USA 2022 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Nicholas Stoller Drehbuch: Billy Eichner, Nicholas Stoller Kamera: Brandon Trost Darsteller: Luke MacFarlane, Billy Eichner, Ts Madison, Monica Raymund, Guillermo Díaz u.a. |
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Liebe auf den ersten Blick... | ||
(Foto: Universal) |
Lebt man in den Ballungszentren der westlichen Welt, könnte man glauben, alles ist möglich, und das nicht nur, wenn es um LGBTQ+ geht. Ist es natürlich nicht, aber bei einer so wundervoll-versponnenen und kaum an die Oberfläche medialer Aufmerksamkeit glucksenden LGBTQ+ Serie wie Transparent fiel das kaum auf. Bewegt sich ein mediales Format jedoch aus seiner Blase heraus, wird es viel schwieriger. Zum Beispiel bei Nicholas Stollers BROS, der nicht nur von der Hollywood-Regie- und Produzentengröße Judd Appatow (The King of Staten Island) betreut wurde, sondern auch sonst alles richtig macht.
Denn Stoller ist einer der großen RomCom- und Komödienregisseure (Bad Neighbors) Hollywoods und seine beiden Hauptdarsteller Billy Eichner und Luke Macfarlane ebenfalls mit allen Genre-Wassern gewaschen und bekennend schwul, so wie auch das übrige Cast LGBTQ+ Hintergrund hat, weshalb sich die Geschichte, die hier erzählt wird, wohl trotz aller RomCom-Stereotypen überraschend wirklich und lebendig anfühlt.
Das liegt natürlich auch daran, dass Stoller das Drehbuch zusammen mit Hauptdarsteller Eichner geschrieben hat und Eichners mediale Erfahrung und Präsenz durch seine vielfach prämierten Comedy Game Show Billy on the Street sich auch in Bros niederschlägt, der Geschichte um den schwulen Podcast-Moderator und LGBTQ+-Aktivisten Bobby Leiber (Billy Eichner), der nicht nur an einem Drehbuch für einen schwulen Liebesfilm, der auch ein heterosexuelles Publikum ansprechen soll, schreibt, sondern auch Mitglied des Verwaltungsrats eines Museums für queere Geschichte ist und erklärter Gegner fester Beziehungen. Der New Yorker verliebt sich dann aber doch mehr als er will in den gutaussehenden, intellektuell aber etwas tumben Aaron (Luke Macfarlane), der aus einer Kleinstadt stammt, als Anwalt arbeitet und so ziemlich das genaue Gegenteil von ihm ist. Und der sein Schwulsein in erheblich weniger vollen Zügen auslebt als Bobby.
Aus dieser Konstellation destillieren Stoller und Eichner eine romantische Komödie mit all den Auf und Abs, die man von diesem Genre erwartet, und in der es vor allem irgendwann völlig nebensächlich ist, dass hier Männer miteinander Sex haben (wenn auch leider mit Unterhose), denn was letztendlich ja doch zählt, für die Liebe, ist der Mensch den man liebt, und nicht sein Geschlecht. Und das arbeiten Billy Eichner und Luke Macfarlane mit exzellenten schauspielerischen Leistungen und einem auch sonst hervorragenden Ensemble lustvoll heraus.
Gleichzeitig grenzt sich Bros aber auch deutlich und klug von hetero-normativen Erwartungshaltungen ab und zieht dezidiert eine Trennline zwischen Hetero- und Schwulenbeziehungen. Die Wut, mit der Bobby das deutlich macht, um ein für alle Mal mit der Mär aufzuräumen, dass eine schwule Beziehung nun mal anders als eine Hetero-Beziehung ist, fällt dabei fast so deutlich aus, wie die die Darstellung der bisweilen bizarren Abgrenzungen innerhalb des LGBTQ+ Zirkels, der eben kein Wort ist, dessen Buchstaben eng beisammenstehen, sondern ein nicht immer ganz freiwilliger Zusammenwurf aktivistischer Individualisten.
Diese durchaus selbstkritischen Töne mögen ein Grund gewesen sein, dass der Film trotz durchweg guter Kritiken nach seinem USA-Start Anfang September bei Teilen LGBTQ+ Community durchfiel; schwerer dürfte allerdings gewogen haben, dass die zehn am besten besuchten Vorstellungen von BROS allein in New York, San Francisco und Los Angeles stattfanden und der Film noch vor seinem Start Opfer eines homophoben Review Bombing von IMDb-Usern wurde.
Was natürlich nur ein weiteres, aber besorgniserregendes Indiz für die gegenwärtige Zerrissenheit der USA ist, die sich ja auch an der prekären Situation der Bibliotheken und dem Verbot von Büchern zeigt und an eine Situation erinnert, die Ray Bradbury in seinem dystopischen Roman Fahrenheit 451 bereits 1953 vorweggenommen und François Truffaut in seiner filmischen Adaption 1966 kongenial transformiert hat.