USA 2012 · 96 min. · FSK: ab 0 Regie: Lee Toland Krieger Drehbuch: Rashida Jones, Will McCormack Kamera: David Lanzenberg Darsteller: Rashida Jones, Andy Samberg, Ari Graynor, Eric Christian Olsen, Rob Huebel u.a. |
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Verhandlung der »reinen Beziehung« |
Dass es in gegenwärtigen Beziehungswelten schon lange nicht mehr nur ums Verlieben und so etwas wie die ewige Liebe geht, ist in den Mainstream-Produktionen des Genres »Romantische Komödie« bislang noch nicht so recht angekommen. Weder sieht man die friedliche Koexistenz von Masturbation und Partnersex thematisch aufgegriffen noch das „Gendering“ sexueller Wünsche im Verlauf von Beziehungen oder die nachgewiesene Lockerung monosexueller Fixierung [1]; allein die Realität der seriellen Monogamie wird gerne benutzt, um gleich darauf wieder in die gutbürgerlichen Ewigkeitsfahrwasser abzugleiten.
Umso überraschender ist deshalb Lee Toland Kriegers Celeste & Jesse Forever, einer im sprichwörtlichen Sinn unromantischen romantischen Komödie, die völlig überzeugend im Hier und Jetzt spätmoderner Beziehungswelten angekommen ist. Für Jesse (Andy Samberg) und Celeste (Rashida Jones) bedeutet das gleich am Anfang des Films: ein gemeinsames Leben auch und vielleicht gerade wegen der Trennung ihrer sexuellen (Liebes-) Beziehung. Schnell wird klar, dass ein Grund für die Trennung nach kurzer Ehe das alles andere als klassische Geschlechterrollenverständnis gewesen ist. Celeste ist auf ihre Karriere als Trendforscherin fixiert, Jesse lebt als Gelegenheitsgrafiker in den Tag hinein. Was für die klassische Ehe ein Problem ist, für eine Freundschaft ist es das nicht. Erst als beide darum bemüht sind – auch wegen der verstörten Reaktionen ihrer Umwelt – sich neu zu verlieben, verkomplizieren sich die Dinge, ohne dabei – und das sei Krieger hoch angerechnet – irgendwelchen vorhersehbaren Pfaden des Genres zu folgen. Vor allem die üblichen letzten zehn Minuten Buhlen um den Massengeschmack – man denke nur an Woher weißt du, dass es Liebe ist? – werden wohltuend und völlig überraschend (für das Genre) neu definiert.
Ein Film also über das Loslassen, die Komik des Traurigseins und den Mut immer wieder von vorne anzufangen, auch wenn das in heutigen Zeiten schwieriger ist als je zuvor. Hier arbeitet Krieger sehr genau, versucht er das Dilemma moderner Technologie und spätmoderner Beziehungsmuster einzukreisen: hat man in vordigitalen Zeiten einen Ex-Partner nach der Trennung oft nie wiedergesehen, begleitet einen heute die Realität des Ex tatsächlich und ironischerweise bis in alle Ewigkeit weiter – über die gnadenlose, kein Vergessen kennende Verankerung in sozialen Netzwerken wie Facebook.
Aber auch an anderer Stelle gelingen Krieger und Jones (die zusammen mit Will McCormack für das hervorragende Drehbuch verantwortlich ist) wohltuende Dekonstruktionen alter Klischees, gewissermaßen ein Großreinemachen im Genre-Haushalt: Es sind nicht die Frauen, die in Celeste & Jesse Forever sofort von ihren Gefühlen und Beziehungsdilemmata reden, sondern die Männer. Und sehr akribisch schauen Krieger und Jones auf ein weiteres, faszinierendes Seiten-Phänomen der sich so schleppend, aber dann doch ändernden Geschlechterverhältnisse: im Angesicht energiegeladener, karrierebewusster Frauen verwandeln sich Männer zunehmend in kleine Jungs zurück, die nicht anders als Kinder ganz vorn vorne anfangen müssen. Die lernen müssen, dass sie sich nach der „sexuellen Revolution“ der späten 1960er und nach der „Genderrevolution“ der 1980er nun inmitten einer »partnerschaftlichen und familiären Revolution« befinden, in der sich vor allem ein Beziehungstyp zunehmend deutlich zu konturieren beginnt – die von Anthony Giddens umrissene „reine Beziehung“ [2]. Eine Beziehung, die weniger durch materielle Grundlagen oder Institutionen gestützt wird, sondern um ihrer selbst willen eingegangen wird; eine Beziehung, die nur sich selbst hat und nur solange besteht, wie sich beide darin wohl fühlen bzw. einen emotionalen „Wohlfahrtsgewinn“ daraus ziehen können – kurzum: Eine Beziehung wie Celeste & Jesse.
[1] Schmidt, Matthiesen, Dekker, Starke – Spätmoderne Beziehungswelten: Report über Partnerschaft und Sexualität in drei Generationen. Wiesbaden: VS Verlag 2006
[2] Giddens, A. – Wandel der Intimität. Sexualität, Liebe und Erotik in der modernen Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Fischer 1993