Schweden/Dänemark 2018 · 110 min. · FSK: ab 16 Regie: Ali Abbasi Drehbuch: John Ajvide Lindqvist, Isabella Eklöf, Ali Abbasi Kamera: Nadim Carlsen Darsteller: Eva Melander, Eero Milonoff, Jörgen Thorsson, Viktor Åkerblom, Matti Boustedt u.a. |
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Begegnung im Wald |
Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Frau, das ist schon früh klar. Aber was genau? Ist Tina einfach nur potthässlich? Unglücklich ausgestattet von der Natur mit ihrer gedrungenen Statur, den deutlich hervorstehenden Zähnen ihres Oberkiefers, dem strähnigen Haar unter dem Rundschädel, der dicken Nase und den eng stehenden, leicht schielenden Augen? Aber woher kommen dann ihre schlechten Manieren, der Schmutz unter ihren Fingernägeln, ihre ziemlich eklige Art zu essen? Und woher
kommt ihr erstaunliches Talent, ihre Geruchs- und Spürgabe, ein sechster Sinn, mit dem diese Frau, die als Polizistin als Spezialistin der schwedischen Grenzkontrolle arbeitet, zum Beispiel Drogenschmuggler entlarvt, aber auch Menschen, die Kinderpornos über die Grenze bringen wollen?
Kann man tatsächlich Gefühle von Menschen riechen? Scham, Schuld, Wut? Tina kann so was spüren.
Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Es sind großartige Szenen, in denen Tina, deren Alter schwer zu schätzen ist, anfangs die Neuankömmlinge an der Grenze zunächst mustert, dann im Wortsinne schnüffelt und Witterung aufnimmt. Tina scheint mehr Tier als Mensch zu sein.
Dazu passt, dass sie ein inniges Verhältnis zu Tieren hat, besonders gut mit ihnen kommunizieren kann.
»Als Kind dachte ich, ich wär' was Besonderes. Hatte tausend Ideen, was ich sein könnte. Aber seit ich erwachsen bin, ist mir klar, dass ich einfach nur ein hässlicher Mensch bin.« Tina selbst weiß nicht, was sie ist, sie fühlt sich einfach nicht wohl in ihrer Haut, wird von den Menschen gemieden und gehänselt. Ein Chromosomenfehler, sagen ihr alle. Sie ist als Außenseiterin stigmatisiert.
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Bis hierin ist der Film angenehm rätselhaft. Er lässt uns im Ungewissen, erschüttert und irritiert die Gewissheiten des Zuschauers.
Als Film ist Border oder Gräns, wie er im schwedischen Original heißt, von Anfang bis Ende ziemlich banal. Ginge es nicht um Phantastisches, wäre dies ein Paradebeispiel für sozialrealistische Arte Povera, in der hässliche Menschen hässliche Dinge tun, ohne jeden Glamour – und ich meine hier nicht Stars, sondern jene Aura, die Kamera, Schnitt, Musik, Licht, Farben, kurzum die Haltung des Filmemachers herstellen. Und die natürlich auch der Neorealismus eines Rossellini oder De Sica und später eines Olmi und Visconti jederzeit hatte. Es geht – bitte hinhören!! – nicht darum, wer und was hier gezeigt wird, sondern wie. Regisseur Ali Abbasi ist (wie auch sein Kameramann Nadim Carlsen) einfallslos und bieder, er hat ein gutes Thema, er zeigt einfach, und macht sich sonst nicht weiter Gedanken.
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Eines Tages lernt sie einen Mann kennen. Er heißt Vore, und er ähnelt ihr nicht nur äußerlich, er eröffnet ihr auch das Geheimnis ihrer Herkunft.
Die Erklärung für alles ist so einfach wie phantastisch: Tina ist tatsächlich ein Grenzwesen, sie ist ein Troll, also jenes Etwas aus der nordischen Mythologie, das an die Nachtseite des Menschlichen rührt, sein Verdrängtes nach Außen trägt. Und so erfahren wir von einer Gegenwelt: Trolle gebe es überall, aber die Menschen würden sie
ausgrenzen. In Schweden gebe es regelrechte Lager für Trolle. Das wird mit größter Selbstverständlichkeit mit sozialrealistischen Kulissen verknüpft. So erinnert alles auch an ein Märchen. Denn erst im Wald, bei den Tieren entdeckt Tina sich selbst. Realismus und skandinavische Fantasy vereinigen sich in diesem schrägen Film, einem seltsamen Werk, das Genregrenzen überschreitet, und selbst die Grenzen der Natur auslotet, der Wildheit, der Freiheit, der Zivilisation und dies
mit sehr zeitgeistigen Fragen nach Identität, Ausgrenzung, Fremdheit und Schönheit verbindet.
