Israel 2006 · 92 min. · FSK: ab 6 Regie: Tali Shemesh Drehbuch: Tali Shemesh Kamera: Sharon De Mayo Schnitt: Aliza Esquira |
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Rückblick und Ausblick |
Ihre Gespräche kreisen um Ringelnatz oder Immanuel Kant, um Gott und die Welt, aber auch immer wieder um die gemeinsame Vergangenheit, die sie verbindet. Denn die 80-jährigen Mitglieder der ebenso scherzhaft wie offiziell »Mount Herzl Academy« genannten Gruppe alter Leute, die sich mit Plastik-Klappstühlen und Essensboxen am israelischen Nationalfriedhof Mount Herzl regelmäßig zum Picknick treffen, sind Shoah-Überlebende, die meisten aus Polen, einiger Yekkes (Juden deutscher Herkunft). Der Satzung dieser Gemeinschaft zufolge will man zur »Verminderung der Einsamkeit im Alter und gegenseitige Hilfe« beitragen.
Der Titel ist nicht wirklich glücklich. Denn »Friedhof« weckt die falsche Assoziation. Diese Alten sind überaus lebendig, hellwach und diskussionsfreudig. Im Zentrum des Films stehen zwei sehr unterschiedliche alte Damen, die bildungsbürgerliche, kommunikative Juristin Lena, und Minya, die ehe stille und weniger gebildete Großmutter der Regisseurin Tali Shemesh. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit in Lodz, und ihre Angehörigen wurden größtenteils von den Deutschen ermordet. Im Nachkriegspolen trafen sie sich wieder, emigrierten nach Israel, und blieben trotz ihrer unterschiedlichen Lebenswege – Minya war in erster Linie Mutter und Familienmensch, Lena emanzipierte sich aus den Traditionen, schickte ihre Kinder aufs Internat und machte beruflich Karriere – lebenslang eng befreundet.
Lena, die das Warschauer Getto, Auschwitz und Bergen-Belsen überlebte, ist eine extrem beeindruckende, fazinierende Frau. Mit enormer Disziplin und Verzichtsbereitschaft hat sie aus ihrem Leben etwas gemacht, gegen die Zeitläufe. Auch Ausdruck der Verpflichtung dazu, etwas »Besseres« zu sein. Über ihren Mann Yisrael, Minyas Bruder, den sie von Kindheit an kannte, sagt sie: »Ich heiratete Yisrael, weil ich wusste, dass ich eine Beziehung einging, in der ich der Person sicher war.«
The Cemetery Club ist eine Langzeitdokumentation. Mehrere der Gruppen-Mitglieder starben während des Drehs. Das Ergebnis ist ein sensibles, oft humorvolles, überaus menschliches Portrait der Holocaust-Generation, der letzten, nun langsam wegsterbenden Zeugen des Menschheitsverbrechens.