Denn sterben nicht nur in Pakistan viele Menschen an verseuchtem Wasser. Führt nicht die Kapitalisierung des Wassers zur Qualitätsverbesserung? Der Film zeigt beide Seiten.
Vielleicht aber sind solche Filme ja auch ein Vorschein einer zukünftigen Revolution unseres Wirtschaftssystems? Oder es handelt sich in Wahrheit um Übungseinheiten in Fatalismus. Denn die kluge Analyse allein bleibt folgenlos.
Die Wahrheit, wenn man sich mit ihr konfrontiert, lautet: Die böseste Form des Kapitalismus siegt zur Zeit. Man kauft sich Politiker, kauft sich Richter, kauft sich Gesetze. Wird alles schwierig kauft man sich eine Bevölkerung. Und ganz zur Not – siehe Pakistan – kauft man sich eine Armee. Man möchte draufhauen.
Man fragt sich, warum die Taliban nicht Nestle attackieren, denn das ist noch viel mehr Imperialismus, als ein paar Düsenjäger für die Regierung. Aber vielleicht hat Nestle ja auch die Taliban gekauft?