Auch Trolle können glücklich sein. Zugleich entfremdet Vore Tina auch den Menschen, mit denen sie bisher lebte: »Du solltest nicht auf das hören, was die Leute sagen. ... Du weißt so vieles nicht. Vielleicht bist du nicht wie alle anderen. Aber nur weil du besser bist, wie sie.«
An Vore zeigt sich die Arroganz der Trolle, der Anderen, zeigt sich, was vielleicht eine Schutzhaltung ist, aber warum man mit ihnen nicht zusammenleben kann: »Humans are parasites« sagt er, »Vengeance is coming«. Seine Rache liegt in der Idee, die Welt der Menschen mit hunderten von Troll-Wechselbälgern, sogenannten Hisits, zu unterwandern.
Wir sollen Tina mögen. Die Einführung des Themas Kinderporno wirkt etwas gewollt, wie ein bewusst gewähltes Mittel, damit man die Figur auch wirklich schätzt – und insofern ist das alles kalkuliert und ein bisschen zynisch, auch in seiner stereotypen Zeichnung der Nicht-Trolle, äh: Menschen.
Insgesamt auch mehr als ein bisschen aufgesetzt. Und im unverhohlenen Verlangen nach Parteinahme mit der Hauptfigur steckt – maskiert vom Plädoyer gegen die Ausgrenzung von Minderheiten, gegen die Abweisung des Fremden – das Lob des Hässlichen, des Abnormalen, das schon fast wieder normativ ist in Zeiten, die alles Normale und Normierende, die die Existenz von Normen selbst unter Generalverdacht stellen.
Zudem wird hier einmal mehr das elfte Gebot unserer Gegenwart exekutiert: Du musst deine Identität finden. Und du musst deiner Identität folgen.
Aber ist »Identität«, die ja, wenn von ihr die Rede ist, immer als kollektive gedacht und gemeint ist, eigentlich etwas anderes, als ein schöneres Wort für »Gott« und »Tradition«, Volk und Blut und Boden?
So oder so: Tina ist das Über-Ich und der Wet-Dream aller Kulturrelativisten.
Die Nasenflügel beben, die Lippen sind gekräuselt, die Zähne gebleckt – wie ein nach Beute witterndes Raubtier erschnüffelt Zollbeamtin Tina starke negative Emotionen an anderen. Folglich ist sie gut in ihrem Job, aber verstörend für ihre Mitmenschen. Doch nicht nur ihre ungewöhnliche Gabe isoliert sie von der Gesellschaft; ihr Äußeres wirkt auf die von traditionellen westlichen Schönheitsidealen geprägte Mehrheit der schwedischen Bevölkerung abstoßend. Nichts an ihr entspricht dem Ideal – sie ist eine kleine, rundliche Frau mit ungewöhnlich proportioniertem, aufgedunsenem Gesicht, schlechten Zähnen und ungetrimmter Körperbehaarung.
Dann trifft sie Vore, der ihr nicht nur äußerlich ähnelt. Er zeigt ihr, wer sie wirklich ist und hat im Gegensatz zu Tina sein Dasein als Außenseiter akzeptiert und praktiziert seine ganz eigene nomadische Lebensweise. Parallel dazu wird Tina in Ermittlungen zu einem Kinderschänderring verwickelt, welche von Tinas Selbstfindung an den Rand gedrängt werden; erst gen Ende verbinden sich beide Handlungsstränge mehr oder weniger zu einem sinnvollen Ganzen.
Border ist nach dem Überraschungserfolg So finster die Nacht eine weitere Verfilmung eines der Werke vom schwedischen Autor John Ajvide Lindqvist. Allerdings ist hier der Horror weitaus subtiler als im Vorgänger. Regisseur Ali Abbasi macht aus Border so auch ein dunkles Mystery-Märchen mit eingestreuten Krimi-Elementen, das vor allem durch seine dichte unheimliche Atmosphäre in ruhigen Bildern glänzt.
