GB/CZ 2005 · 119 min. · FSK: ab 12 Regie: Terry Gilliam Drehbuch: Ehren Kruger Kamera: Newton Thomas Sigel Darsteller: Matt Damon, Heath Ledger, Jonathan Pryce, Lena Headey, Monica Bellucci u.a. |
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Monicy Bellucci als Hexe im Spiegel |
»Was hast du so große Augen?«, fragt ein kleines Mädchen im Stall eines verwunschenen Dorfes ein Pferd. Der Kinobesucher stellt sich derweilen selbst diese Frage, da er entweder mit Entzückung darüber nachdenkt, wie ein weiteres, doch so bekanntes Märchen anscheinend kreativ in die Geschichte eingearbeitet wurde, oder mit Entsetzen darüber, mit welchem Holzhammer Terry Gilliam hier eine der Plotlücken zu schließen versucht. Egal wie der einzelne Kinobesucher dazu steht, das Extrem des Gefühls weicht bald einem zweitklassigen Spezialeffekt, die Augen werden wieder klein, und vorbei ist das vielleicht erste aufgekommene Gefühl des Entzückens oder des Entsetzens – ein magerer Schnitt für einen Film, der allein aus dem Thema heraus archetypisch diese Emotionen vermitteln sollte. Aber beginnen wir vorne...
Es war einmal, so wird man belehrt, ein hässliches, dreckiges und dunkles Europa. Das heißt, nicht ganz Europa ist hässlich, dreckig und dunkel! Mitnichten, Frankreich ist obendrein noch böse und dekadent. Nun ja, inmitten dieses Europas ist ein von Napoleon besetztes Land namens Deutschland. Dort leben die Gebrüder Jake (Heath Ledger) und Will Grimm (Matt Damon). Während Will der beredte Träumer ist, inszeniert sich Jake als großer Held – insbesondere bei Frauen – und man schließt ihn sofort als Lieblings-Bruder-Grimm in sein Herz. Als Publikumsfavorit hat er später natürlich auch mehrmals die Ehre mit seinem tatsächlichen, deutschen Namen Jakob angesprochen zu werden. Nun, die Gebrüder Grimm jedenfalls sind keinenfalls Romanciers als vielmehr Hochstapler, die falschen Spuk inszenieren um der gepeinigten Bevölkerung das Gold aus der Tasche zu ziehen, bis sie vom französischen Besatzer inhaftiert werden. Der gibt sich sogleich auch so unmenschlich und brutal, dass wir natürlich sofort den bösen Franzosen verteufeln und um unsere beiden Helden fiebern, die allerdings bisher unmerklich weniger Moral an den Tag legten. Womit man bei einem weiteren Aspekt des dargestellten Europas sind: der Europäer ist vulgär, dumm, dreckig und im Schnitt hässlicher als die Märchenmonster, die später noch auf uns warten sollen. Alle Europäer? Mitnichten, die Franzosen sind obendrein noch arrogant. Und böse. Aber weil sie noch machtgieriger als böse sind, stellt General Delatombe (Jonathan Pryce) die Brüder vor die Wahl einen vermutlich barbarischen Tod zu sterben oder Verbrechern, deren Vorgehen dem ihren gleicht, das Handwerk zu legen, denn in dem abgelegenen Dorf Marbaden verschwinden Mädchen. Begleitet und überwacht vom italienischen Folterkünstler Cavaldi (Peter Stormare) begeben sich die Grimms in jene Provinz, um – oh Schreck – feststellen zu müssen, dass sie es mit echtem Spuk zu tun haben...
Der Drehbuchautor Ehren Kruger, unter anderem bekannt durch die Bücher zu Arlington Road oder The Ring, warf gekonnt alle Märchen der Grimms in einen großen Hexenkessel. Nur vergaß er ganz offensichtlich umzurühren. Aber da wir bei einem Märchen ja von vorneherein geneigt sind, über Handlungslücken hinwegzusehen und nach wenigen Filmminuten dazu bereit, zumindest unsere Freude an guter, trivialer Unterhaltung zu haben, nimmt man dem Film die manches Mal zu harten Schnitte auch nicht mehr übel. Überhaupt würde man sich nun gerne dieses Uber-Grimmsche Märchen erzählen lassen, wäre da nicht diese eine störende letzte Sache: Die Spezialeffekte, die zum großen Teil wegen ihrer mangelnden Qualität als solche zu erkennen sind und es auch noch wagen, ständig den Blick auf die schöne Szenerie zu versperren: Untermalt vom gelungenen Soundtrack verzaubert der verzauberte Wald wirklich, ist der eigentliche Star des Films, lädt ein in seinen Reizen zu versinken, entführt uns zur Essenz deutscher Sagen, wäre einen eigenen Film wert, würden da nicht alle Nase lang der polygone, böse Wolf durch das Bild hüpfen und die Bäume sich umherbewegen, um keinen Zweifel daran zu lassen und auch dem letzten Zuschauer deutlich zu machen, wie verflucht und böse der Wald wirklich ist.
Doch zu unserem Glück begeistert uns Peter Stormare immer wieder mit überspitzt, frivolem Spiel und amüsantem Wahnsinn. Wie damals als Teufel in Constantine oder Dino Velvet in 8MM spielt er als das offensichtliche (später doch nicht ganz so) Böse den Rest der Besetzung an die Wand. Da hält kein Heath Ledger, keine Lena Headey (die hölzerne Liebschaft von Will, nein Jake, nein, von wem denn noch gleich noch?) und ansatzweise nur ein Matt Damon mit. Und doch! Monica Bellucci überrascht am Ende noch einmal mit einem gewaltigen Auftritt, dessen möglicher bleibender Eindruck aber in einem gewohnt zweitklassigen Spezialeffekt erlischt.
Was aber von Brothers Grimm in Erinnerung bleibt sind die gespenstischen Minuten unbewegten Waldes, der das düstere Gefühl des deutschen Märchens näher bringt als Rotkäppchen, Schneewittchen und der böse Wolf zusammen. Neben dem gläsernen Schuh darf man nicht den glühenden Eisenschuh der Stiefmutter vergessen: Unser Märchengut lebt von Dunkelheit, Furcht und einer Moral die sich daraus ergibt. Nicht von Wills, Jakes oder karikierten Franzosen, die uns wirkungslos den Märchenspiegel vorhalten sollen. Wenn man dann den Kinosaal verlässt, denkt man noch kurz »Was war nur los, Mister Gilliam?«, um ohne sich eine Antwort zurechtzulegen in Erinnerungen an diesen Märchenwald zu versinken.