USA 1997 · 105 min. · FSK: ab 16 Regie: Kevin Smith Drehbuch: Kevin Smith Kamera: David Klein Darsteller: Ben Affleck, Joey Lauren Adams, Jason Lee, Dwight Ewell u.a. |
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Bisher wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, Kevin Smith unter die Regisseure zu zählen, von denen man einen emotional vielschichtigen Film über Liebe erwarten konnte, in dessen Zentrum eine überzeugende, starke, dreidimensionale Frauenfigur steht.
In seinem bisherigen Oeuvre deutete jedenfalls nichts in diese Richtung: Smiths gefeiertes Debut Clerks lebt ebenso wie der zu Unrecht gehaßte Mallrats von der genauen
Widerspiegelung der Mentalität postpubertärer Kleinstadt-Jungs.
Doch auch ein Kevin Smith wird erwachsen, und in Chasing Amy kann man ihm dabei regelrecht zusehen. Der Film beginnt, als wolle er sich nahtlos an seine Vorgänger anschließen. Im Zentrum steht eine Generation X – Männerfreundschaft, Smiths typische Zwei-Gags-pro-Satz Dialoge jagen einander, und die Charaktere geben sich alle recht hip und cool.
Erst langsam wird der Film immer ernster und tiefer. Wenn dann Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Smith
selbst), die Kult-Helden aus Clerks und Mallrats auftauchen, geschieht dies nur noch, damit Smith höchstpersönlich der Attitüde seiner früheren Werke eine explizite (und für Bob unerwartet eloquente) Absage erteilen kann. Und bis man merkt, daß man den sicheren Grund der humorvollen Distanz nicht mehr unter sich spüren kann, ist es zu spät; Chasing Amy zieht einen unaufhaltsam auf einen emotionalen Mahlstrom zu.
Holden McNeil (Ben Affleck) und Banky Edwards (Jason Lee) sind schon ewig Freunde und texten und zeichnen gemeinsam den erfolgreichen Untergrund-Comic »Bluntman & Chronic«. (Fans guter Comics sollten sich Chasing Amy schon wegen des Gastauftritts von MADMAN-Schöpfer Mike Allred nicht entgehen lassen, von dem auch die Zeichnungen zu »Bluntman & Chronic« und »Chasing Amy« stammen.)
Auf einer Comic-Convention lernen die Beiden Berufskollegin Alyssa
Jones (Joey Lauren Adams) kennen, in die sich Holden prompt verknallt. Alyssa aber hat eine Liebhaberin.
Holden versucht, sich mit der Rolle des guten Freundes zu begnügen. Doch als, zu Aller Überraschung, eines Tages sein größter Wunsch in Erfüllung geht und bei Alyssa für ihn mehr als platonische Gefühle erwachen, fangen seine Probleme erst an.
Banky entwickelt plötzlich eine uneingestandene Eifersucht, an der die lebenslange Freundschaft zu zerbrechen droht, und Holden
kann die Entdeckung nicht bewältigen, daß Alyssas vorheriges Leben an sexuellen Erfahrungen deutlich mehr zu bieten hat als sein eigenes.
In einer frühen Szene tauschen sich die Protagonisten sehr freizügig über mögliche Unfälle beim Oralsex aus. Sie haben noch keine Ahnung, daß die dabei erlittenen Verletzungen ein Hohn sind gegen die Wunden, die das Scheitern richtiger Liebe im Herz reißen kann.
In Chasing Amy ist es nicht der Sex, der das Leben schwer macht; es ist die geistige, emotionale Nähe zu einem anderen Menschen – die ungleich erfüllender, aber auch unkontrollierbarer und
angsteinflößender ist. Holden, Banky und Alyssa haben damit besonders zu kämpfen, da sie alle noch auf der Suche nach Identität für sich sind, und jemand anderen sehr nahe an sich heranzulassen für sie heißt, eine Verletzbarkeit zu offenbaren, die tief ins Zentrum ihrer Persönlichkeit reicht.
»Igitt,« werden jetzt die einen sagen, »ein Problemfilm! Das will ich nicht sehen!«. Und »Pfui bäh, eine romantische Komödie,« werden die anderen schimpfen, »da geh'n wir lieber in den Film mit den Dinosauriern!«
Unrecht haben beide. Um ein Problemfilm zu sein, ist Chasing Amy viel zu witzig, flott und unpathetisch; große Gefühlsausbrüche hin oder her. Und ungleich einer romantischen Komödie nutzt Smiths Film die Grundkonstellation nie als Aufhänger
für lustige Irrungen und Wirrungen; der Witz ist einzig und allein der der plastisch gezeichneten Charaktere, deren Authentizität Smith nie für einen Lacher preisgeben würde.
Wie Smith als Autor und Regisseur wachsen in Chasing Amy auch die Schauspieler weit über das hinaus, was man ihnen zugetraut hätte. Die Chemie im Ensemble stimmt, und die emotionale Intensität ist konstant hoch. Um so erstaunlicher, daß es Joey Lauren Adams dennoch gelingt, allen die Show zu stehlen. Sie läßt sich die Gelegenheit nicht entgehen, aus der äußerst dankbaren Rolle der Alyssa eine der stärksten und beeindruckendsten Frauengestalten der Kinosaison zu machen.
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen autobiographisch inspirierten Werken versagt Smith sich und seinem Publikum allerdings am Ende das wish-fulfillment einer einfachen, glücklichen Lösung.
Vielleicht kann er sich das deshalb leichter erlauben, weil seine real-life Beziehung zu Joey Lauren Adams, auf die der Film anspielt, anscheinend die in Chasing Amy gezeigten Klippen unbeschadet hinter sich gelassen hat.
Wer in seinem Leben das
Glück gefunden hat, hat in der Kunst weniger Bedarf für Eskapismus.
Schön für Smith. We should all be so lucky.