Dies ist vor allem zu Beginn des Films deutlich, während man sich noch an die Eigenheiten der untypischen Hauptfigur gewöhnt und nur darauf wartet, dass etwas Beunruhigendes passiert. Diese Erwartung wird teilweise auch erfüllt und gleichzeitig entschärft, etwa wenn plötzlich ein Elch seelenruhig neben Tina steht und sich von ihr berühren lässt oder ein wilder Fuchs sich ihr zutraulich nähert. Diese Szenen geben dem Film Tiefe und eine Ästhetik, sie sind Stationen auf dem Weg zu Tinas Selbstfindung.
Auch die Figuren strahlen durch ihre Andersartigkeit etwas Unheimliches aus. Besonders die Figur des Vore wirkt durch den bedrohlichen Gesichtsausdruck und das raubtierhafte, grobschlächtige Verhalten zunächst so abstoßend und verstörend, dass die darauffolgende, sich allmählich entwickelnde, liebevolle Romanze zwischen ihm und Tina umso mehr überrascht. Die Beziehung der beiden basiert auf Akzeptanz zwischen zwei Außenseitern, die sich gegenseitig in ihrer Identität, ihrer Andersartigkeit bestätigen und ermutigen; dadurch entkommt der Film gleichzeitig dem verlockenden »Die-Schöne-und-das-Biest«-Klischee, das allzu oft einer äußerlich unscheinbaren Figur ein attraktives Gegenstück als ästhetisch-normative Beschwichtigung zur Seite stellt.
Körperlichkeit und Sexualität sind überhaupt wichtige Bestandteile des Films. Nacktheit und die damit einhergehende nahe Verbindung zur Natur wird erfrischend unaufgeregt dargestellt; Tinas Bad in einem Waldsee wird mit einer nüchternen Selbstverständlichkeit gezeigt, ohne dabei voyeuristisch zu werden.
Leider schießt diese lockere Selbstverständlichkeit mitunter über das Ziel hinaus; eine recht explizite, verstörende Sex-Szene etwa, die sehr ins Animalische abdriftet, hinterlässt eine unangenehme Verunsicherung, nach der man mitunter seine eigene Anschauung hinterfragt; ist man beim Zuschauen verstört, weil die Szene so explizit und tierisch wirkt oder weil sie nicht den konventionellen geschlechtstypischen »Normen« entspricht? Doch natürlich ist klar, dass diese Reaktion von Abbasi beabsichtigt war.
Der große Twist, die Enthüllung Tinas wahrer Identität im Gespräch mit Vore, wirkt antiklimaktisch und beiläufig, ja fast schon ironisch. Man hält sie zunächst für einen Scherz ob ihrer Absurdität, doch der Film greift diesen Ansatz mit einer würdevollen Ernsthaftigkeit auf. Hier gibt es wohl auf Seiten der Rezipienten große Unterschiede je nach kulturellem Hintergrund. Vertrautheit mit skandinavischer Folklore und Sagen lässt Tinas Identität plausibler erscheinen und leichter akzeptieren. Im weiteren Verlauf des Films jedoch entspinnt sich eine recht passable Hintergrundgeschichte um ihre Herkunft, die ihre Identität nochmals begründet und festigt, sodass auch Skeptiker dem nicht mehr allzu kritisch gegenüberstehen dürften.
Denn letztendlich geht es, den vielen Anspielungen ans Tierreich und den übernatürlichen Elementen zum Trotz, um Menschlichkeit und die Frage, was sie ausmacht. Die animalisch anmutende Tina ist in vielerlei Hinsicht menschlicher als einige ihrer Mitmenschen. Selbst ihre Gabe, negative Gefühle zu wittern, kann als erhöhte Fähigkeit zur Empathie aufgefasst werden, die sie benutzt, um kriminelle Machenschaften aufzudecken und Unschuldige zu schützen. Gerade die Enthüllung des Kinderschänderrings führt vor Augen, wer hier die »wahren« Raubtiere sind. Vore bringt es, ganz nach Thomas Hobbes, auf den Punkt: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
»Ich spüre so was.« Der schwedische Film Border von Ali Abbasi handelt von der 40-jährigen Tina, die Scham, Schuld, Wut und andere negative Gefühle ihrer Mitmenschen wahrnehmen kann. Diese Fähigkeit nutzt sie in ihrem Beruf als Zollbeamtin auf einem Schiff voll und ganz aus, ihre Trefferquote bei Schmugglern ist unschlagbar. Sogar bei einem riskanten Polizeieinsatz gelingt es Tina durch ihre Spürnase, Kinderschänder ausfindig zu machen. Doch diese Andersartigkeit, die sich auch äußerlich durch ein deformiertes Gesicht zeigt, macht Tina das Leben im normalen Alltag nicht leicht.
Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von John Ajvide Lindqvist (»So finster die Nacht«), der, zu Abbasis Faszination, einen realistischen Umgang mit Mythen und Legenden pflegt.
Im Team mit Regisseur Ali Abbasi und Regisseurin Isabella Eklöf (Holiday) wirkte Lindqvist auch beim Drehbuch mit. Das Autorenteam verbindet eine Vielzahl an Genres, wie Krimi, Drama, Fantasy und Liebesfilm.
Diese Mischung erzeugt durch mehrere Wendungen eine einzigartige Spannung, durch die man das Ende weder erraten noch schlussfolgern kann. Die besonderen Genres vermischen sich zu einer eigenartigen Stimmung, in der auch ungewöhnlicher Sex ganz natürlich erscheint. Aus diesem Grund gewann Abbasi mit seinem Film 2018 den »Un certain regard Award« bei dem internationalen Filmfestival in Cannes. Auch sein Debüt-Film Shelley, der erst 2016 erschien, feierte bereits Premiere.
Die vielen Nahaufnahmen von Tina fordern ein perfektes mimisches und gestisches Austarieren ihres Charakters. Bevor klar wird, wer Tina eigentlich ist, wird ihre animalische Ader und ihre Andersartigkeit von der Schauspielerin Eva Melander sehr gut angedeutet. Zu Recht wurde sie ein weiteres Mal mit dem Guldbagge ausgezeichnet. Auch Vore (Eero Milonoff) zeigt sein Talent zum Seltsam- und Anderssein, durch seinen ebenso unverwechselbaren Charakter. Tina und Vore gehen eine einzigartige Liebesbeziehung ein und Tina lernt nach 40 Jahren ihr wahres Ich kennen. Ali Abbasi erzählte in einem Interview passend dazu, dass es ihm zum einen um die Darstellung großer Gefühle geht und zum anderen darum, »wie es ist, zu entscheiden, wer man sein möchte.«
Dieser unklassische Film bedient sich teils einer dröhnend und teils einer harmonisch klingenden Musik, die sich perfekt in den Film eingliedert. Sie unterstreicht die vorherrschenden Gefühle. Die Hintergrundgeräusche bilden oft die leitende Instanz, die die Ästhetik des Films bestimmt. Der andauernde laute Atem von Tina, der sich beim Friedhof ihrer verstorbenen Eltern zu einer Atemnot steigert, oder die nackten Füße, die das Knirschen des Schnees produzieren, bewirken die Beachtung der Details. Die Wichtigkeit der Familie und die Naturverbundenheit treten hier in den Vordergrund.
Tina ist von Beginn an mit der Natur verbunden. Eine Heuschrecke setzt sie vorsichtig an ihren Platz zurück, ein Fuchs und ein Elch zeigen sich liebevoll vertraut. Der Waldlandschaft ist ein stilles Vibrieren zu eigen, was die sacht dynamisch geführte Handkamera einfängt.
Zwei Stränge teilen Tinas Leben: Da ist ihr Beruf beim Zoll, ihr dementer Vater im Pflegeheim und ihr Freund Roland. Und da ist Vore. Ihn lernt sie durch einen Zwischenfall beim Zoll kennen. Mit ihm geraten die Welten ins Wanken, weil sie plötzlich ineinandergreifen und Tinas Leben auf den Kopf stellen. Dies wird durch die Unschärfe der Bilder bei dem Gespräch von Tina mit Vore deutlich. Er gesteht ihr, dass er nicht der ist, für den sie ihn hält.
In der Szenenkomposition stehen stillen Situationen actionreiche und energiegeladene Sequenzen gegenüber. Beispielsweise sind über einen längeren Zeitraum nur Tinas Finger zu sehen, wie sie ihren Bauch streichelt oder ihre Hand in einen Bach taucht. Starke kontrastreiche Szenen mit der animalischen Verfolgung Vores durch Tina im Wald oder das Fletschen von Tinas Zähnen zeigen den Zwiespalt, in dem Tina steckt.
Diese Zweiseitigkeit von Tina, äußert sich auch bei der Betrachtung der ersten und letzten Szene: die Heuschrecke wird anfangs mit Achtung von Tina bewundert, am Schluss sind keinerlei heuschreckenfreundliche Gefühle zu sehen. Tina nimmt das Tier und verwendet es als Mahlzeit.
