Dänemark 2004 · 110 min. · FSK: ab 16 Regie: Susanne Bier Drehbuch: Susanne Bier, Anders Thomas Jensen Kamera: Morten Søborg Darsteller: Connie Nielsen, Ulrich Thomsen, Nikolaj Li Kaas, Bent Mejding |
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Unter Brüdern |
Eigentlich sollte man diese Kritik erst lesen, nachdem man Brüder gesehen hat. Denn manchmal muss man in einem Text Dinge verraten, die man besser im Kino erlebt. Nur eines sollte jedenfalls vorab klar sein: Brüder ist exzellent, mit Sicherheit einer der besten europäischen Filme dieses Jahres.
Der Film von der Dänin Susanne Bier, die 2002 bereits mit dem Dogma-Melo Open Hearts von sich reden machte, ist der allererste europäische Film, der sich der Tatsache zuwendet, dass spätestens seit Anfang der 90er Jahre – zuerst in Jugoslawien, jetzt in Afghanistan – wieder Soldaten aus unserer Gesellschaft im Kriegseinsatz sind. Man wundert sich im nachhinein, warum diese Vorgänge bisher im Kino nicht stattfanden – während man aus den USA pro Jahr mindestens zwei, drei Filme unterschiedlichster Qualität zu sehen bekommt, die US-Soldaten im modernen Krieg zeigen. Der europäische Film scheint den Krieg bisher zu verdrängen, ja totzuschweigen.
Doch Brüder ist keineswegs ein Kriegsfilm. Die Handlung spielt in unserer Mitte, unter normalen Leuten, die in einem normalen Reihenhaus mit Garten leben, nicht arm, aber auch nicht reich.
Der Offizier Michael (Ulrich Thomsen, bekannt aus u.a. Das Fest) verabschiedet sich von seiner Familie, man sieht, dass er daheim mit Frau seiner Frau Sarah (Connie Nielsen, bisher in Hollywood, u.a. Gladiator, nun in ihrem ersten Film ihrer Heimat) und zwei Töchtern ein festes, dabei unverklärtes Glück lebt. Am Morgen muss er nach Afghanistan, auf UNO-Mission. Michael wirkt auf uns wie die Hauptperson, doch dann explodiert sein Hubschrauber, fällt wie ein Stein in einen See. Plötzlich ist seine Witwe die Hauptperson. Wir sehen eine Trauerfeier, die Folgen für die Kinder, den Zusammenbruch der Familie über diesem Tod. Denn der Tote war der Lieblingssohn des Vaters. Sein Bruder Jannik ist gerade aus dem Gefängnis entlassen, doch jetzt schlüpft er zusehends in die Rolle Michaels, auch privat. Als ob dessen Tod für ihn eine zweite Geburt, eine neue Chance bedeutete. Und dann, in der Hälfte des Films, als sich alle mühsam wieder berappeln, steht der Tote wieder auf. Durch Glück hat er überlebt, in einem afghanischen Gefangenenlager. Doch als Michael zurück ist, wird trotzdem nichts, wie es war. Im Gegenteil: Im Lager zwang man ihn, einen Mitgefangenen zu töten, traumatisiert wird er nun zur Gefahr für seine Familie
Glänzend inszeniert Bier diese emotionale Tour de Force, führt uns immer wieder in die Irre, gibt keinerlei Anhaltspunkte für unsere Orientierung – wir sollen nachempfinden, was den Figuren widerfährt. Brüder ist kein Dogma-Werk, steht aber in der erzählerischen, auch stilistischen Tradition der Gruppe: Richtige Filmbilder mit subjektiv-gefühlvoller Kamera zeigen ein Kino der Leidenschaften, auch für die Zuschauer.
Brüder ist ein kühles Melodram aus der Mitte des Lebens. Eindringlich, immer nahe an der Gegenwart zeigt er, was der Krieg mit Menschen macht, und was er mit uns zu tun hat. Ohne Kitsch oder erhobenen Zeigefinger. Man fragt sich traurig und etwas resigniert, warum solche Filme nie in Deutschland gemacht werden.