USA 2023 · 125 min. · FSK: ab 12 Regie: Bobby Farrelly Drehbuch: Mark Rizzo Kamera: C. Kim Miles Darsteller: Woody Harrelson, Kaitlin Olson, Matt Cook, Ernie Hudson, Cheech Marin u.a. |
||
Im Zweifel für den Schuldigen... | ||
(Foto: Universal) |
Die »Behinderten-Komödie« hat sich in den letzten Jahren fast schon zu einem Genre für sich entwickelt, auf dessen Zug nach dem großen Erfolg von Olivier Nakache und Éric Toledanos Ziemlich beste Freunde und dem vom Stand-Up-Comedy-erfahrenen Franck Dubosc in Szene gesetzten Liebe bringt alles ins Rollen auch der deutsche Film mit Alireza Golafshans Die Goldfische aufgesprungen ist. Da dieses Genre jedoch immer wieder in Verruf steht, in den Strudel des Inspiration Porn gezogen zu werden, begibt sich jeder Film, der Menschen mit Beeinträchtigung ins Zentrum stellt, auf gefährliches Glatteis.
Man könnte meinen, dass diese Glatteisstrecke besonders gefährlich für einen Regisseur wie Bobby Farrelly sein sollte, der mit seinem Bruder Peter für einige der grenzüberschreitendsten, auch den grellsten Slapstick und die wildeste Situationskomik mitnehmende Komödien der letzten dreißig Jahren verantwortlich zeichnete. Sei es in ihrem Klassiker There’s Something About Mary (1998), aber mehr noch in Dumb and Dumber (1994) mit Jim Carrey, werden körperliche bzw. kognitive Beeinträchtigungen gnadenlos instrumentalisiert und in eine Komik überführt, die heute wohl kaum mehr realisiert werden dürfte.
Doch auch die Farrellys sind älter, weicher und ein wenig »selbstermächtigter« geworden. Nach ihrem letzten großen gemeinsamen Erfolg mit den The Three Stooges, in dem sie genüsslich die katholische Kirche in Grund und Boden stampften, und einem etwas weichgespülten Sequel zu Dumm und dümmer (Dumm und Dümmehr) versuchte es zuerst Peter ohne seinen Bruder und hatte mit dem im Vergleich zur bisherigen Filmografie äußerst moderaten Green Book dann sogar einen überraschenden Oscar-Erfolg.
Mit Champions zeigt nun auch Bobby, dass er die Regie auch ohne seinen Bruder beherrscht. Ähnlich wie Peter mit Green Book – Eine besondere Freundschaft geht auch Bobby einen dezidiert anderen Weg als in dem gemeinsamen Werk, ohne allerdings selbst als Drehbuchautor in Erscheinung zu treten. Stattdessen adaptiert er den größten Kassenerfolg des spanischen Films aus dem Jahr 2018, Javier Fessers Campeones, von dem es auch bereits ein deutsches Remake, gibt, das im letzten Jahr auf RTL+ veröffentlicht wurde. Die politisch bis in kleinste Detail korrekte Story – also nix mit Inspiration Porn – wird von Farrelly ziemlich exakt übernommen und handelt von einem Basketballtrainer, der nach einem Vergehen zu ein paar Monaten Sozialdienst verurteilt wird, den er in der Basketballabteilung einer Behinderteneinrichtung ableistet. Selbstverständlich baut er hier nicht nur Vorurteile ab und wird zu einem besseren Menschen, sondern verliebt sich auch und findet einen neuen Zugang zu sportlichen Erfolgen.
Das ist eine Geschichte, die so alt ist wie das Kino mit seinen unzähligen, über alle Genres verteilten Underdoggeschichten, die ja immer nah am »American Dream« lavieren. Doch das amerikanische Mainstream-Kino wäre nicht das amerikanische Mainstream-Kino, wenn es nicht aus dem abgenudeltsten Thema etwas Neues und Überraschendes kreieren würde. Mehr noch mit einem Regisseur wie Bobby Farrelly, dessen überbordende Überraschungsmomente ein Alleinstellungsmerkmal seines Schaffens sind.
Diese jahrzehntelange Erfahrung spielt er auch in Champions in fast jeder Einstellung souverän aus und wird dabei von einem starken Ensemble unterstützt. Allen voran in einem wunderbaren Ego-Shooter-Lauf Woody Harrelson als Coach Marcus Marakovich und natürlich den Jugendlichen mit ihren kognitiven Beeinträchtigungen selbst, die hier nicht von Jugendlichen ohne kognitive Beeinträchtigungen dargestellt werden, was dem Film nicht nur seine Glaubwürdigkeit gibt, sondern wohl mehr noch den in den USA immer rigider werdenden Richtlinien für Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit geschuldet ist.
Doch neben dem im Kern moralisch einwandfrei verhandelten Diversitätsthema ist Champions vor allem zwar keine große, aber eine überzeugende und dann und wann auch bissige Feelgood-Komödie im Mantel eines sehr amerikanischen Sportfilms, dessen Stärken und gesellschaftspolitische Facetten wir in den letzten Wochen überraschend häufig in Produktionen wie Air: Der große Wurf und Brady’s Ladies kennenlernen durften. Wem das zu wenig ist, dem sei das aufregende Gedankenspiel empfohlen, sich diesen Film so vorzustellen, wie er von den Farrelly-Brüdern vor dreißig Jahren umgesetzt worden wäre.