USA 2013 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: Allen Hughes Drehbuch: Brian Tucker Kamera: Ben Seresin Darsteller: Mark Wahlberg, Russell Crowe, Catherine Zeta-Jones, Jeffrey Wright, Barry Pepper u.a. |
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Nichts ist, wie es scheint. |
»What are you? Stupid or Catholic?«
Catherine Zeta-Jones als Cathleen in Broken City
Am Anfang ein Sündenfall: Häuserschluchten, Wohnblöcke der Stadt mit günstigen Mieten sind der Schauplatz einer Verfolgungsjagd, an deren Ende ein Polizist einen Verbrecher tötet; aus Rache, wie sich herausstellt. Aber auch wenn bald klar ist, dass das Opfer seinen Teil zu allem beigetragen hat, und harte Strafe gewiss verdiente – es handelte sich um einen überführten Vergewaltiger, der nur aufgrund eines Verfahrensfehlers auf freien Fuß kam – ist die Tat unverzeihlich. Der Täter wird trotzdem der Held dieses Films, dessen Handlung gewissermaßen darin besteht, dass er Erlösung sucht für die Tat, für die er gute Gründe hatte, und von der er trotzdem weiß, dass sie nicht zu rechtfertigen ist.
Er heißt Billy Taggart; Mark Wahlberg spielt ihn mit proletarischem Charme, der Ausstrahlung eines ehrlichen Arbeiters, der direkt ist, offen, im Herzen konservativ, und bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. Einer der auch am Fließband stehen könnte, und gewissermaßen tut er das ja: Verschwitzt schuftend im Steinbruch der Verbrecherjagd. Aber mit der Tat aus Wut ist das Maß voll, und seine Vorgesetzten, der Police Commissioner Carl Fairbanks (Jeffrey Wright) und dessen Chef, New Yorks Bürgermeister Nicholas Hostetler (Russell Crowe) können nicht mehr für ihn tun, als ihm Urteil und Haft ersparen: Billy muss den Polizeidienst quittieren und arbeitet fortan als Privatdetektiv in Brooklyn, in einer Szenerie, die an die klassischen Detektivgeschichten von Dashiell Hammett und Raymond Chandler erinnert, und deren Verfilmungen im Film-Noir-Krimi, oder auch an Roman Polanskis Neo-Noir Chinatown: Ein Milchglasfenster, dahinter ein schlecht rasierter, ungewaschener Private Eye vor einem unaufgeräumten Schreibtisch voller unbezahlter Rechnungen und öder Aufträge. Der einzige Lichtblick in diesem Mehr aus Desillusionierung und Unzufriedenheit, und Billys einziger Trost in seinem latenten Selbstmitleid: Katy – die noch besser so heißen würde, wie ihre Darstellerin: Alona Tal – seine sehr aufgeweckte, sehr blonde Sekretärin, die ihn gelegentlich anhält, ein bisschen Geld einzutreiben, und ihn heimlich anschmachtet. Sie ist, wie sich spätetens bei diesem Fall herausstellt, die einzige, auf die sich Billy wirklich verlassen kann. Denn bald ist klar: Es geht hier um viel mehr: Um politische Verschwörung, Polizei-Korruption, um Immobilien-Spekulanten, die um des Profits willen vor nichts zurückschrecken. Kaum etwas ist, wie es zunächst scheint.
Das gilt vor allem für Nick Hostetler, den von Russell Crowe als dauerlächelnden aalglatten Amoralisten gespielten Machtpolitiker. Man sieht diesem Typ an, dass er weiß, wo es langgeht. Hostetler kämpft gerade um seine Wiederwahl. Darum kann er es sich nicht leisten, dass Dinge hinter seinem Rücken geschehen, die diese gefährden könnten. So heuert er Billy Taggart an, einen Ex-Cop, der als Privatdetektiv arbeitet. Billy soll die Bürgermeistergattin Cathleen – Catherine Zeta-Jones – beschatten, denn die habe, so ihr Mann, eine Affaire. Er will Beweise. Bald geschieht ein Mord, und es ist klar, dass es hier noch um ganz andere Dinge geht.
Glaubwürdigkeit ist kein Maßstab, an dem man diesen Film messen könnte: Natürlich stehen Politiker wie ein New Yorker Bürgermeister und ihre Ehefrauen heute unter ständiger Medien-Beobachtung – wo sich der Privatdetektiv erst mühsam hinschnüffeln muss, ist der Boulevard ja schon längst da – und Privatdetektive beschäftigen die großen Pressekonzerne ja auch. Natürlich wäre ein Gangster vom Format solcher Geschäfte nicht blöde genug, sich per verstecktem Tonband überführen zu lassen.
Dies ist eine Parabel amerikanischer Politik zwischen Konservativen wie Hostetler und Liberalen wie seinem Herausforderer. Letztere werden nicht idealisiert, spielen hier nur eine Nebenrolle. Eher konfrontiert Regisseur Allen Hughes zwei Arten von Konservatismus miteinander: Den des Helden Billy, der als gläubiger Katholik vorgestellt wird, der ein traditionelles Werteschema besitzt, dem Homosexualität so intuitiv suspekt ist, wie Fremdgehen in der Ehe, wie die Bräuche der Reichen mit ihren feinen Manieren und unfeinen Geschäften. Und den ebendieser Reichen, die rechts wählen, und hedonistisch in der Gegenwart leben, während sie ihren Gegnern vorwerfen, die Zukunft zu vergessen. Am Rande geht es hier also um sehr viel: Um Politik, der jedes Mittel recht ist, um Politiker, die neue Flughäfen bauen, die eigentlich nichts sind als Maskeraden für Shopping-Malls, um jene »Gentrifizierung« die öffentlich finanzierte Sozialwohnungen in private Investitionsprojekte für Yuppies verwandelt.
So entfaltet der Film unter der Hand ein facettenreiches Sittenbild des rechten Amerika. Er ist aber auch ein Werk aus Obamas Amerika. Das ist in seinen gebrochenen Versprechen, seiner Mischung aus richtigen Worten und falschen Taten für die moralische Ambivalenz des Noir eigentlich wie gemacht: Im Unterschied zu Polanskis bitterem Schlußstrich unter den Aufbruch der Flower-Power-Jahre, der mit moralischen Läuterungen nichts am Hut hatte, darf in der Obama-Ära kein Platz sein für Zynismen; stattdessen muss offenkundig Gut über Böse triumphieren.
Die eigentliche Stärke ist darum eine ästhetische: Die »zerbrochene« Stadt New York schimmert im Schein des Sonnenuntergangs wie ein spätrömischer Palast, sie glänzt wie eine Wand aus ewigem Eis und die düsteren, expressionistischen Schatten werfen ein stählernes Schwarz über alles Geschehen. Gottgleich gleitet der Kamerablick mitunter über den Abgrund der Hochhausschluchten und der Machtgier in ihnen.
Broken City ist der erste Film den Allen Hughes allein gedreht hat. Davor war er gemeinsam mit seinem Bruder Albert als der eine Teil der Hughes-Brüder unterwegs, die Filme wie den großartigen From Hell oder den missglückten The Book of Eli inszenierten. Mag dieser Solo-Debüt-Film auch manchmal ein bisschen zu einfach und unglaubwürdig erscheinen, so handelt es sich doch insgesamt um ein sehr unterhaltsames, gut gemachtes und intelligentes Genre-Stück.