Dieser Film zeigt, dass im Kino nicht alles in eine Kategorie hineinpassen muss. Beim Mischen von Genres, Charakteren und Ästhetiken entsteht etwas Neues und Einzigartiges, das zuvor noch nicht zu sehen war.
»Ich möchte niemandem schaden. Ist es menschlich, so zu denken?« – Border
Die Zollbeamtin Tina, gespielt von Eva Melander (Flocken, 2015), wirkt mit ihrem groben, wie geschwollen aussehenden Gesicht, dem kräftigen Körper und dem stechenden Blick unnahbar. Sehr zurückgezogen und ruhig versucht sie, unauffällig zu bleiben, wo sie sich doch äußerlich deutlich von den anderen Menschen unterscheidet. Bei ihrer Arbeit an der schwedischen Grenze hilft ihr ihr übermenschlicher Geruchssinn, all die Menschen zu wittern, die nach Schuld, Scham oder Wut riechen. So kann sie jeden Schmuggler oder andere Ungesetzmäßigkeiten sofort erkennen. Als sie durch ihre Fähigkeit auf einen Kinderpornoring stößt, macht sich die Polizei diese zunutze und zieht Tina zu den Ermittlungen hinzu.
In ihrer Arbeit beim Zoll wirkt sie genauso eingeklemmt wie in ihrer Uniform und den drückenden Gängen des Gebäudes, und auch zuhause, wo ihr Freund oder wohl doch eher ihr Mitbewohner Roland sich mit seinen Hunden ausgebreitet hat, kann sie sich nicht ganz entspannen. Nach der Arbeit macht sie erstmal barfuß einen Spaziergang durch den Wald um ihre Hütte herum. Dieser Wald, der in seinen verborgenen Tiefen eine ganz eigene Geschichte zu erzählen scheint, die die Menschen zum größten Teil nicht sehen können. Aber Tina ist nicht »die Menschen«, sie ist anders. Denn sie kann sich dem Fuchs hinter ihrem Haus nähern, ohne ihn zu verschrecken, und sie streichelt nachts einen wilden Elch, bei der Vertrautheit zwischen den beiden ist es vermutlich nicht das erste Mal. Es scheint fast so, als wäre sie eine von den Bewohnern des Waldes.
Dann begegnet ihr eines Tages bei der Arbeit Vore (Eero Milonoff). Mit ihm stellt Tina mit der Zeit außer einer frappierenden physiognomischen Ähnlichkeit immer mehr gemeinsame Dinge fest. Doch obwohl er sofort sowohl Tinas Interesse als auch ihren Spürsinn weckt, kann bei ihm außer einer mit Larven gefüllten Dose nichts Verdächtiges gefunden werden. Tina und Vore freunden sich an, kommen sich näher und sind von Anfang an Vertraute in einer Welt, in der sich beide nicht vollkommen zuhause fühlen.
Bei Vore kann sie sie selbst sein und er zeigt ihr ein Leben, in dem das möglich ist. Auf einmal ist sie nicht mehr eingezwängt von der Beziehung zu ihrem Schmarotzer-Freund Roland und dessen Kampfhunden, jetzt ist sie frei, in der Natur, läuft mit Vore nackt durch den Wald, sie gehen im Regen schwimmen, sie lieben sich (auf doch eher atypische Weise) im Wald. Doch Vore, so gut er Tina auch tut, ist voller Wut und genau wie sie undurchschaubar. Trotz aller Gemeinsamkeiten ist er in seiner animalischen Fremdheit auch für Tina voller Rätsel. Und er ist nicht nur ihr Verbündeter…
Mit dem Film »Border« inszeniert Regisseur Ali Abbasi (bekannt für das Drama »Shelley«, 2016) eine Mischung aus Märchen, Liebesgeschichte und Nordic Noir, die genauso verstörend wie fesselnd-faszinierend ist. Als Vorlage für den Film dient die Geschichtensammlung »Gräns« von Horror-Autor John Ajvide Lindqvist, der unter anderem für den 2008 von Tomas Alfredson verfilmten Roman »So finster die Nacht« bekannt ist. Nicht nur in Schweden gewann er zahlreiche der begehrten Guldbagge-Preise, sondern bekam auch in Cannes den »Un Certain Regard«-Award 2018 verliehen. Mit dem ständig präsenten Wald, der Natur und den Bezügen zur alten schwedischen Mythologie zeigt »Border« eine Welt, in der die Natur noch voller Geheimnisse ist und übernatürliche Wesen nicht nur schöne Fantasie sind.