USA 2024 · 132 min. · FSK: ab 12 Regie: Luca Guadagnino Drehbuch: Justin Kuritzkes Kamera: Sayombhu Mukdeeprom Darsteller: Zendaya, Josh O'Connor, Mike Faist, A.J. Lister, Jake Jensen u.a. |
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Ein Film mit emotionalem Sogeffekt... | ||
(Foto: Warner Bros.) |
Tashi Duncan ist eine vielversprechende junge Tennisspielerin, die viel zu früh eine schwere Knieverletzung erleidet, die sie dazu verurteilt, ihre Karriere zu beenden und als Tennistrainerin zu arbeiten.
Kurz vor ihrer Verletzung hatte sie zwei junge Männer kennengelernt, Art Donaldson und Patrick Zweig, zwei weitere Jung-Profis, die sich seit ihrer Kindheit aus dem Tennis-Internat kennen.
Mit den Jahren wird aus Donaldson ein berühmter Tennisspieler, Zweig dagegen verliert sich und gerät langsam in Vergessenheit.
Die Rivalität der Männer auf dem Tennisplatz ist auch eine innere und eine um die Gunst der jungen Frau. Zu Anfang spielt die ehrgeizige und zuweilen psychopathische Tashi einfach mit ihnen, dann ist sie mit Patrick liiert, bevor sie sich Art zuwendet und ein Kind mit ihm bekommt.
Der Kern der Story von Challengers – Rivalen ist daher die emotionale Dreifach-Krise von drei jungen Menschen: In deren Zentrum steht Tashi, die einerseits die beiden Männer wechselseitig unter Druck setzt, zugleich sich selbst nicht zwischen ihnen, zwischen Liebe und Begehren entscheiden kann.
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Regisseur Luca Guadagnino erzählt all dies in einer labyrinthischen Abfolge von Rück- und Vorausblenden, die manchmal schwindelerregend schnell und virtuos ist. Challengers ist nicht zuletzt ein herausragendes visuelles Erlebnis: Videoclip-Pirouetten und subjektive Aufnahmen – auch mal aus der Sicht des Balles – lösen einander ab.
Aber schnell erhält der Film einen ganz zweifellos vom Regisseur angestrebten emotionalen Sogeffekt, der sich mit der Zeit immer weiter verstärkt.
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Der Italiener Luca Guadagnino (geb. 1971) gehört seit längerem zu den herausragenden Regisseuren des Gegenwartskinos. Seit den Neunziger Jahren macht er bereits Filme; mit der nostalgischen Romanze Call Me by Your Name begeisterte er 2017 ein weltweites Publikum und erlebte seinen Durchbruch in der internationalen Wahrnehmung. Es folgten das unterschätzte
Dario-Argento-Pastiche Suspiria und das zärtliche Kannibalendrama Bones and All, mit dem er 2022 beim Festival in Venedig triumphierte und einen Silbernen Löwe für beste Regie gewann. Aber auch im Serienkosmos reüssierte Guadagnino mit We are who we are über den Mikrokosmos eines US-Militärstützpunktes in Italien, der mitten in der Pandemie in San Sebastian gezeugt wurde.
Jetzt ist der experimentierfreudige Autorenfilmer ein neues Wagnis eingegangen und verbindet in seinem neuen Film das Genre des Sportfilms mit dem Melodram und Coming-of-Age-Momenten, die vor allem in ihrer andauernden und unverhohlenen
erotischen Verführungsabsicht einem Indie-Film der Neunziger-Jahre zu entstammen scheinen: Besetzt mit Superstar Zendaya (Dune), Josh O‘Connor (The Crown) und Newcomer Mike Faist (West
Side Story) ist dies einer der sexuell fluidesten, freizügigsten und »unpuritanischsten« US-Filme seit Jahren.
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Noch Grundsätzlicheres wird hier deutlich: Luca Guadagninos besondere Liebe zum Kino von Bernardo Bertolucci, dem späten Kind des italienischen Neorealismus, den der Regisseur in seiner Jugend persönlich kennenlernte, und dem er 2013 einen Dokumentarfilm in Form eines auf Archivmaterial basierenden Essays widmen sollte: Bertolucci über Bertolucci.
Ebenso deutlich wird auch Guadagninos Distanz – und Verachtung – für das zeitgenössische Kino und seinen Zustand erkennbar. Denn das Gegenwartskino zeigt keinerlei Interesse an drei grundlegenden Interessen der künstlerischen Produktion des Italieners: Sex, Humanismus, Stilwille.
Sex und Erotik werden vom Mainstream- wie Independent-Kino weitgehend ignoriert; sieht man einmal von den Gelüsten vernachlässigter Hausfrauen und Pubertätsphantasien ab. Denn davor hat der vom puritanischen Zeitgeist durchsogene Mainstream einfach nur Angst. Die Paradoxien des Menschlichen versteht er nicht und will sie nicht verstehen. Darum verachtet die Gegenwart unvollkommene und zweideutige Charaktere. Stattdessen ersetzt er Komplexitäten durch platte
Eindimensionalität und dumpfen psychologischen Determinismus. Und Stilbewusstsein, Formwille, und ein genauer Blick für die Ästhetik der Filme gelten als elitär und schwierig. Luca Guadagnino zeigt, wie falsch das alles ist. Der Regisseur schöpft auch hier aus der Inspiration durch seinen Mentor Bertolucci und hat keine Scheu vor sinnlicher Überschwänglichkeit.
Ihn interessieren zwar Freizügigkeit und Fetischismus, aber weniger in Form von schwitzenden nackten
Körpern, als in der der Leidenschaft, die Liebende dazu bringt, widersprüchliche und dumme Entscheidungen zu treffen.
Challengers ist in seinem anti-bourgeoisen Grundton eine offene Bertolucci-Hommage. Man könnte den Film auch als Version von Dreamers auf dem Tennisplatz beschreiben. Die nostalgisch beschworene Epoche wären dann die Neunziger und die Nuller-Jahre, von denen der Film musikalisch durchtränkt ist.
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Stillschweigend spottet Challengers auch über Hollywoods hirnlos-trashige Sportfilme und die kindisch-mittelmäßigen Heldenreisen eines US-Durchschnittsdramas, die in den immergleichen verlogenen Happy-Ends münden, und konzentriert sich auf die weniger leuchtenden Randphänomene und humanen Schattenseiten der Sportler-Heldengeschichten: Verletzungen, finanzielle Sorgen, zerstörte Freundschaft, die heuchlerische Öffentlichkeit, Ehrgeiz, Alter und private Verletzlichkeit.
Die Akteure unseres sportlichen Gladiatorenspektakels tragen ein Verfallsdatum auf der Stirn.
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Guadagnino zielt auf eine kapitalistische Wettbewerbskultur, die nicht auf den Sport beschränkt ist, sondern das ganze Leben durchzogen hat. Und in der auch Liebe und Sex käufliche Güter sind.
Zugleich schlägt der Film in seinen letzten Sekunden eine kollektive Versöhnung vor: Ein wiederkehrendes Merkmal von Guadagninos Repertoire und seinem gemäßigten Fatalismus. Dies verstärkt das erzählerische Ziel, zu betonen, dass das gegenseitige Wissen und die gemeinsame Geschichte in den verflochtenen Beziehungen der Menschen viel schwerer wiegen als die Traumata, der Hass und die fortschreitende Entfremdung, die mit dem Fluss des Lebens oder der alltäglichen Arbeit entstehen...
Das Ergebnis ist ein fehlerloser, ganz herausragender Gegenwartsfilm: exzellent unterhaltend, und – ja: sexy.